Dienstag, 29. Dezember 2015

SICARIO (Denis Villeneuve, 2015)

Sicario ist einer von zahllosen Filmen, der sich der Drogenproblematik im Grenzgebiet zwischen den USA und Mexiko verschrieben hat. Sein Ansatz ist dabei weder neu noch originell. Vielmehr kommt er zu der banalen Erkenntnis, dass den Kartellen mit der Macht des Gesetzes nicht beizukommen ist und die Obrigkeit daher gezwungen ist, nach ihren Regeln zu spielen. Rechtsstaatliche Prinzipien sind wenig hilfreich im Kampf gegen das organisierte Verbrechen - keineswegs eine bahnbrechende Erkenntnis.

Das Drehbuch versucht aber, besonders schlau zu sein, indem es eine völlig naive Polizistin, die bisher ein Team leitete, das sich mit Entführungsfällen beschäftigte und in Sachen Drogen völlig unbeleckt ist, scheinbar in den Mittelpunkt der Handlung stellt, um von der eigentlich zentralen Figur, dem titelgebenden Auftragskiller Alejandro abzulenken. Dies gelingt nur bedingt, da die Figur der Polizistin Kate (eine stark abgemagerte Emily Blunt) völlig überzogen ist in ihrer Unerfahrenheit und grenzenlosen Naivität. Auch wenn ihre Kollegen noch so stichhaltige Argumente für ihr Vorgehen haben, gibt sie die unerschrockene Kämpferin für Gesetz und Ordnung und zeigt sich angewidert von deren wenig zimperlichen Methoden. Dabei ist sie aber erstaunlich inkonsequent: obwohl sie mit allem nichts zu tun haben will, bleibt sie dennoch dabei und will wissen, was gespielt wird und wird so letztlich zur Komplizin. Womöglich stellt sich der amerikanische Kinogänger so die idealistische junge Polizistin vor - mir waren das ein paar Klischees zu viel. Im Grunde genommen ist die Figur komplett überflüssig und ich bin überzeugt, dass der Film ohne sie besser funktionieren würde. Wie zu lesen war, musste Villeneuve seine weibliche "Hauptdarstellerin" gegen den Widerstand der Produzenten durchboxen. Da wünscht man sich doch glatt, die Produzenten wären konsequent gewesen. Doch es gibt noch eine Steigerung: Kate hat noch einen befreundeten Kollegen, dessen Rolle noch überflüssiger ist und der im ganzen Film keine zehn Sätze spricht.

So bildet Benicio del Toro als Killer auf Rachemission das eigentliche Zentrum des Films. Ein von persönlichen Motiven getriebener Desperado, der nicht danach fragt, für wen er arbeitet, solange er sein Ziel erreicht. Damit bildet er die weitaus interessantere Figur, auch wenn man über ihn nur wenig erfährt.

Punkten kann Sicario mit seiner schnörkellosen, geradlinigen Inszenierung, den gefälligen Bildern von Roger Deakins, guten Darstellern (neben dem bereits erwähnten Benicio del Toro sticht noch Josh Brolin heraus, der allerdings ebenfalls eine mit Klischees beladene Rolle abbekommen hat) und einem stetigen Spannungsaufbau, der den Zuschauer über die zwei Stunden bei der Stange hält. Und so ist unter dem Strich ein ausgesprochen solider Genrebeitrag entstanden, dessen Sichtung trotz der eingangs erwähnten Schwächen durchaus Vergnügen bereitet. Mit einem etwas besseren Drehbuch wäre hier sicherlich noch mehr drin gewesen. Inhaltlich bietet Sicario lediglich Altbekanntes, doch formal macht der Streifen echt was her.

Montag, 28. Dezember 2015

THE MAN FROM EARTH (Richard Schenkman, 2007)

I'm going home and watch Star Trek for a dose of sanity.

Bis vor wenigen Tagen hatte ich noch nie etwas über The Man from Earth gehört. Der Film wurde mir von einem Kollegen empfohlen, und seine Worte machten mich so neugierig, dass ich mir das Teil umgehend besorgte. Erzählt wird die Geschichte des Professors John Oldman, der dabei ist, in eine andere Stadt umzuziehen und Besuch von seinen Kollegen erhält, die sich von ihm verabschieden und dabei in Erfahrung bringen wollen, warum er scheinbar grundlos nach zehn Jahren erfolgreicher Dozententätigkeit das Weite sucht. Nach einigem Zögern erklärt er seinen überraschten Kollegen, dass er ein Cro-Magnon sei, ein Urzeitmensch, und seit mehr als 14.000 Jahren auf der Erde lebe. Da er nicht altere, wechsle er etwa alle zehn Jahre seinen Standort um nicht aufzufallen. Während seine Kollegen dies anfangs als Scherz abtun, setzt sich im Laufe der Diskussion bei ihnen die Erkenntnis durch, dass John wirklich von dem überzeugt ist, was er sagt. Und so entfaltet sich ein faszinierendes Gespräch zwischen ihm und seinen Kollegen (wie er allesamt Wissenschaftler) darüber, inwieweit das Überleben eines Urzeitmenschen bis in die heutige Zeit möglich ist und wie er die Entwicklung der Menschheit in den letzten Jahrtausenden erlebt hat.

Wie sich anhand der Inhaltsangabe bereits erahnen lässt, handelt es sich im weitesten Sinne um ein Kammerspiel, auch wenn einige Szenen vor oder in unmittelbarer Nähe von Johns Haus spielen. Abgesehen von zwei Möbelpackern, die irgendwann auftauchen, weil John seine Einrichtung einem Wohlfahrtsverband gespendet hat, sind da nur Johns Besucher, zu denen sich später auch ein Psychiater aus dem gemeinsamen Bekanntenkreis gesellt. Die Handlung wird ausschließlich durch die Gespräche vorangetrieben. Diese sind zugleich die große Stärke des Films. Aufgrund des wissenschaftlichen Hintergrunds der Besucher stellen diese intelligente Fragen, auf die John immer die passenden Antworten hat. Dabei wirkt er keineswegs allwissend oder übermenschlich, sondern legt schlüssig dar, dass er Vieles von dem, was er jetzt weiß, erst im Nachhinein durch Erzählungen, Nachrichten, wissenschaftliche Bücher etc. erfahren hat bzw. in den Gesamtkontext einordnen konnte. Das alles wirkt so glaubhaft und wird mit entwaffnender Logik vorgetragen, dass man als Zuschauer schnell geneigt ist, sich auf seine Geschichte einzulassen. Das gilt selbst dann noch, wenn diese im weiteren Verlauf immer kuriosere Wendungen nimmt. Doch soll an dieser Stelle nicht zuviel verraten werden.

Wie man den Film aufnimmt, ist individuell wahrscheinlich sehr unterschiedlich und hängt nicht zuletzt von der eigenen religiösen Überzeugung ab, denn natürlich ist The Man from Earth auch ein Film über Glauben und Religion. Ich für meinen Teil konnte gar nicht genug kriegen von den faszinierenden Geschichten, die John zu erzählen hatte und saß wie gebannt vor dem Bildschirm. Mit seinem in höchstem Maße fesselndem Film belegt Schenkman, dass es keines großen Budgets bedarf und keiner teuren Spezialeffekte, um sein Publikum nachhaltig zu beeindrucken. Eine gute Story, clevere Dialoge und überzeugende Darsteller sind dafür mehr als genug.

Freitag, 25. Dezember 2015

AVP: ALIEN VS. PREDATOR (Paul W.S. Anderson, 2004)

Die Idee, zwei der prägenden Weltraum-Monster der letzten Jahrzehnte quasi gegeneinander antreten zu lassen, mutet befremdlich an, und so habe ich bisher einen Bogen um dieses Vehikel gemacht. Doch nachdem ich inzwischen den ein oder anderen Film von Paul W.S. Anderson gesehen habe und diesen auch durchaus positive Seiten abgewinnen konnte, habe ich mich nun mit 10-jähriger Verspätung doch zu einer Sichtung durchgerungen. Und siehe da: das Ergebnis ist gar nicht so schlecht, wie ich befürchtet hatte.

Die Story ist erwartungsgemäß völliger Blödsinn. Auf die Idee, dass eine außerirdische Rasse alle hundert Jahre auf die Erde kommt, um dort eigens zu diesem Zweck gezüchtete Aliens in einer unterirdischen Pyramide zu jagen, um sich der eigenen Heldenhaftigkeit zu versichern, und sie anschließend wieder zu vernichten, damit sie sich nicht über die gesamte Erde ausbreiten können, muss man erstmal kommen. Das ist aber nicht weiter schlimm, denn wer einen Anderson-Film schaut in der Hoffnung, intelligent unterhalten zu werden, dem ist eh nicht mehr zu helfen. Und so bietet AVP genau das Erwartete: gut 100 Minuten schnittig inszenierter Action mit gut gemachten Spezialeffekten – und glücklicherweise sehr überschaubarem Zeitlupeneinsatz – mit Sanaa Lathan eine recht ansehnliche Protagonistin, stimmungsvolle altertümliche Sets, eine unheilvoll-düstere Atmosphäre und herrlich fiese Monster, von denen sich die Predators letztlich als die berechenbarere und somit sympathischere Spezies herauskristallisieren. Da stören die klischeehaften Figuren ebenso wenig wie die gegen Ende immer abstruseren Kapriolen, die das Drehbuch schlägt. Für kurzweilige Unterhaltung ist gesorgt. AVP bietet gutes Popcorn-Kino, nicht mehr, aber auch nicht weniger.

THE ZERO THEOREM (Terry Gilliam, 2013)

Im direkten Vergleich mit dem Vorgänger wirkt The Zero Theorem deutlich runder und in sich geschlossener. Gilliams Vorstellungen von der Zukunft sind immer altbacken. Das war schon bei Brazil so, wobei das dort natürlich auch mit der Entstehungszeit zu erklären ist – hat er doch immerhin 30 Jahre auf dem Buckel. The Zero Theorem wirkt dabei so, als sei er kurze Zeit später entstanden oder als habe sich die Film- und Tricktechnik seither keinen Deut weiter entwickelt. Lediglich das Zukunftsszenario wurde etwas aktualisiert. Das kann man anprangern oder aber charmant finden. In jedem Fall sind die stilistischen Ähnlichkeiten zu Brazil nicht zu leugnen. Die allgemeine Skepsis, die Gilliam der Obrigkeit – sei es nun die staatliche oder eine firmenhierarchische, wobei die Übergänge hier fließend sind – gegenüber hegt, kommt wieder deutlich zum Ausdruck, denn auch hier wird der Protagonist rund um die Uhr von Videokameras überwacht. Einige Ideen sind recht witzig, wenn auch nicht unbedingt neu, wie beispielsweise die sexuelle Interaktion in einer virtuellen Realität über das Internet. Wobei die totale Reizüberflutung, der der Protagonist ausgesetzt ist, ja längst Realität ist.

In der Hauptrolle gibt es einen Christoph Waltz, der mit Hingabe seine inzwischen hinlänglich bekannten Manierismen zelebriert, wobei das hier sogar ganz gut zu seinem Charakter passt. Zumindest würde es niemanden überraschen, wenn er von sich stets in der dritten Person Plural redete. Alles in allem eine weniger nervige Darbietung wie sonst bei ihm üblich. Tilda Swinton hat einen witzigen Part als seine Therapeutin und erinnert dabei etwas an ihre Rolle als Ministerin Mason in Bong Joon-hos Snowpiercer. Gut auch Matt Damon als gewissenloser Firmeninhaber, der alles dem Erfolg unterordnet. Herausgekommen ist wieder einmal eine quietschbunte Mischung, die interessante Fragen aufwirft ohne sie zu beantworten und dabei immer zwischen Tragödie und Komödie changiert. Eine Mischung, die zumindest ich als kurzweilig und unterhaltsam empfunden habe.

Samstag, 19. Dezember 2015

THE IMAGINARIUM OF DOCTOR PARNASSUS (Terry Gilliam, 2009)

The Imaginarium of Doctor Parnassus ist gemeinhin bekannt als der Film, während dessen Dreharbeiten Heath Ledger starb. Dadurch war Gilliam gezwungen, zu improvisieren und das Drehbuch zu ändern. Die Lösung, Ledgers Charakter jenseits des Spiegels durch drei andere Schauspieler (Johnny Depp, Jude Law und Colin Farrell) verkörpern zu lassen, wirkt im fertigen Film keineswegs höherer Gewalt geschuldet, sondern unterstreicht vielmehr die Ambivalenz des Charakters, dessen Lebensgeschichte zu einem guten Teil aus Betrug, Lügen und der Vorspiegelung falscher Tatsachen besteht. Und so ist dies ironischerweise das kleinste Problem mit Gilliams Film. Wer sich auf seine Arbeiten einlässt, weiß um deren Sperrigkeit, auch wenn Gilliam gelegentlich Filme macht, die ohne große Hirnakrobatik zu verdauen sind. The Imaginarium of Doctor Parnassus allerdings wirkt so, als habe der britisch-amerikanische Regisseur eine Kiste voller verrückter Ideen auf den Boden geschüttet und sei während der Dreharbeiten noch dabei gewesen, diese zu sortieren. Die Einflüsse sind vielfältig: neben dem Faust'schen Grundmotiv (toll: Tom Waits als Teufel!) finden sich Elemente aus Alice in Wonderland, Reminiszenzen an die alten Monthy-Python-Tage, Elemente des fernöstlichen Theaters, Anleihen bei den klassischen Märchen und Vieles mehr. Dazwischen irrlichtern die Darsteller umher, als hätten sie sich in einem verwunschenen Wald verlaufen und fänden den Ausgang nicht mehr. Gilliam bestreitet ja stets, dass Drogen bei der Produktion seiner Filme im Spiel sind, doch wäre dies immerhin eine einleuchtende Erklärung für das ganze Durcheinander. Jedenfalls vermittelt das fertige Produkt den Eindruck, die Macher hätten die Kontrolle über das Projekt verloren und bis zur Fertigstellung nicht mehr wieder erlangt.

Trotz seiner Schwächen ist The Imaginarium of Doctor Parnassus jedoch alles andere als ein schlechter Film. Gilliams Einfallsreichtum sind keine Grenzen gesetzt, und es hat durchaus seinen Reiz, sich auf seine im wahrsten Sinne des Wortes phantastischen Ideen einzulassen. Und auch wenn es dem Werk erkennbar an Struktur und Ordnung fehlt, viele Dinge nur angerissen, aber nicht zu Ende gebracht werden, kann man sich der Faszination dieses kunterbunten Irrsinns nur schwer entziehen. Das Ende war mir wiederum zu versöhnlich, hier hätte ich mir etwas mehr Boshaftigkeit gewünscht.

Donnerstag, 17. Dezember 2015

THE HOBBIT: THE BATTLE OF THE FIVE ARMIES (Peter Jackson, 2014)

Traditionell in der Vorweihnachtszeit erscheint die Langfassung des aktuellsten Peter-Jackson-Films. 20 Minuten zusätzlichen Materials gibt es zu bestaunen, und wie bei den Vorgängerfilmen sind auch hier die Ergänzungen wieder sinnvoll und lassen das Gesamtwerk stimmiger und runder erscheinen. Ein Großteil davon entfällt auf Kampfszenen, wobei u. a. zahlreiche Enthauptungen ergänzt wurden. Insgesamt hat sich der Gewaltgrad im Vergleich zur Kinofassung deutlich erhöht. Dabei bleibt das Geschehen aber immer noch kindgerecht und familientauglich. Besonders gelungen ist eine längere Verfolgungsjagd mit einigen Zwergen in einem von Steinböcken gezogenen Streitwagen über ein zugefrorenes Flussbett. Die erweiterten Kampfszenen, bei denen zum Teil auch zusätzliche Kreaturen eingefügt wurden, verleihen der Schlacht mehr Intensität, die dadurch dem Anspruch, eine Auseinandersetzung epischen Ausmaßes zwischen fünf verschiedenen Völkern zu zeigen, eher gerecht wird. Das Zurückstellen eigener Interessen und Beilegen der kleineren Konflikte untereinander zugunsten des gemeinsamen Kampfes gegen eine dunkle Macht erinnert in der aktuellen politischen Großwetterlage frappierend an den Kampf der internationalen Staatengemeinschaft gegen den sogenannten Islamischen Staat. Wie in der Realität müssen die Führer im Film ihre Egoismen überwinden, um gemeinsam die freie Welt zu verteidigen. Die Parallelen sind natürlich Zufall, zeigen aber auch, dass der Kampf gegen das Böse ein immer währender ist.

Peter Jackson ist ein Meister im Erzählen solcher Geschichten, und auch wenn die Hobbit-Trilogie aufgrund der dünnen Story nicht mit der LotR-Trilogie mithalten kann, ist es ihm doch gelungen, über drei Filme mit einer Gesamtspielzeit von etwas mehr als 8 1/2 Stunden hinweg den Zuschauer erneut in die faszinierende Welt Mittelerdes zu entführen und ihn teilhaben zu lassen am Leben von Hobbits, Zauberern und Elben. Dies gelingt ihm, indem er eine atemberaubende Bilderpracht entfaltet und mit beeindruckendem Detailreichtum aufwarten kann. Tricktechnisch ist das dennoch nicht makellos - so sieht man beispielsweise den Animationen, wenn die von den Zwergen gerittenen Steinböcke die Felswände erklimmen, ihre Computer-Herkunft deutlich an. Und auch Legolas Springeinlagen über die unter ihm wegbrechenden Felsbrocken sehen nicht sehr überzeugend aus. Dem hohen Unterhaltungswert tut dies keinen Abbruch. Glücklicherweise verzichtete Jackson auf Änderungen am Ausgang der Geschichte, so dass auch in der langen Fassung einige der Helden ihr Leben lassen müssen. Dies unterstreicht den märchenhaften Charakter des Films und entlässt denen Zuschauer mit einer Prise Wehmut.