Freitag, 30. März 2018

BABY DRIVER (Edgar Wright, 2017)

Don’t feed me any more lines from Monsters Inc.! It pisses me off.

Baby Driver ist vordergründig ein „Heist-Movie“, wie es neudeutsch heißt. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen jedoch nicht die Überfälle. Vielmehr zeichnet der britische Regisseur Edgar Wright, der sich bisher hauptsächlich mit TV-Produktionen und Komödien einen Namen gemacht hat, ein detailliertes Psychogramm des Fluchtwagenfahrers Miles, dem wegen seines jugendlichen Aussehens der Spitzname „Baby“ verpasst wurde. Aufgrund eines traumatischen Erlebnisses in seiner Kindheit leidet er unter Tinnitus, den er mit Musik zu überdecken versucht. Damals wurde er Zeuge, wie seine Eltern bei einem Autounfall starben, den er selbst verletzt überlebte. Doch während die körperlichen Narben heilten, blieben die seelischen bestehen. Sein Stiefvater, der sich nach dem Unfall um ihn gekümmert hatte, ist inzwischen selbst ein Pflegefall und muss von Miles umsorgt werden. 

Hinzu kommt die Abhängigkeit von Miles‘ Auftraggeber „Doc“, in dessen Schuld er steht, und auf dessen Geheiß er gegen seinen Willen jeweils den Fluchtwagen bei den von Doc geplanten Coups fahren muss. Dabei verbindet die beiden eine Art Vater-Sohn-Verhältnis, bei dem der „Vater“ (Doc), den „Sohn“ (Miles) einerseits gnadenlos ausnutzt, indem er ihn zu den Raubüberfällen nötigt, ihm andererseits aber auch am Ende hilft zu entkommen und sich letztlich gar für ihn opfert. 

Bei den Raubzügen ist Miles die Schlüsselfigur, denn während Doc die anderen Mitglieder regelmäßig tauscht, ist dieser die einzige Konstante im Team. Dabei steuert er den Wagen mit der Präzision eines Uhrwerks durch die Straßen Atlantas und löst auch die kniffligsten Situationen mit einer geradezu eleganten Lässigkeit. Erst im weiteren Verlauf wird klar, dass er nur mit Musik funktionieren kann. Musik lenkt ihn ab, lässt ihn den Tod seiner geliebten Mutter ebenso vergessen wie seinen Tinnitus. Demzufolge spielt Musik eine große Rolle im Film. Sie ist allgegenwärtig. Ob im Radio, über einen seiner zahlreichen iPods oder auf den Kassetten, die Miles aus Musik und aufgenommenen Wortfetzen selbst zusammenschneidet. Die Musik gibt im wahrsten Sinne des Wortes den Takt vor und bestimmt den Rhythmus der Bilder.

So originell dieses Konzept ist, so sehr folgt der Film letztlich doch der üblichen Dramaturgie. Während der erste Überfall noch nahezu reibungslos abläuft, geht beim zweiten schon einiges schief und beim dritten laufen die Dinge vollends aus dem Ruder. Schließlich kommt es zur großen Eskalation, wobei Wright irgendwann die Balance zu verlieren droht. Anstelle der Musik rückt immer mehr die physische Gewalt in den Vordergrund. Im finalen Showdown geht es nur noch um das nackte Überleben, und spätestens hier unterscheidet sich Baby Driver kaum mehr von einem Standard-Actionfilm, zumal auch der Realismus zunehmend auf der Strecke bleibt. Dies ist ein Stück weit bedauerlich, schmälert das Seh-Vergnügen aber nicht nachhaltig.

Baby Driver ist trotz dieses kleinen Mankos ein erfrischender Film, der über weite Strecken richtig begeistern kann. Dazu tragen neben der eleganten Inszenierung, den pointierten Dialogen und den rasanten Verfolgungsjagden nicht zuletzt die überzeugenden Darsteller bei, allen voran der wie immer brillante Kevin Spacey und der junge, mit bisher völlig unbekannte Ansel Elgort in der Hauptrolle.

Mittwoch, 28. März 2018

BLADE RUNNER 2049 (Denis Villeneuve, 2017)

Ridley Scotts Blade Runner zählt zu meinen erklärten Lieblingsfilmen. Da ist es logisch, dass der Nachfolger von Haus aus keinen leichten Stand bei mir hat, zumal mir der schon seit Jahren anhaltende Trend in Hollywood, Altbewährtes neu aufzuwärmen statt zu versuchen, etwas Neues zu schaffen, ohnehin gewaltig gegen den Strich geht. Immerhin blieb der Welt ein Remake von Blade Runner bisher erspart, aber eine Fortsetzung hätte ich auch nicht unbedingt gebraucht.

Meine grundlegende Skepsis dem Projekt gegenüber hat mich natürlich nicht davon abgehalten, den Film trotzdem zu schauen, zumal die Kritiken durch die Bank positiv bis nahezu euphorisch waren. 

Das Ergebnis fällt dann eher ernüchternd aus. Zugute halten muss man Villeneuve, dass er sich nach Kräften bemüht hat, den Geist des großen Vorbildes einzufangen. Roger Deakins‘ Kameraarbeit liefert beeindruckende Bilder, die Stimmung ist ähnlich düster wie damals und auch bei dem Score orientierte man sich an Scotts Meisterwerk, wobei mir die ständige Wiederholung des Grundthemas irgendwann auf den Keks ging. Dem gegenüber steht die wenig gehaltvolle Story, der der philosophische Tiefgang des Vorgängers völlig abgeht, und die im Grunde genommen von nicht viel mehr erzählt als einer Familienzusammenführung, dabei aber auf eine Spielzeit von nahezu drei Stunden aufgebläht wird. Schon Ridley Scott hatte ja nach der Sichtung des fertigen Films geäußert, dass er ihn mindestens um eine halbe Stunde gekürzt hätte. Eine gewisse Trägheit in der Erzählweise wohnt natürlich auch Scotts Film inne, doch wirkt dies bei ihm eher unaufgeregt und distanziert, während es bei Villeneuve vor allem langatmig ist. Im Finale schließlich wird es dann ziemlich hektisch, was überhaupt nicht zur restlichen Erzählstruktur passt und wie ein Stilbruch wirkt. Harrison Ford als gealterter Deckard ist natürlich trotzdem ein Highlight, aber unter dem Strich kann Blade Runner 2049 nur in Ansätzen überzeugen. Sicherlich alles andere als ein schlechter Film, aber von Ridley Scotts Meisterwerk ist er meilenweit entfernt.

Samstag, 17. März 2018

WER FRÜHER STIRBT IST LÄNGER TOT (Marcus H. Rosenmüller, 2006)

Dad‘n Sie eventuell mit mir vögeln?

Hinter dem kauzig-kultigen Titel verbirgt sich eine leichtfüßige Komödie mit origineller Story, die phasenweise etwas an die Lausbubengeschichten der 60er Jahre oder auch den Michel aus Lönneberga erinnert, sich dabei aber eines durchaus ernsten Themas annimmt: der Vergänglichkeit alles Irdischen und der Tatsache, dass alle Lebewesen irgendwann sterben müssen. Der kleine Sebastian sucht einen Ausweg aus diesem Dilemma und entwickelt dabei allerhand lustige Ideen, wie man die Unsterblichkeit erlangen könnte. Der Grund dafür liegt in seiner tiefgreifenden Angst vor dem Fegefeuer, das ihn nach seinem Tod erwartet weil er – so hat es ihm sein älterer Bruder eingeredet – angeblich seine Mutter durch seine Geburt umgebracht hat.

Das größte Plus des Films ist zweifellos Markus Krojer, der den kleinen Sebastian auf eine so liebenswerte Weise verkörpert, dass man ihm von Beginn an die Daumen drückt bei seinem Vorhaben, die Unsterblichkeit zu erlangen. Mit seiner ebenso naiven wie entwaffnenden Logik verfolgt er unbeirrt sein Ziel und richtet dabei das ein oder andere Unheil an, was die in Aussicht gestellte Verweildauer im Fegefeuer immer länger werden lässt. Die Umsetzung des Jüngsten Gerichts ist dabei ebenso einfach wie genial: ein paar Stammgäste in der Kneipe seines Vaters proben ein Theaterstück um einen Hexenprozess. Die Wortfetzen, die Sebastian davon im Halbschlaf aufschnappt, reimt er sich in seinen Träumen zur finalen Abrechnung über seine Sünden zusammen. Überhaupt sprüht Rosenmüllers Debut nur so von witzigen Ideen und originellen Einfällen. Der Humor ist dabei niemals flach, zum Teil sogar recht tiefgründig. Das alles macht Wer früher stirbt ist länger tot zu einem äußerst unterhaltsamen und kurzweiligen Film. Und auch die Tatsache, dass nahezu alle Dialoge in bayerischem Dialekt vorgetragen werden, trägt erheblich zum Unterhaltungswert bei.

Montag, 12. März 2018

HEILSTÄTTEN (Michael David Pate, 2018)

Nach längerer Zeit war ich mal wieder im Kino, aber nicht weil ich den Film unbedingt sehen wollte, sondern eher den Umständen geschuldet. Davon abgesehen machte der Trailer einen netten Eindruck. Die Idee, den typischen found-footage-Stoff im Zeichen des youtube-Hypes neu zu interpretieren und dabei das Medium ordentlich durch den Kakao zu ziehen, hat zweifellos etwas für sich.

Der Einstieg ist dann auch gut gelungen und die sympathischen Darsteller – darunter auch eine „echte“ Youtuberin – wissen durchaus zu überzeugen. Die Kulisse ist beeindruckend, wobei als Drehort nicht die echte ehemalige Lungenheilanstalt in Beelitz, auf die im Film Bezug genommen wird, zum Einsatz kam, sondern jene in Grabowsee. Das spielt aber letztlich keine Rolle. Atmosphärisch ist das Ganze recht ansprechend. Es gibt einige nette Schockeffekte und die zahlreichen Jumpcuts, der hektische Schnitt und die häufig eingesetzten Medienbrüche erzeugen eine unheilvolle Stimmung, die jedoch immer wieder durch ein paar lockere Sprüche der Protagonisten oder auch irgendwelche Scherze – neudeutsch Pranks genannt – aufgebrochen wird. Soweit, so gut.

Doch wie bei den meisten Horrorfilmen kommt irgendwann ein dämlicher Plottwist, der alles zerstört, was bis dahin an Spannung und Atmosphäre aufgebaut wurde und darüber hinaus auch noch höchst unrealistisch ist. Obendrein gibt es dann ein noch blöderes Ende, dessen Sinn sich mir auch mehrere Tage nach der Sichtung nicht erschließen will. Aber vielleicht liegt genau darin die Absicht: den Zuschauer so zu verwirren, dass er noch tagelang über das Ende sinniert. Dafür bietet Heilstätten aber letztlich zu wenig Substanz, als dass er eine eingehende Nachbetrachtung rechtfertigen würde. 

So bleibt unter dem Strich trotz der gelungenen Seitenhiebe auf die stetig wachsende youtube-Gemeinde ein höchst zwiespältiger Eindruck und die Gewissheit, eine spätere Zweitsichtung auf Bluray auf keinen Fall in Erwägung zu ziehen. Schade um das verschenkte Potential.