Mittwoch, 5. Februar 2020

THE MULE (Clint Eastwood, 2018)

Eastwoods Film ist inspiriert von der wahren Geschichte des Drogenkuriers Leo Sharp, der 2011 im Alter von 87 Jahren verhaftet wurde. Dabei handelt es sich keineswegs um eine Biographie. Eastwood nimmt lediglich die Ausgangssituation als Grundlage für seinen Film um den fiktiven Earl Stone, einen Pflanzenzüchter, dessen Liebe zu seinen Blumen größer ist als die zu seiner Familie. Dies führt u. a. dazu, dass seine Tochter Iris seit Jahren nicht mehr mit ihm spricht. The Mule ist in erster Linie ein Familiendrama, wobei die zentrale Bedeutung der Vater-Tochter-Beziehung auch dadurch untermauert wird, dass die Rolle der Tochter von Eastwoods leiblicher Tochter verkörpert wird, die in der Vergangenheit schon mehrfach mit ihm zusammengearbeitet hat.

Earl ist ein lebender Anachronismus, ein alter Mann, der aus der Zeit gefallen ist, der Probleme hat, mit den neuen Medien und den Errungenschaften der Technik mitzuhalten. Seine Ignoranz gegenüber dem Internet und speziell dem Online-Handel trägt letztlich mit dazu bei, ihn in den finanziellen Ruin zu treiben, was wiederum dazu führt, dass er sich als Drogenkurier anheuern lässt. Während seine mexikanisch-stämmigen Kontaktleute ihn anfangs misstrauisch beäugen, entwickelt sich zunehmend ein beinahe freundschaftliches Verhältnis zwischen ihnen. 

Dabei stellt sich im Verlauf des Films heraus, dass Earl gar nicht so unbeholfen und unbedarft ist, wie es zu Beginn den Anschein hat. So gelingt es ihm beispielsweise, ein für ihn äußerst bedrohliches Zusammentreffen auf einer einsamen Landstraße mit einem Polizisten und seinem Drogenhund auf elegante Art und Weise zu lösen. Oder er erzählt locker beim Frühstück in einem Motel einem Drogenfahnder von seinem schwierigen Verhältnis zu seiner Tochter, wohl wissend, dass dieser auf der Suche nach ihm ist, ihn aber aufgrund seines Alters nicht im Verdacht hat, der Gesuchte zu sein.

Was The Mule aber vor allen Dingen auszeichnet, ist die für seinen Regisseur so typische unaufgeregte Erzählweise. Die seinem Alter und seiner großen Lebenserfahrung geschuldete Gelassenheit, die Earl selbst in für ihn sehr bedrohlichen Situationen stets bewahrt, überträgt sich auf den Zuschauer und macht die Sichtung des Films zu einem sehr entspannten Erlebnis, was nicht heißen soll, dass es an der nötigen Spannung mangele. Und Clint Eastwood ist auch im stolzen Alter von 88 Jahren noch eine Schau. In den Nebenrollen finden sich zudem namhafte Darsteller wie Laurence Fishburne, Bradley Cooper oder Andy Garcia, auch wenn deren Charakteren nicht viel Raum zur Entfaltung geboten wird.

The Mule ist ein weiterer wunderbarer Film, der wieder einmal vom durchgehend hohen Niveau der Arbeiten eines der größten amerikanischen Regisseure der Gegenwart zeugt und der erfreulicherweise auch im hohen Alter nichts von seiner Umtriebigkeit, was das Filmemachen angeht, verloren zu haben scheint.