Montag, 30. Dezember 2024

BUSAN-HAENG / TRAIN TO BUSAN (Yeon Sang-ho, 2016)

Der geschiedene Fondsmanager Seok-Woo begleitet seine kleine Tochter Su-an im Hochgeschwindigkeitszug KTX nach Busan, weil sie den innigen Wunsch hat, an ihrem Geburtstag ihre dort lebende Mutter zu sehen. Kurz bevor der Zug den Bahnhof verlässt, springt eine infizierte Frau an Bord und verwandelt sich dort in einen Zombie.

Schon der Anfang des Films ist toll, wenn der Farmer in dem Sperrgebiet das Reh überfährt, das dann nach wenigen Augenblicken wieder aufsteht und mit toten Augen durch die Gegend starrt. Yeon Sang-ho, der für mich trotz meiner durchaus vorhandenen Affinität zum koreanischen Kino ein unbeschriebenes Blatt ist - was wahrscheinlich daran liegt, dass er zuvor ausschließlich Animationsfilme gedreht hat, benutzt geschickt diverse Versatzstücke der gängigen Genre-Filme, um seine eigene Vision eines Zombie-Films umzusetzen. Neben Anleihen bei den Romero-Filmen fühlt man sich stellenweise an die Resident-Evil-Reihe oder auch World-War Z erinnert. Das Setting in einem Zug, in dem der Film zu weiten Teilen spielt, ist im Grunde nicht neu, bisher aber zumindest im Genre des Zombiefilms nicht verwendet worden. Da denkt man unweigerlich an Bong joon-hos Snowpiercer, der ebenfalls in einem solchen Zug spielt, wenn auch unter einer ganz anderen Prämisse.

Busan-haeng ist ein rundum gelungener Zombiefilm, der alles richtig macht. Das Erzähltempo ist durchgehend hoch, der Schnitt ist rasant, die Spannung atemlos und die Charaktere der Protagonisten, die nach und nach von den Zombies dezimiert werden, werden ausreichend detailliert gezeichnet, sodass man sich mit allen ein Stück weit identifizieren kann. Bei den Figuren werden zum Teil die gängigen Klischees bedient, sei es der egoistische und gewissenlose COO, der ohne mit der Wimper zu zucken, seine Leidensgenossen für seinen eigenen Vorteil opfert, oder auch die Hauptfigur, der in seiner Arbeit aufgehende Fonds-Manager Seok-Woo, der darüber seine kleine Tochter vernachlässigt. Sehr schön übrigens auch die Metapher, wenn Seok-Woo sich das Blut (der Zombies) von den Händen wäscht, unmittelbar nachdem er erfahren hat, dass ein Unfall ausgerechnet bei der Biotech-Firma die Zombie-Plage ausgelöst hat, die das Kernstück seines Investments bildet.

Hervorzuheben sind die ausnahmslos guten Darsteller, die alle sehr überzeugend agieren, und hier besonders die zur Drehzeit erst neunjährige Kim Su-an, die die Tochter des Fondsmanagers absolut liebenswert verkörpert. Die Verwandlungen der Zombies sind gut gemacht, wobei man generell zu den Effekten sagen kann, dass diese sich überwiegend gut in die Handlung einfügen. 

Busan-haeng ist ein durch und durch überzeugender Film ohne nennenswerte Schwächen und in hohem Maß unterhaltsam. Die zwei Stunden vergingen wie im Flug.

COLOR OUT OF SPACE (Richard Stanley, 2019)

It was just a color out of space.

Der Anfang ist recht vielversprechend. Ein Sprecher verliest die ersten Sätze aus Lovecrafts Geschichte, die die Grundlage für den Film bildet, während die Kamera stimmungsvolle Aufnahmen der Wälder (vorgeblich) Arkhams einfängt. Doch leider ist das so ziemlich das einzig Positive, was sich über Color out of Space sagen lässt. Lovecraft zu verfilmen ist schwierig und so bin ich die Sichtung schon mit reduzierten Erwartungen angegangen. Stanley hat versucht, die Geschichte in die Gegenwart zu transferieren und diese zeitgemäß umzusetzen. Leider scheitert er dabei auf ganzer Linie.

Das Problem fängt schon mit der Wahl des Hauptdarstellers an. Nicolas Cage ist einer der bestbezahlten Schauspieler Hollywoods und dennoch mit vielen seiner Rollen hoffnungslos überfordert. So auch hier. Sein Nathan Gardner ist ein Psychopath durch und durch, wobei man im Gegensatz zu den anderen Darstellern bei ihm keinen Unterschied zwischen seiner wahren Persönlichkeit und der durch den Meteoriten beeinflussten merkt. In vielen Szenen wirkt er wie ein schlechter Schauspieler aus einer daily Soap. Deutlich besser machen die übrigen Darsteller ihre Sache, wobei die Figur der Lavinia, verkörpert durch Madeleine Arthur, in sich nicht stimmig ist. So frönt sie irgendwelchen Hexenritualen aus dem Necronomicon, das in ihrem Zimmer liegt, doch wirken diese Szenen eher wahllos eingestreut als sich folgerichtig aus der Handlung zu erschließen. Dies ist aber ein Problem des Drehbuchs und kann nicht der Kanadierin angelastet werden, die ihre Sache ordentlich macht.

Die Effekte mit den fluoreszierenden Farben, die die zentrale Rolle einnehmen, wirken zwar bemüht, erinnern aber eher an ein billiges Computerspiel. Hinzu kommen schlecht gemachte CGI bei den mutierten Wesen. Auch wenn die Story in ihren Grundzügen noch erkennbar ist, hat das alles wenig mit Lovecraft zu tun. Was für sich betrachtet kein Problem wäre, denn Prosa und Film sind unterschiedliche Kunstformen, die von einander losgelöst betrachtet und bewertet werden sollten. Doch auch als simples B-Movie funktioniert Color out of Space nicht, da der Film zu keiner Zeit in der Lage ist, so etwas wie eine bedrohliche Spannung aufzubauen. Mit zunehmender Spieldauer war ich von dem Treiben auf dem Bildschirm immer mehr genervt und spätestens nach 70 Minuten habe ich den Abspann herbeigesehnt.

Freitag, 27. Dezember 2024

PREY (Dan Trachtenberg, 2022)

Die Idee, ein Prequel zu den Predator-Filmen zu drehen und die Story in der Great Plains zu Beginn des 18. Jahrhunderts anzusiedeln hat durchaus Charme. Während die tollen Landschaftsaufnahmen allerhand Schauwerte bieten, lässt die Umsetzung leider arg zu wünschen übrig. Die CGI sind zum Teil erschreckend schlecht, vor allem der Grizzlybär und sein Kampf mit dem Predator sehen aus, als hätte man hier einen Nachwuchsprogrammierer mit der Arbeit beauftragt. Und nachdem dem Monster spätestens im Vorgänger die Bedrohlichkeit abhanden gekommen ist, wird es hier vollends der Lächerlichkeit preisgegeben. Zwar gelingt es ihm mühelos, einer ganzen Horde französischer Trapper (die natürlich furchtbar garstig sind und jedes gängige Klischee erfüllen) den Garaus zu machen, ist aber nicht in der Lage, mit einem 50 kg wiegenden Mädchen fertig zu werden, ja noch nicht einmal dieses von seiner Schulter zu werfen, um sich dann am Ende auch noch versehentlich mit seiner eigenen Waffe selbst zu erschießen. Nun könnte ich damit noch leben, wenn Trachtenberg seinen Film als Action-Komödie angelegt hätte, aber im Gegensatz zu Shane Blacks Vorgänger wird dies hier mit beinahe heiligem Ernst und völlig humorfrei vorgetragen. Doch damit nicht genug. Es gibt auch noch eine rätselhafte Pflanze, deren Verzehr die eigene Körpertemperatur so weit herunterkühlt, dass der Predator die Person mit seiner Wärmekamera nicht mehr orten kann. Diese Pflanze hat zugleich aber keinerlei Auswirkung auf die Agilität und Beweglichkeit der konsumierenden Person, obwohl vorher noch erklärt wird, dass die Pflanze den Blutfluss verlangsamt. Ganz abgesehen davon, dass der menschliche Körper eine Temperatur, die unterhalb der Wahrnehmung einer Wärmekamera liegt, wohl gar nicht überleben würde. 

So könnte ich noch lange weitermachen. Der ganze Film strotzt nur vor inhaltlichen Ungereimtheiten. Ich bin bei derartigen Dingen normalerweise recht großzügig und kann ein gewisses Maß an inhaltlichem Blödsinn ertragen, aber Prey haut dem Zuschauer dies derart geballt um die Ohren, dass einem Hören und Sehen vergeht. Zu allem Überfluss wird das Ganze noch in eine Coming-Of-Age-Geschichte verpackt in Kombination mit einem Diskurs über die Benachteiligung von Frauen in einer von Männern dominierten Gesellschaft. Vermutlich ein wichtiges Thema seinerzeit bei den Komantschen. Und während natürlich alle männlichen Krieger dem Predator zum Opfer fallen, ist die Protagonistin der Bestie an Reaktionsschnelligkeit und Cleverness haushoch überlegen. Zudem verfügt sie über beeindruckende Heilungskräfte. Die durch die ausgelegte Fußangel der Franzosen verursachten Verletzungen beeinträchtigen sie in keinster Weise. Eine Kräutersalbe draufgeschmiert und schon rennt sie wieder durch die Gegend als sei nichts gewesen.

Wie oben bereits erwähnt: das Setting hat mir durchaus gefallen, die Landschaftsaufnahmen sind toll und auch die Darstellung der Komantschen wirkt - von den Dialogen abgesehen - authentisch. Die Darsteller, viele davon indigener Herkunft, mühen sich redlich und machen ihre Sache auch nicht schlecht, vor allem Amber Midthunder in der Hauptrolle weiß zu gefallen, aber gegen das schwache Drehbuch kommen sie nicht an. Und so ist Prey zwar nicht völlig missraten und hat durchaus seine lichten Momente, letztlich ist es aber der bisher schwächste Beitrag der Predator-Reihe. Schade um das verschenkte Potential.

Donnerstag, 26. Dezember 2024

THE PREDATOR (Shane Black, 2018)

They're large, they're fast and fucking you up is their idea of tourism.

The Predator erschien in Deutschland unter dem (inhaltlich zwar durchaus passenden) Titel Predator - Upgrade, dennoch werde ich bis ans Ende meiner Tage nicht mehr verstehen, warum man für das deutsche Publikum den Namen eines Films ändert, vor allem dann, wenn man einen englischsprachigen Titel durch einen anderen englischsprachigen ersetzt. Sei's drum! 

Der Regisseur Shane Black, der zwar auch ein paar Filme gedreht hat, sich in der Vergangenheit aber eher einen Namen als Drehbuchautor gemacht hat, war Bestandteil des Söldnerteams aus dem Original-Predator und dort der Erste, der von dem Alien zerlegt wurde, hat also einschlägige Erfahrung. Im Vergleich mit den bisherigen Teilen der Reihe enthält The Predator deutlich mehr komödiantische Anteile. Es dominieren witzige Dialoge, die zum Teil Bezug nehmen auf die Einzeiler des Originals und die Prädatoren selbst (dieses Mal sind es zwei) wirken bei weitem nicht mehr so bedrohlich wie bei den Vorgängern. Wobei dies auch daran liegen mag, dass der "Predator" mittlerweile fester Bestandteil der Popkultur geworden ist und damit ein gewisser Coolness-Faktor einhergeht. Über die einzelnen Charaktere des im Zentrum der Erzählung stehenden Teams erfährt man relativ wenig, dennoch werden sie ausreichend distinguiert gezeichnet. Die Darsteller sind mir allesamt unbekannt, machen ihre Sache aber ganz ordentlich, und Boyd Holbrook gibt einen respektablen Quasi-Anführer der Truppe ab. Die Story ist natürlich völliger Blödsinn und hat weder Hand noch Fuß und so wird hier eine bunte Mischung aus (durchaus sehr blutiger) Action - der Film hat immerhin ein R-Rating erhalten - und witzigen Dialogen geboten, die über die sehr überschaubare Spielzeit von 107 Minuten gut unterhält. Hat mir Spaß gemacht.

Dienstag, 24. Dezember 2024

PREDATORS (Nimród Antal, 2010)

Your ass is awesome.

Acht Menschen werden mit Fallschirmen ausgestattet aus einem Flugzeug geworfen und finden sich in einem Dschungel auf einem unbekannten Planeten wieder. Sie wissen nicht, wie sie dort hingekommen sind, merken aber sehr bald, dass sie einer Gruppe von außerirdischen Jägern als künftige Jagdbeute dienen sollen.  

John McTiernans Predator zählt unbestritten zu den besten Actionfilmen überhaupt und war an den Kinokassen erfolgreich genug, um als Inspiration für zunächst eine Fortsetzung und im Laufe der Zeit für eine ganze Filmreihe zu dienen. Das Setting von Predators ähnelt sehr dem des Originals: Eine Gruppe von Menschen wird von einem unsichtbaren Gegner durch einen Urwald gejagt. War es anno 1987 ein Söldnerkommando in einer verdeckten Mission, ist es hier eine bunt zusammengewürfelte Truppe, deren Mitglieder auf verschiedene Art und Weise alle Mörder sind, also quasi selbst Jäger. Wie schon im Original wird die Gruppe nach und nach dezimiert, wobei hier gleich drei Prädatoren am Werk sind, die zudem noch eine Hundemeute zur Jagd mitgebracht haben. Adrien Brody gibt den toughen Anführer, ein rücksichtsloser Söldner, der zielstrebig seinen eigenen Interessen nachgeht. Über die einzelnen Figuren erfährt man nicht allzu viel, was aber nicht negativ ins Gewicht fällt, da die Darsteller ihnen dessen ungeachtet in ausreichendem Maß Kontur verleihen. Über ein Wiedersehen mit Danny Trejo freue ich mich jedes Mal besonders, auch wenn er hier der Erste ist, der ins Gras beißen muss und Laurence Fishburne, der zu einem bemerkenswerten Kurzauftritt kommt, ist sowieso immer toll.

Obwohl Predators letztlich nur ein Aufguss des Originals ist und sich stets strikt innerhalb der Genre-Grenzen bewegt, hat er mich außerordentlich gut unterhalten. Zahlreiche Einstellungen des Originals werden kopiert oder zitiert, ohne dass die selbstzweckhaft wirkt. Nur die guten Sprüche fehlen. Dennoch: gute, kurzweilige Unterhaltung.

Montag, 23. Dezember 2024

TERMINATOR: DARK FATE (Tim Miller, 2019)

You are the future.

Nach dem grottigen Terminator Genisys, der den Tiefpunkt der Terminator-Reihe markierte, konnte es nicht mehr schlimmer werden. Nun ist der sechste Film keine weitere Fortsetzung im eigentlichen Sinne, sondern ein alternativer Erzählstrang zum dritten Teil, also quasi eine Fortsetzung des zweiten Teils. Zudem ist James Cameron als Produzent wieder mit an Bord und auch Linda Hamilton konnte reaktiviert werden. Insgesamt also ganz gute Voraussetzungen. Natürlich hat auch Terminator: Dark Fate damit zu kämpfen, dass das eigentliche Thema längst totgeritten ist. Wo The Terminator anno 1984 ein visionäres Meisterwerk war, das ein ebenso düsteres wie realisitisches Zukunftsszenario zeichnete (wenn man den Zeitreise-Aspekt mal außen vor lässt), waren die Fortsetzungen im Grunde immer nur Variationen der gleichen Geschichte. Einzig Terminator Salvation fällt storytechnisch im positiven Sinne etwas aus der Reihe und natürlich setzte Terminator 2: Judgment Day mit den seinerzeit sensationellen Spezialeffekten neue Maßstäbe, ohne jedoch die Klasse des Originals zu erreichen.

Auch Terminator: Dark Fate erfindet erwartungsgemäß das Rad nicht neu. Die zahlreichen Verfolgungsjagden kennt man schon zur Genüge, trotzdem machen sie immer wieder Spaß, wie hier vor allem die ausgedehnte Szene mit dem Bulldozer zu Beginn. Ein großes Plus sind die tollen Darsteller. Linda Hamilton gibt die in die Jahre gekommene Kriegerin, die nur noch von Rachegelüsten am Leben gehalten wird, sehr überzeugend, Gabriel Luna spielt den Rev-9 mit eleganter Bedrohlichkeit und auch Natalia Reyes als Objekt der Terminator-Begierde weiß zu gefallen. Mackenzie Davis wirkt etwas spröde, macht ihre Sache aber auch nicht schlecht und Arnie ist eben Arnie. Sein alternder Terminator, der versucht, sich menschliche Züge anzueignen und ein normales Familienleben zu führen, ist eine Schau. Dabei entwickelt er auf seine alten Tage so etwas wie ein Gewissen und opfert sich am Ende quasi als Wiedergutmachung für den Mord an John Connor.

Tim Miller inszeniert das überwiegend souverän, lediglich der Kampf im Flugzeug wirkt etwas unübersichtlich. Ansonsten wird hier gute und kurzweilige Unterhaltung geboten, das Sounddesign ist ebenfalls gelungen und insbesondere die Varationen des markanten Terminator-Themas wissen zu gefallen.

FURIOSA: A MAD MAX SAGA (George Miller, 2024)

The question is: do you have it in you to make it epic?

Nachdem George Miller vor knapp zehn Jahren die Max-Max-Reihe mit dem gelungenen Mad Max: Fury Road wiederbelebt hatte, erzählt er in Furiosa nun die Vorgeschichte der titelgebenden Kriegerin. Die Machart ist erwartungsgemäß sehr ähnlich. Es gibt wieder wahnwitzige Action bis zum Abwinken, PS-starke Vehikel, bizarre Gestalten, absurde Einfälle, äußerst brutale Hinrichtungen und eine extrem stilisierte Inszenierung. Beinahe der ganze Film ist eine einzige Tiefbass-Orgie. Das alles natürlich angesiedelt in der australischen Wüste, im "Wasteland", wo das Recht des Stärkeren gilt und zwischen allen Bewohnern, meist organisiert in rivalisierenden Clans, ein immer währender Kampf um Treibstoff, Nahrung und Wasser tobt.

Im direkten Vergleich mit Fury Road ist Furiosa der deutlich reifere und komplettere Film. Über weite Strecken wird auch hier wieder ein irrwitziges Tempo geboten, das aber immer mal wieder stark gedrosselt wird, um der Entwicklung der Charaktere den nötigen Raum zu geben. Und das ist gut so, denn mein Hauptkritikpunkt beim Vorgänger war die fehlende emotionale Tiefe. Viele Figuren kamen nicht über den Status eines Abziehbildes hinaus. Dies ist hier ganz anders. Im Zentrum der Entwicklung steht natürlich die junge und langsam heranwachsende Furiosa, die einerseits auf Rache für ihre auf brutalste Weise getötete Mutter aus ist, andererseits lernen muss, in dieser grausamen Welt zurecht zu kommen und nicht unter zu gehen. Anya Taylor-Joy macht ihre Sache ganz hervorragend und hat zudem mit dem narzisstischen Clanführer Dementus (ebenfalls toll: Chris Hemsworth) einen ebenbürtigen Widerpart. Und der Darth Vader des Wastelands, Immortan Joe, ist natürlich auch wieder dabei.

Unter dem Strich ist Furiosa über fast 150 Minuten eine irre Achterbahnfahrt, ein Höllenritt par excellence und ein Adrenalin-Kick erster Güte und damit dem Vorgänger mindestens ebenbürtig. Nach dem Abspann fühlt man sich wie frisch gebadet.

Sonntag, 22. Dezember 2024

KINGDOM OF THE PLANET OF THE APES (Wes Ball, 2024)

Can ape and human live together?

War for the Planet of the Apes wäre eigentlich ein guter Schlusspunkt der Reihe gewesen, aber ganz offensichtlich wollte man die Kuh noch weiter melken und so hat man einen vierten Teil produziert, der viele Generationen nach seinem Vorgänger spielt in einer postapokalyptischen Welt, die von intelligenten Affen dominiert wird. Ein Großteil der Menschen hat das Sprechen verlernt und lebt versteckt in den Wäldern. Das Ausgangsszenario ähnelt also dem aus Schaffners Original aus dem Jahr 1968.

Visuell ist Balls Film überwältigend. Die Landschaften sind von betörender Schönheit, die Reste der menschlichen Zivilisation von der Vegetation überwuchert, die Erde als Paradies. Auch die Animation der Affen ist über jeden Zweifel erhaben. Wie schon beim Vorgänger gelang es, die Mimik der Protagonisten - hier nun einmal überwiegend Affen - so darzustellen, dass die Emotionen transportiert werden, ohne dass dies zu menschlich wirkt. Dies gilt allerdings nicht für die Kommunikation der Affen, die in sich nicht stimmig ist und zwischen einfachen kindlichen Sätzen, Gebärdensprache und komplexen Satzstrukturen mit Fremdworten lateinischen Ursprungs wechselt. Und wo wir gerade von Stimmigkeit reden: größter Schwachpunkt des Films ist die Story, die bei nüchterner Betrachtung weder Hand noch Fuß hat. Hier von Logikfehlern zu sprechen ist schon beinahe euphemistisch. Hinzu kommt die schwache Charakterzeichnung, die hier von der besonderen Herausforderung geprägt war, dass die handelnden Personen größtenteils Affen sind. Aber auch der Charakter der menschlichen Mae ist völlig unglaubwürdig und ihre beinahe übermenschlichen Fähigkeiten und ihr unendlich erscheinendes Wissen passen überhaupt nicht zu dem ansonsten vermittelten Bild vom degenerierten Menschen, auch wenn man es dadurch zu erklären versucht, dass sie bzw. ihre Vorfahren gegen das Virus immun waren, das die Menschen hat verdummen lassen. Und je länger der Film dauert, desto größer werden die Kapriolen, die die Story schlägt. Die letzte halbe Stunde ist dann an inhaltlichem Schwachsinn kaum zu überbieten.

Und dennoch: so unsinnig die Story auch ist: Kingdom of the Planet of the Apes verfügt über eine Menge an Schauwerten, die den Film dann doch einigermaßen sehenswert machen. Vor allem die Darstellung der von der menschlichen Zivilisation "befreiten" Welt ist atemberaubend. Optisch hui, inhaltlich pfui - so könnte man das Ganze treffend zusammen fassen. Kann man sich also durchaus anschauen, muss man aber nicht.

JURASSIC WORLD: DOMINION - Extended Edition (Colin Trevorrow, 2022)

We don't apologize for our mistakes. We erase them.

Die vom Vorgängerfilme hinterlassene Ausgangssituation hätte eigentlich Stoff für eine spannende Geschichte geboten. Doch leider schafft es Trevorrow, dessen Wiederbelebung des Franchise mit Jurassic World anno 2015 mir richtig gut gefallen hatte, die unsinnige Story des Vorgängers noch zu unterbieten. Hier hilft also nur Hirn ausschalten, entspannt zurücklehnen und nur ja nicht über die ganzen Logiklöcher nachdenken. Und bei dieser Betrachtungsweise kann Jurassic World Dominion durchaus Spaß machen. Ich interessiere mich seit meiner frühesten Kindheit für Dinosaurier und es erfüllt mich auch heute noch mit Freude, realistisch animierte Exemplare dieser Urzeitviecher über die Leinwand laufen zu sehen. Da ist mir das Drumherum meist gar nicht so wichtig und ich glaube, dass ich damit nicht alleine dastehe. Alleine die tolle Eröffnungssequenz im Jura, gefolgt von der Einblendung "65 million years later" macht schon Lust auf mehr.

Ein weiterer großer Pluspunkt ist die Versammlung der Altdarsteller aus dem Originalfilm, die wie ein Klassentreffen der besonderen Art wirkt. Sam Neill, Laura Dern (die erschreckend alt aussieht) und Jeff Goldblum sind neben den Dinosauriern die Hauptattraktion. Vor allem die Chemie zwischen den beiden Erstgenannten stimmt und so wirkt die Andeutung einer gemeinsamen Zukunft am Ende durchaus passend. Chris Pratt fügt sich in die Riege gut ein, Bryce Dallas Howard hingegen wirkt etwas hölzern und hat immer noch keine Ausstrahlung. DeWanda Wise sorgt in der Rolle der toughen Pilotin Kayla für ein paar optische Highlights und auch Campbell Scott kann als Biosyn-CEO überzeugen.

Bei den gezeigten Dinosauriern wird dieses Mal viel Abwechslung geboten und mit dem Giganotosaurus kann man einen neuen Superlativ bieten, wird er doch gleich mehrfach als das größte bekannte Landraubtier angepriesen, wobei dieser Status nach dem aktuellen Stand der Wissenschaft durchaus zweifelhaft ist. Das Ganze Drumherum um den Velociraptor und seinen entführten Baby-Klon ist an Schwachsinn nur schwer zu überbieten, aber wie gesagt: Hirn ausschalten ist ganz wichtig! Die zahlreichen Actionsequenzen sind rasant inszeniert und wirken zum Teil auch etwas selbstzweckhaft, wobei mir die Verfolgungsjagden durch die Straßen Vallettas irgendwie James-Bond-Vibes verschafften. Eine ziemlich bunte Mischung also, die aber - vor allem dank der tollen Darsteller - trotz der langen Spielzeit recht gut unterhält.

Samstag, 21. Dezember 2024

ALIEN: ROMULUS (Fede Alvarez, 2024)

Die motherfucker!

Die Handlung ist zeitlich zwischen Alien und dem (von mir nicht sonderlich geschätzten) Aliens angesiedelt. Der Regisseuer Fede Alvarez ist für mich ein unbeschriebenes Blatt. Ich kenne keinen seiner bisherigen Filme. Wikipedia verriet mir immerhin, dass er aus Uruguay stammt. Optimistisch stimmte mich die Tatsache, dass Alien: Romulus von Ridley Scott und Walter Hill produziert wurde, zwei Namen, die normalerweise für Qualität stehen.

Der Beginn der Handlung in der Minenkolonie sagte mir atmosphärisch sehr zu und weckte Erinnerungen an Verhoevens Total Recall. Nachdem die Protagonisten aus der Kolonie geflüchtet sind und die Raumstation erreicht haben, entwickelt sich schnell die übliche Belagerungssituation. Viel Neues gibt es nicht. Im Grunde beschränkt sich Alvarez darauf, Versatzstücke und Zitate der bisherigen Alien-Filme recht gekonnt zusammenzusetzen. Dabei schafft er eine dichte, beklemmende Atmosphäre. Die tollen Sets, das hervorragende Sounddesign und die guten Spezialeffekte tun das ihre. Ein Schwachpunkt sind die farblosen Darsteller, denen es nur mühsam gelingt, ihren Figuren wenigstens etwas Kontur zu geben. Cailee Spaeny macht ihre Sache nicht so schlecht, hat aber nicht im Ansatz die Ausstrahlung einer Sigourney Weaver. Einzig positive Ausnahme ist der Brite David Jonsson, der in der Rolle des Androiden Andy rundum überzeugen kann. Und die digitale Wiederauferstehung des vor vier Jahren verstorbenen Ian Holm als Androide Rook ist ebenfalls sehr gelungen.

Unter dem Strich bietet Alien: Romulus spannende und sehr kurzweilige Unterhaltung. Ein gelungener Film, der aber natürlich nicht einmal ansatzweise an Ridley Scotts Meisterwerk heranreichen kann. Das - soviel Fairness muss sein - konnten alle anderen Filme der Reihe aber auch nicht. Und deutlich besser als der völlig misslungene Alien: Resurrection ist er allemal.


Samstag, 16. November 2024

BONES AND ALL (Luca Guadagnino, 2022)

The world of love wants no monsters in it.

Es kann vielfältige Anlässe geben, einen bestimmten Film zu schauen. In diesem speziellen Fall war es der Titel, der mich auf magische Weise anzog. Ein Film, der Bones and all heißt, kann nur gut sein, so meine Schlußfolgerung. Und tatsächlich entpuppte sich Bones and all als ziemlich kranker Film genau nach meinem Geschmack.

Angesiedelt ist die Handlung in den 80er Jahren, was der Atmosphäre ungemein zuträglich ist. Im Mittelpunkt des Geschehens steht die 18jährige Maren, die eine rätselhafte Lust nach menschlichem Fleisch verspürt, die sie nur für eine gewisse Zeit unterdrücken kann, bevor sie wieder "hungrig" wird. Nachdem sie in ihrem aktuellen Wohnort verhaltsauffällig geworden ist, muss sie mit ihrem Vater (der dieses Verlangen nicht verspürt, aber um die Situation seiner Tochter weiß) Hals über Kopf fliehen. Zu allem Überfluss macht sich ihr Vater während sie schläft aus dem Staub und hinterlässt ihr lediglich ein Bündel Geldscheine, ihre Geburtsurkunde und eine Nachricht in Form einer besprochenen Tonband-Kassette. Da sie nicht weiß, wohin sie gehen soll, beschließt sie, ihre Mutter zu suchen, die sie kurz nach ihrer Geburt verlassen hat. Auf ihrer Reise lernt sie den jungen Lee kennen, der die gleiche kannibalistischen Gelüste hat wie sie.

Ich bin die Sichtung natürlich mal wieder völlig unvorbereitet angegangen und hatte keine Ahnung, was mich erwartet. Daher hat mich die Szene zu Beginn, als Maren völlig unvermittelt ihrer Klassenkameradin das Fleisch vom Finger beißt, fast aus dem Sessel gehauen. Trotz dieser Ausgangslage ist Guadagninos Film alles andere als ein plakativer Splatterfilm, sondern eher eine Mischung aus romantischem Roadmovie und Coming-Of-Age-Drama. Dazwischen gibt es immer mal wieder sehr drastische Szenen, die zartbesaiteten Gemütern einiges abverlangen, und einige wenige gut sitzende Schockmomente. Vor allem das Treffen zwischen Maren und ihrer Mutter wird mir nachhaltig in Erinnerung bleiben. Während der Sichtung fühlte ich mich mehrfach an Bigelows Near Dark erinnert, obgleich dieser eine völlig andere Stimmung verbreitet und darüber hinaus auch von Vampiren handelt. Gewisse Parallelen gibt es aber durchaus.

Hervorzuheben ist die Leistung der beiden Hauptdarsteller, der Kanadierin Taylor Russell, die beim Dreh schon 27 Jahre alt war aber deutlich jünger wirkt, und des ein Jahr jüngeren US-Amerikaners Timothée Chalamet. Die Chemie zwischen den beiden stimmt und beide verkörpern ihre Außenseiter-Rollen und die sich daraus ergebenden inneren Konflikte äußerst glaubhaft. Und die Szene, in der Maren merkt, dass ihr Vater sie verlassen hat, ist wirklich herzzerreißend.

Bones and all ist ein mitreißender Genre-Bastard, der über die gesamte Spieldauer zu fesseln weiß und mich nach 130 Minuten begeistert entließ. Sehr gut!


MEN (Alex Garland, 2022)

Men do strike women sometimes.

Nach dem Selbstmord ihres Mannes James mietet Harper für zwei Wochen ein abgelegenes Landhaus in der Grafschaft Herefordshire im Westen Englands, um den Kopf freizubekommen und die traumatischen Erlebnisse zu verarbeiten. Doch bald wird aus der anfänglichen Idylle ein Albtraum.

Garlands dritter Film hat mich zunächst ziemlich verstört und ratlos zurückgelassen. Auch hier wird die Zuschauererwartung wieder gnadenlos unterlaufen und so ist Men ein völlig anderer Film als er zunächst zu sein scheint. Äußerlich ins Gewand eines Horrorfilms gekleidet, ist er in Wahrheit die Selbstfindungsreise einer Frau, die von unterschwelligen Schuldgefühlen geplagt wird, dahingehend, ihren Mann in den Selbstmord getrieben zu haben. Als Zuschauer weiß man, dass dies so nicht stimmt, da man in den mehrfach in nichtchronologischer Reihenfolge eingestreuten Rückblenden erfährt, dass James seine Frau zuvor massiv bedrängt und ins Gesicht geschlagen hat. Sehr oberflächlich betrachtet könnte man sagen, Men sei ein misogyner Film, weil er Harper die Schuld an den Geschehnissen zuzuweisen scheint. Der Pfarrer, dem sie ihre Geschichte erzählt, spricht dies ausdrücklich an, indem er sie fragt, ob sie ihrem Mann denn Gelegenheit gegeben habe, sich zu entschuldigen. Die Tatsache, dass er sie geschlagen hat, spielt er hingegen mit dem oben stehenden Zitat herunter.

Tatsächlich ist Men aber genau das Gegenteil eines frauenfeindlichen Films. Vielmehr treibt er die männlichen Argumentationsmuster auf die Spitze, indem er Harpers Schuldkomplexe in Form körperlicher und psychischer Bedrohungen manifestiert. Sehr bezeichnend ist die Diskussion mit dem Polizisten, in der dieser Harper erklärt, warum er den Mann, der sie bedroht hat, nach der Verhaftung wieder freigelassen hat. Schließlich sei es nicht so, dass er etwas Wertvolles gestohlen habe. Er habe lediglich einen Apfel entwendet. Ihren Beteuerungen, dass er sie verfolgt und bedroht habe, schenkt er keinen Glauben. Eine Situation, der sich in unserer "zivilisierten" Gesellschaft wahrscheinlich viele Frauen ausgesetzt sehen.

Im Laufe der Handlung fügt Harper dem Angreifer, der sich ihr gegenüber in Gestalt mehrerer Personen zeigt, die letztlich aber alle derselbe ("grüne") Mann sind (hervorragend verkörpert von Rory Kinnear) genau die Verletzungen zu, die James bei seinem Sprung aus dem Fenster erlitten hat. Dabei handelt sie jedoch stets in Notwehr bzw. im Falle von Geoffrey handelt es sich um einen Unfall. Die wahrlich ekelhafte und für meine Begriffe zu sehr in die Länge gezogene "Geburtszene" stellt die Rollenverteilung zwischen Mann und Frau auf den Kopf und mündet schließlich in das vorhersehbare Ergebnis. Am Ende rückt Garland dann das Bild wieder zurecht als Harpers Freundin Riley am Landhaus ankommt und der Zuschauer erkennt, dass sie hochschwanger ist, nachdem man zuvor immer nur ihr Gesicht gesehen hat.

Men ist ein Film, der mich nach der Sichtung noch lange beschäftigt hat. Die genaue Bedeutung des "Grünen Mannes" und der Sheela-na-gig-Skulptur sind mir immer noch nicht ganz klar, wobei letztere natürlich die Fruchtbarkeit symbolisiert. Der Film schreit geradezu nach einer Zweitsichtung, die dann womöglich die Zusammenhänge noch etwas deutlich werden lässt. Am Ende bleibt das etwas unbefriedigende Gefühl, den Kern des Films nicht in Gänze durchdrungen zu haben. In jedem Fall aber untermauert er meinen bisherigen Eindruck, dass Alex Garland einer der interessantesten Filmemacher der Gegenwart ist.

Samstag, 9. November 2024

ANNIHILATION (Alex Garland, 2018)

 I think you're confusing suicide with self-destruction. 

Nach einem Meteoriteneinschlag hat sich in unmittelbarer Nähe eines Leuchturms in einem Naturschutzgebiet an der Westküste Floridas eine merkwürdige Zone gebildet, sie sich immer weiter ausbreitet und ihre Umgebung zu bizarren Mutationen veranlasst. Nachdem alle Versuche scheiterten, das Innere der Zone zu erforschen, weil keiner der entsandten Soldaten zurückkehrte, wird ein Team weiblicher Wissenschaftler in die Zone geschickt.

Alex Garlands zweite Arbeit widersetzt sich den gängigen Zuschauererwartungen ebenso wie Ex Machina und Civil War dies tun (seinen dritten Film Men kenne ich noch nicht) und alleine deswegen hat der Brite einen Stein bei mir im Brett. Inwieweit er sich bei der Umsetzung nach der geleichnamigen literarischen Vorlage richtete, kann ich nicht beurteilen, da ich diese nicht kenne. Die Frage ist für mich ohnehin nicht relevant, da Film und Literatur zwei Kunstformen sind, die nach meiner Auffassung losgelöst voneinander zu betrachten sind.

Vermutlich wäre es ein leichtes gewesen, aus der Vorlage einen der üblichen Mutanten-Monster-Horrorfilme zu machen, und ich bin sicher, damit wäre Annihilation an den Kinokassen weitaus erfolgreicher gewesen als er es tatsächlich war. So aber ist Garlands zweite Regie-Arbeit in erster Linie eine Reflexion über Identität und das eigene Ich. Dabei vermengt er durchaus geschickt Elemente diverser Science-Fiction-Filme wie 2001, Alien, The Bodysnatchers oder auch Soderberghs Solaris zu einem wilden Mix, der mich außerordentlich gut unterhalten hat. Vor allem aber macht er nicht den Fehler, die Geschehnisse bis ins Detail erklären zu wollen, sondern überlässt vieles der Interpretation des Zuschauers. Das Ende ist dennoch recht eindeutig und auch ziemlich vorhersehbar, aber das tut dem Vergnügen keinen Abbruch. Bei den Darstellerinnen können insbesondere Natalie Portman und Jennifer Jason Leigh überzeugen.

Montag, 4. November 2024

THE LIGHTHOUSE (Robert Eggers, 2019)

Bad luck to kill a sea bird.

Verstörendes Kammerspiel um zwei Leuchtturmwärter, die aufgrund des Wetters und des wilden Seegangs auf einem kleinen Felsen vor der Küste von Nova Scotia von der Zivilisation abgeschnitten sind und langsam aber sicher dem Wahnsinn verfallen. Im Gegensatz zu seinen beiden anderen Filmen verzichtet Eggers hier auf den Einfluss des Übernatürlichen und beschränkt sich auf bizarre Visionen, die insbesondere den jungen Thomas Howard heimsuchen. Als Zuschauer ahnt man früh, dass die Geschichte kein gutes Ende nehmen kann und so nehmen die Dinge ihren unheilvollen Lauf. Gegen Ende wird es immer schwieriger zwischen realen Geschehnissen und dem Delirium der Protagonisten zu unterscheiden.

Die düsteren Schwarzweißbilder im beinahe quadratischen Seitenverhältnis 1,19:1 verleihen dem Ganzen eine außergewöhnliche Atmosphäre und das groteske Klangbild, maßgeblich beeinflusst vom Tosen der See und dem peitschenden Regen, unterstreicht dies perfekt. Abgesehen von der jungen Dame, die die Meerjungfrau verkörpert, gibt es nur die beiden Hauptdarsteller Willem Dafoe und Robert Pattinson, die ihre jeweiligen Aufgaben hervoragend meistern.

The Lighthouse ist kein Horrorfilm im eigentlichen Sinne, eher eine Schauergeschichte im Lovecraft'schen Stil, gepaart mit Einflüssen alter Seefahrergeschichten. Ein Erlebnis der besonderen Art und ganz weit weg vom Mainstream-Kino der Gegenwart.

Sonntag, 3. November 2024

THE VVITCH (Robert Eggers, 2015)

Did ye make some unholy bond with that goat?

Ein sehr guter Horrorfilm, angesiedelt im Neuengland des 17. Jahrhunderts. Gute Horrorfilme sind ähnlich selten wie gelungene Remakes. Das hier ist einer, wobei der Horror eher subtil ist und sich vorwiegend im Kopf des Zuschauers abspielt. Bemerkenswert in jedem Fall die Detailversessenheit, mit der Eggers hier zu Werke geht und ähnlich wie später bei The Northman den Zuschauer ein paar hundert Jahre zurück in eine längst vergangene Epoche katapultiert. Dabei schafft er eine immens dichte und durchweg beklemmende Atmosphäre, die mich von den ersten Minuten an in ihren Bann zog. Die guten Darsteller tun das ihre. 
 
Das Setting erinnert im weitesten Sinne an ein Kammerspiel, obwohl viele Szenen in freier Natur spielen und die räumliche Enge somit nicht gegeben ist. Dennoch verfestigt sich rasch nach dem rätselhaften Verschwinden des Säuglings der Eindruck, dass die Protagonisten den Umständen mehr oder weniger hilflos ausgeliefert sind, wobei die räumliche Begrenzung eher durch die Abgeschiedenheit der Familie fernab der Zivilisation erzeugt wird. Neben der schwer greifbaren Bedrohung, die von dem nahegelegenen Wald auszugehen scheint, und dem zunehmenden Hunger, dem sich die Protagonisten aufgrund der verdorbenen Ernte ausgesetzt sehen, beginnt die anfangs funktionale Familie sich nach und nach innerlich zu zersetzen. Vom anfänglichen Zusammenhalt ist bald nicht mehr viel übrig. Stattdessen dominieren zunehmend Argwohn und Misstrauen unter den Mitgliedern der Familie, die sich alsbald gegenseitig beschuldigen, für die Geschehnisse verantwortlich und/oder vom Teufel besessen zu sein. William, das Familienoberhaupt, versucht nach Kräften, den Auflösungserscheinungen entgegenzuwirken, sehr schön symbolisiert durch seine immer grimmigeren Holzhack-Aktionen.

Die Tatsache, dass der komplette Film in altenglischer Sprache gedreht wurde, trägt enorm zur Authentizität bei, wobei ich gestehen muss, dass das die Sichtung für jemanden wie mich, dessen Muttersprache nicht englisch ist, etwas anstrengend macht. Wortwahl und Satzbau unterscheiden sich doch erheblich vom heute gängigen Englisch. Sich darauf dennoch einzulassen ist aber in jedem Fall lohnenswert, zumal dies enorm zur ohnehin schon dichten Atmosphäre beiträgt. Ein toller Film!

Samstag, 2. November 2024

THE NORTHMAN (Robert Eggers, 2022)

I will avenge you, Father!

Der 10jährige Amleth, Sohn des Wikingerkönigs Aurvandil, muss mitansehen, wie sein Vater von dessen Halbbruder getötet und seine Mutter verschleppt wird. Ihm selbst gelingt die Flucht vor seinen Häschern und er schört blutige Rache.
 
Atmosphärisch dichte und sehr intensive Rache-Geschichte, angesiedelt im Skandinavien des 10. Jahrhunderts und basierend auf der Amleth-Sage, die u.a. auch die Grundlage für Shakespeares Hamlet war. Hervorzuheben ist die detailverliebte Ausstattung: die tollen Kulissen und Kostüme tragen maßgeblich zu einer authentischen Darstellung der Epoche bei, in der die Handlung angesiedelt ist. Überzeugende Darsteller, phantastische Landschaftsaufnahmen (größtenteils gedreht auf Island) und ein deftiger Gewaltgrad sind ebenfalls auf der Haben-Seite zu vermerken. Alexander Skarsgård in der Titelrolle kannte ich bisher nur aus Legend of Tarzan, wo er mir nicht sonderlich gefiel. Hier macht er seine Sache aber ausgesprochen gut und verkörpert den nach Rache dürstenden Königssohn sehr überzeugend.

Die starke Verwebung der Erzählebene mit zahlreichen Elementen der nordischen Mythologie und die wiederkehrenden Ausflüge ins Phantastische sind vermutlich nicht jedermanns Sache. Mir gefiel das durchaus und weckte Erinnerungen an den fabelhaften Valhalla Rising des von mir sehr geschätzten dänischen Filmemachers Nicolas Winding Refn.

Sonntag, 27. Oktober 2024

CIVIL WAR (Alex Garland, 2024)

 I've never been scared like that before. And I've never felt more alive.

In einer zeitlich nicht näher bestimmten Zukunft herrscht in den USA ein Bürgerkrieg, in dem sich das vom Präsidenten, der sich in einer irregulären dritten Amtszeit befindet, geführte Militär und eine Bürgerwehr aus kalifornischen und texanischen Streitkräften gegenüberstehen und um die Vorherrschaft im Land kämpfen. Die genauen Hintergründe werden im Unklaren und damit der Fanstasie des Zuschauers überlassen, und das ist auch gut so.

Die Ausgangslage ist also schon äußerst vielversprechend und weckt natürlich - untermauert durch den Filmtitel - Assoziationen an den amerikanischen Sezessionskrieg in den 1860er Jahren, in dem sich wie quasi auch hier Nord- und Südstaaten feindlich gegenüber standen. Folgerichtig werden auch die rebellierenden Südstaaten vom Präsidenten als "secessionists" bezeichnet. Für mich überraschend - ich hatte nur den Trailer gesehen und im Vorfeld sonst keine Infos über den Film - stehen hier nicht die kriegerischen Handlungen im Vordergrund, sondern ein Reporterteam, das bis zum Präsidenten vordringen will, um diesen zu interviewen. 

Garlands Film ist viel mehr ein dystopisches Roadmovie als ein Kriegsfilm. Im Zentrum steht dabei die junge ehrgeizige Fotografin Jessie, der es gelingt, ihrem Idol, der erfahrenen Kriegsfotografin Lee Smith (souverän: Kirsten Dunst) nahezukommen und diese gegen deren Willen auf der Reise nach Washington zu begleiten. Garland erzählt dies als klassiche Coming-of-Age-Geschichte, eingebettet in das Szenario eines amerikanischen Bürgerkrieges. Während der Reise macht Jessie eine Wandlung durch vom zurückhaltenden, ängstlichen Mädchen, das sich im Angesicht der ersten Morde übergibt, hin zur abgebrühten professionellen Fotografin, die unbeirrt draufhält, wenn sich ein lohnenswertes Motiv bietet. Und ganz nebenbei verursacht sie dabei durch ihr ungestümes Verhalten nach und nach das Ableben all ihrer Begleiter.

Am Ende übertreibt Garland es vielleicht etwas, rundet andererseits jedoch die Geschichte auf passende Weise ab. Insgesamt eine runde Sache.