Mittwoch, 5. Februar 2020

THE MULE (Clint Eastwood, 2018)

Eastwoods Film ist inspiriert von der wahren Geschichte des Drogenkuriers Leo Sharp, der 2011 im Alter von 87 Jahren verhaftet wurde. Dabei handelt es sich keineswegs um eine Biographie. Eastwood nimmt lediglich die Ausgangssituation als Grundlage für seinen Film um den fiktiven Earl Stone, einen Pflanzenzüchter, dessen Liebe zu seinen Blumen größer ist als die zu seiner Familie. Dies führt u. a. dazu, dass seine Tochter Iris seit Jahren nicht mehr mit ihm spricht. The Mule ist in erster Linie ein Familiendrama, wobei die zentrale Bedeutung der Vater-Tochter-Beziehung auch dadurch untermauert wird, dass die Rolle der Tochter von Eastwoods leiblicher Tochter verkörpert wird, die in der Vergangenheit schon mehrfach mit ihm zusammengearbeitet hat.

Earl ist ein lebender Anachronismus, ein alter Mann, der aus der Zeit gefallen ist, der Probleme hat, mit den neuen Medien und den Errungenschaften der Technik mitzuhalten. Seine Ignoranz gegenüber dem Internet und speziell dem Online-Handel trägt letztlich mit dazu bei, ihn in den finanziellen Ruin zu treiben, was wiederum dazu führt, dass er sich als Drogenkurier anheuern lässt. Während seine mexikanisch-stämmigen Kontaktleute ihn anfangs misstrauisch beäugen, entwickelt sich zunehmend ein beinahe freundschaftliches Verhältnis zwischen ihnen. 

Dabei stellt sich im Verlauf des Films heraus, dass Earl gar nicht so unbeholfen und unbedarft ist, wie es zu Beginn den Anschein hat. So gelingt es ihm beispielsweise, ein für ihn äußerst bedrohliches Zusammentreffen auf einer einsamen Landstraße mit einem Polizisten und seinem Drogenhund auf elegante Art und Weise zu lösen. Oder er erzählt locker beim Frühstück in einem Motel einem Drogenfahnder von seinem schwierigen Verhältnis zu seiner Tochter, wohl wissend, dass dieser auf der Suche nach ihm ist, ihn aber aufgrund seines Alters nicht im Verdacht hat, der Gesuchte zu sein.

Was The Mule aber vor allen Dingen auszeichnet, ist die für seinen Regisseur so typische unaufgeregte Erzählweise. Die seinem Alter und seiner großen Lebenserfahrung geschuldete Gelassenheit, die Earl selbst in für ihn sehr bedrohlichen Situationen stets bewahrt, überträgt sich auf den Zuschauer und macht die Sichtung des Films zu einem sehr entspannten Erlebnis, was nicht heißen soll, dass es an der nötigen Spannung mangele. Und Clint Eastwood ist auch im stolzen Alter von 88 Jahren noch eine Schau. In den Nebenrollen finden sich zudem namhafte Darsteller wie Laurence Fishburne, Bradley Cooper oder Andy Garcia, auch wenn deren Charakteren nicht viel Raum zur Entfaltung geboten wird.

The Mule ist ein weiterer wunderbarer Film, der wieder einmal vom durchgehend hohen Niveau der Arbeiten eines der größten amerikanischen Regisseure der Gegenwart zeugt und der erfreulicherweise auch im hohen Alter nichts von seiner Umtriebigkeit, was das Filmemachen angeht, verloren zu haben scheint.

Freitag, 10. Januar 2020

RAMBO: LAST BLOOD (Adrian Grunberg, 2019)

All the ones I‘ve loved are now ghosts

Die Frage, ob es eines weiteren Rambo-Films bedurft hätte, kann man ohne großes Nachdenken mit nein beantworten. Dies gilt aber im Grunde genommen auch schon für die drei Vorgänger, denn Rambos Geschichte war schon am Ende von First Blood auserzählt. Keiner der Nachfolger erreichte dessen Intensität und Klasse auch nur im Ansatz. Das sieht erwartungsgemäß auch bei Last Blood nicht anders aus, was nun aber keineswegs bedeuten soll, dass es sich um einen schlechten Film handelt. 

Grunberg hatte zuvor mit Get the Gringo, der mir seinerzeit gut gefallen hat, erst einen echten Film vorzuweisen. Schon der Titel seines zweiten Films klingt wie eine Reminiszenz an Ted Kotcheffs Film von 1979 und auch die Tatsache, dass die finale Konfrontation in Rambos Heimat spielt – genauer gesagt sogar auf seiner eigenen Farm – soll natürlich einen Bogen schlagen zu den Anfängen in den Wäldern Washingtons, während die drei anderen Filme allesamt in Asien angesiedelt waren. 

Rambo ist alt geworden und grunzt und brummt inzwischen in einer derart tiefen Tonlage, dass man sich teilweise schon etwas anstrengen muss, um die Dialoge zu verstehen. Und auch in kämpferischer Hinsicht scheint er müde geworden zu sein. Seine völlig überstürzte und planlose Rettungsaktion in Mexiko ist derart stümperhaft umgesetzt, dass er sich schon bei der Beobachtung des Hauses bald einer hoffnungslosen Übermacht gegenüber sieht und deftige Prügel bezieht. Seine Mission geht schief und er kann seine Geliebte Pflegetochter Gabriella nur noch tot nach Hause bringen. Bevor er sich endgültig zur Ruhe setzt – sehr schön repräsentiert durch den Schaukelstuhl auf der Veranda – will der alte Mann nur noch eins: blutige Rache. 

Während es bei den drei Vorgängern letztlich immer darum ging, irgendwelche Geiseln zu befreien und heimzubringen, besteht Rambos Mission hier ausschließlich darin, die Mörder Gabriellas zur Strecke zu bringen. Zu diesem Zweck lockt er sie auf seine Farm nach Arizona, wo er über die Jahre ein riesiges unterirdisches Tunnelsystem angelegt hat, das er für die Ankunft seiner Gäste sorgsam mit allerlei schönen Fallen präpariert. Der Einfallsreichtum, mit dem die mexikanischen Menschenräuber dann in der letzten halben Stunde zur Strecke gebracht werden, ist ebenso beachtlich wie der extrem hohe Gore-Faktor. Die rote Suppe spritzt, dass es eine wahre Freude ist. Die Tötung des Anführers wird schließlich wie eine Kreuzigung zelebriert, bevor Rambo ihm mit bloßen Händen das Herz aus der Brust reißt.  

Ernstnehmen konnte man schon die drei Vorgänger nicht, und das gilt natürlich genauso für Last Blood. Unterhaltsam und kurzweilig ist das Ganze ist in jedem Fall, und mehr war auch nicht zu erwarten. Ich hatte jedenfalls meinen Spaß.

Dienstag, 31. Dezember 2019

ANNA (Luc Besson, 2019)

Bitch! 

Sehr stylisch inszenierter Action-Reißer, der mit seinen ständigen Rückblenden anfangs etwas verwirrt. Der Aufbau folgt dem immer gleichen Muster: irgendetwas geschieht, das erklärungsbedürftig ist oder zumindest von Besson dafür gehalten wird, dann folgt eine Rückblende, die die Erklärung dazu liefert oder auch einfach nur eine Vorgeschichte erzählt. Dieses Stilmittel hilft dabei, die eigentlich sehr geradlinige Geschichte nach mehr aussehen zu lassen als sie tatsächlich ist. Dies funktioniert dann aber erstaunlich gut und trägt dazu bei, die Spannung über die gesamten 120 Minuten hoch zu halten. 

Die Hauptdarstellerin Sasha Luss war mir bis dato völlig unbekannt (Valerian habe ich noch nicht gesehen), sieht aber ganz nett aus und meistert auch die – natürlich völlig überzogenen – Kampfsequenzen ganz ordentlich. Ihre sehr begrenzte Mimik verleiht ihr etwas Unnahbares und ist womöglich ihren ebensolchen schauspielerischen Fähigkeiten geschuldet. Zugleich gibt dies aber ihrer Figur auch eine Verletzlichkeit, die in krassem Gegensatz zur eiskalten Ausführung ihrer Mordaufträge steht, und sie umso interessanter macht. Der eigentliche Star des Films ist aber ohne Zweifel Helen Mirren, die ich anfangs gar nicht erkannt habe, als mit allen Wassern gewaschen ranghohe KGB-Offizierin, die nach anfänglicher Ablehnung im Laufe der Zeit fast so etwas wie Muttergefühle für die junge Agentin zu entwickeln scheint.

Vielmehr gibt es über Anna nicht zu sagen. Ein typischer Luc-Besson-Film eben mit jeder Menge Action, rasantem Schnitt, makelloser Inszenierung, hohem Bodycount, ein paar mehr oder weniger überraschenden Wendungen und einer attraktiven Dame in der Hauptrolle. Ähnliches hat man schon oft gesehen, macht aber trotzdem immer wieder Spaß. Kurzweilige Unterhaltung allemal.

Montag, 30. Dezember 2019

HUSTLERS (Lorene Scafaria, 2019)

Angeblich basierend auf einer wahren Begebenheit, erzählt Hustlers die Geschichte von vier Stripperinnen, die Männer mit einem selbst gemixten Drogencocktail außer Gefecht setzen, um dann ihre Kreditkarte zu plündern. Geschaut habe ich den Film in erster Linie wegen JLo, die dann auch der eigentliche Star des Films ist, auch wenn Constance Wu nominell die Hauptrolle spielt. Lopez dominiert mit Leichtigkeit alle Szenen, in denen sie auftaucht, was jedoch weniger ihren schauspielerischen Fähigkeiten als vielmehr ihrer Aura und der raumverdrängenden Präsenz zuzuschreiben ist. Und trotz ihrer mittlerweile 50 Lenze sieht sie dabei noch verdammt gut aus.  

Hustlers bedient jedes gängige Klischee. Schon alleine die Besetzung des weiblichen Quartetts mit einer Latina (Lopez), einer Asiatin (Wu), einer Schwarzen (Palmer) sowie einer blonden Weißen (Reinhard) zeigt, wo der Hase langläuft. Für die Opfer-Perspektive interessiert sich der Film überhaupt nicht. Die Männer bleiben austauschbare, reiche, meist verheiratete Statisten, die den Raub letztlich hinnehmen, sei es aus Scham, Mangel an Beweisen oder schlicht Angst vor der Ehefrau. Eine Ausnahme bildet lediglich einer der letzten Kunden, der so viel Geld verloren hat, dass er nicht mehr in der Lage ist, das Darlehen für sein Haus zu zahlen und seinen Sohn zu versorgen. Er appelliert jedoch erfolglos an die Gnade der profitgeilen Damen.

Erzählerisch scheint sich Scafaria an Martin Scorsese zu orientieren, natürlich ohne dessen Klasse auch nur im Ansatz zu erreichen. Dennoch erinnert Hustlers von Struktur und Aufbau an Filme wie Casino oder Goodfellas, auch wenn Scafaria erkennbar in erster Linie auf optische Reize setzt. Muss ja auch nicht das Schlechteste sein. Gefällig in jedem Fall die leichtfüßige Inszenierung, die einem hilft, gnädig über die zahlreichen Logiklöcher und die eindimensionalen Charaktere hinwegzusehen. Unter dem Strich ein biederes Gute-Laune-Filmchen, das außer einer Vielzahl von attraktiven Darstellerinnen und einer mitreißenden Performance von JLo nicht viel zu bieten hat. Trotzdem ganz nett anzuschauen.

Montag, 23. Dezember 2019

ONCE UPON A TIME IN... HOLLYWOOD (Quentin Tarantino, 2019)

Want me to suck your cock while driving?

Bereits mit dem tollen The hateful Eight zeigte sich Tarantino zurück in alter Form, nachdem die drei Vorgänger doch etwas hinter seinen ersten vier Filmen zurückgeblieben waren. Und viel Zeit bleibt ihm ja auch nicht mehr. Wenn er seine Ankündigung wahr macht, nach zehn Filmen aufzuhören, dann war Once upon a Time in... Hollywood seine vorletzte Arbeit. Umso erfreulicher, dass er qualitativ da weiter macht, wo er mit seinem Western-Kammerspiel aufgehört hat. 

Stilistisch erinnert Tarantinos neuester Film an Pulp Fiction und Jackie Brown. An den Erstgenannten wegen der episodenhaften Erzählweise und der beiläufig dahinplätschernden Handlung, die keinem richtigen Ziel zu folgen scheint. Und auch hier steht ein grandios aufspielendes Darsteller-Duo im Mittelpunkt. Anstelle zweier Profikiller darf man hier den abgehalfterten Serienstar Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) begleiten, der seine besten Tage hinter sich hat, und seinen Stuntman, Freund und Mann für alles, Cliff Booth (Brad Pitt), der an den Filmsets auch deswegen eine gewisse Achtung genießt, weil er damit ungestraft davon kam, seine Frau getötet zu haben. Von Jackie Brown – für mich nach wie vor Tarantinos Bester – hat Once upon a Time in... Hollywood die ungeheure Coolness, die die Sichtung trotz der stattlichen Laufzeit zu einem großen Vergnügen macht. Als Zuschauer könnte man stundenlang mit Booth durch das L.A. des Jahres 1969 fahren, vorbei an unzähligen Filmplakaten und Kinos und sich an den überwiegend attraktiven umher lungernden Manson-Girls erfreuen oder Dalton bei seinen Dreharbeiten und den Alkohol getränkten Selbstmitleidsausbrüchen zuschauen. Und wenn Jackie Brown Tarantinos Liebeserklärung an den Blaxploitation-Film ist, dann begleitet Once… den Niedergang des traditionellen Hollywood. Verkörpert wird dies nicht zuletzt durch seine beiden Protagonisten, die ebenfalls auf dem absteigenden Ast sind, während im Nachbarhaus Roman Polanski mit seiner Frau Sharon Tate einzieht, die wiederum für das neue Hollywood stehen.

Im Vorfeld war zu lesen, dass der Film den brutalen Mord der Manson-Family an Sharon Tate thematisieren würde. Dies tut er irgendwie auch, aber obwohl die wiederholten Datums- und Uhrzeit-Einblendungen eine gewisse Dramatik vorgaukeln, spielt die Figur der von Margot Robbie bezaubernd dargestellten Sharon Tate nur eine Nebenrolle. Sie taucht immer mal wieder auf, sagt belanglose Sachen, tut belanglose Dinge und hat ihre längste und beste Szene, wenn sie ihren eigenen Film in einem Kino anschaut, was Tarantino wiederum die Gelegenheit bietet, Robbies nackte Füße ausführlich in Großaufnahme zu zeigen. Ihre Unbedarftheit und fröhliche Unbekümmertheit, die sie nicht nur in der Szene im Kino an den Tag legt, hinterlassen insbesondere deswegen ein flaues Gefühl, weil man ja weiß, welch grausames Schicksal sie wenig später ereilen sollte.

Doch nicht so bei Tarantino: der märchenhafte Charakter des Films wird ja schon im Titel angedeutet, und so schreibt Tarantino die Geschichte einfach um, wie er dies zuvor schon bei Inglourious Basterds getan hattte. Er rettet Tate genau dadurch, dass er sie von der zentralen Figur zur Nebenfigur degradiert. Die Manson-Jünger dringen dann auch folgerichtig entgegen ihrem Auftrag nicht in das Tate/Polanski-Haus ein, sondern in das Nachbarhaus, in dem der völlig zugedröhnte Dalton im Pool mit Kopfhörern Musik hört und sein ebenso derangierter Kumpel gerade seinen Hund füttert. Ob sie das mit Absicht machen oder ob es sich um ein Versehen handelt, bleibt offen. In jedem Fall hat dies für die verhinderte Mörderbande äußerst drastische Konsequenzen und kulminiert in einem mitreißenden und extrem blutigen Finale.

Wie bereits erwähnt ist Once upon a Time in... Hollywood eine zutiefst entspannte Angelegenheit. Die Liebe zum Detail und die große Verehrung, die Tarantino dem Kino entgegenbringt, springt dem Zuschauer aus jedem einzelnen Bild entgegen. Sets, Kostüme und Musik lassen einen eintauchen in diese faszinierende Zeit des Umbruchs und man verspürt schnell den Wunsch, noch länger in dieser Welt verweilen zu können. Meinetwegen hätte der Film noch eine Stunde länger dauern können. Die Handlung mäandert meist wenig zielführend umher, aber angesichts des grandiosen Settings nimmt man das kaum wahr. Die zahlreichen Verweise und Filmzitate, die man bei einer Sichtung wahrscheinlich gar nicht alle erfassen kann – grandios übrigens die Szene, in der sich Dalton vorstellt, er hätte McQueens Rolle bei The great Escape erhalten und dies durch digitale Nachbearbeitung der Originalsequenzen untermauert wird – und die geschickte Einbindung realer Personen in fiktive Szenen ergeben in Kombination mit den witzigen Dialogen eine faszinierende Mischung aus Fiktion und Wahrheit, der man sich als Filmliebhaber einfach nicht entziehen kann.

Und nicht zuletzt ist ein Tarantino-Film auch irgendwie immer wie ein Familientreffen. Neben den Hauptdarstellern gibt es viele bekannte Gesichter aus seinen vorherigen Filmen, die zum Teil nur kurz zu sehen sind (Michael Madsen, Bruce Dern, Kurt Russell, Zoë Bell, etc.). Und am Ende, wenn schon der Abspann läuft, ist DiCaprio tatsächlich noch beim Dreh eines Werbespots für Red-Apple-Zigaretten zu sehen. Ein ganz wunderbarer Film.

Montag, 29. April 2019

WORLD WAR Z (Marc Forster, 2013)

 There is nowhere to evacuate you to.

Ein durch und durch familientauglicher Zombie-Endzeitfilm, der zudem mit Brad Pitt eine starke Identifikationsfigur bereit hält. Viel Neues bietet Forster nicht, letztlich handelt es sich um einen typischen Dawn-of-the-Dead-Ableger, nur eben kinderfreundlich um Blut und Gedärme bereinigt. So wie Resident Evil, nur noch steriler. Und dabei habe ich schon die "unrated"-Fassung von World War Z gesehen, die dem Vernehmen nach immerhin etwas härter ausgefallen sein soll als die Kinofassung. Der Anfang in Philadelphia ist in jedem Fall höchst beeindruckend in Szene gesetzt, gelang es doch den Zustand des Ausgeliefertseins gegenüber dem totalen Chaos und dem Verlust der öffentlichen Ordnung bis hin zur Anarchie treffend einzufangen. 

Der Rest des Films kann mit dem grandiosen Beginn nicht mehr ganz mithalten - spannend ist das Gebotene allemal. Ganz witzig auch die Ideen, mit denen einzelne Staaten versuchen, der Zombie-Plage Herr zu werden, sei es indem man sämtlichen Einwohnern in einer Hauruck-Aktion die Zähne ziehen lässt (Nordkorea) oder eine riesige Mauer um das eigene Staatsgebiet baut (Israel). Wobei Letzteres heute natürlich sofort als Anspielung auf Trumps Mauer interpretiert werden würde, die anno 2013 zur Entstehungszeit des Films noch kein Thema war. Im Übrigen zeigt sich ja auch recht schnell, dass die Idee mit der Mauer nicht funktioniert. Am Ende ist es die eigene Überheblichkeit, die die Israeliten dazu verleitet, sich in falscher Sicherheit zu wiegen, die sie schließlich ans Messer liefert.

World War Z ist ein solide inszenierter Actionthriller ohne große Schwächen, der über weite Strecken gut unterhält und schön anzuschauen ist. Die Idee, die letztlich die Immunität gegen die Zombies bringt, fand ich sogar recht originell. Das Ende deutet auf eine Fortsetzung hin, die aber bisher nicht zustande kam und meines Wissens inzwischen komplett verworfen wurde.

Dienstag, 26. März 2019

OVERLORD (Julius Avery, 2018)

In Overlord verbindet Julius Avery geschickt das Genre des Kriegs- mit dem des Horrorfilms und lässt deutsche Ärzte in einem unterirdischen Labor einem französischen Dorf für den Führer an einem Serum forschen, das nicht nur übermenschliche Kräfte verleihen, sondern auch Tote als Zombies wiederauferstehen lassen kann. Dabei lässt sich zunächst alles wie ein herkömmlicher Kriegsfilm an: in Vorbereitung der Landung amerikanischer Bodentruppen an den Stränden der Normandie soll eine Fallschirmjäger-Einheit eine Radarstation zu zerstören, die in dem Kirchturm eines französischen Dorfes angebracht ist. Das Flugzeug wird von der gegnerischen Flugabwehr in Stücke zerlegt, bevor ein geordneter Absprung der Soldaten möglich war, und die Gruppe der Überlebenden wird zusätzlich von den deutschen Soldaten dezimiert. Angekommen in dem französischen Dorf kommen sie bei der adretten Chloe unter, die zusammen mit ihrer unter den Experimenten der Nazis mutierten Großmutter und ihrem 8-jährigen Bruder ein Haus bewohnt.

Overlord ist ein großer Spaß, der ganz ausgezeichnet unterhält. Natürlich kann man die klischeehaften Figuren bemängeln oder die reißbrettartigen Handlungsstränge, die alle bereits unzählige Male in ähnlicher Art und Weise verwurstet wurden. Doch ist zumindest die Idee mit dem Zombie-Serum recht originell. Zwar kennt man Nazi-Zombies schon aus diversen B-Movies, doch so hochwertig und kompetent und zudem mit einem ordentlichen Budget versehen wurden derartige Ideen bisher noch nicht umgesetzt.

Overlord bietet rasante Action, garniert mit einigen recht derben Splatterszenen und sieht dabei einfach verdammt gut aus. Alleine die ausgedehnte Eröffnungssequenz, in der das amerikanische Flugzeug mit den Fallschirmspringern an Bord ins Visier der deutschen FLAKs gerät, ist hervorragend gefilmt und an Intensität nur schwer zu übertreffen. Dabei werden gar Erinnerungen an Steven Spielbergs Saving Private Ryan wach, respektive die dort gezeigte Landung der Boote an den Stränden der Normandie. Sicherlich nicht ganz zufällig, denn die Handlung von Overlord ist ja am Vorabend des D-Day angesiedelt.

Natürlich hält Avery dieses Tempo nicht den ganzen Film über aufrecht. Im Dorf angekommen, müssen sich die Soldaten vor den deutschen Patrouillen verstecken, was alleine schon eine deutlich entschleunigte Erzählweise zur Folge hat. Damit verschiebt sich auch der Schwerpunkt zunehmend in Richtung Thriller mit stimmungsvollen Horrorelementen, bevor es am Ende dann zum großen Showdown kommt. Insgesamt eine runde Sache.

Dienstag, 19. März 2019

AFTERMATH (Elliott Lester, 2017)

Inzwischen ist Arnold Schwarzenegger im Bereich der DTV-Produktionen angekommen. Aftermath ist aber auch sonst ein untypischer Film für den Österrreicher, weil es sich in erster Linie um eine Mischung zwischen Charakterstudie und Drama handelt. Die Handlung basiert auf der Kollision zweier Flugzeuge bei Überlingen im Jahr 2002, bei der Besatzung und Passagiere beider Flugzeuge getötet wurden. Im Mittelpunkt der Geschichte stehen der von Schwarzenegger verkörperte Roman Melnyk, der bei dem Unglück seine Frau und seine schwangere Tochter verliert sowie der diensthabende Fluglotse Jacob Bonanos, den kein direktes Verschulden an dem Zusammenstoß trifft, der sich aber selbst große Vorwürfe macht. Die von Unbekannten angebrachten Schmierereien an seinem Haus, die ihn als Mörder brandmarken, scheinen ihn darin zu bestätigen.

Aftermath ist ein ruhig und zurückhaltend erzählter Film, der sich auf das Unvermögen seiner beiden Hauptfiguren konzentriert, mit der jeweiligen Situation umzugehen. Dabei überrascht Schwarzenegger mit einer rundum überzeugenden Darbietung, bei der er auch nicht davor zurückscheut, seinen inzwischen merklich aus der Form geratenen Oberkörper zu entblößen. Sein Roman ist ein alter Mann, Schwarzenegger – mit struppigem, grauem Vollbart bemüht sich gar nicht erst, dies zu verbergen. Sein Schmerz und seine Verzweiflung wirken absolut authentisch. Und dass er auch ernste Rollen beherrscht, hat er ja bereits mit Maggie vor einigen Jahren bewiesen.

Noch besser ist die Vorstellung seines Gegenübers Scoot McNairy. Es bereitet beinahe körperliche Schmerzen ihm dabei zuzusehen, wie sein Jacob leidet, während sein komplettes Leben inklusive seiner Ehe und dem Verhältnis zu seinem Sohn zu Staub zerfällt. Eine fatale Fehlentscheidung während seines Dienstes, deren Konsequenzen er aufgrund der Umstände (Ausfall der Telefonanlage, Abwesenheit seines Kollegen) nicht absehen konnte, hatte den Tod von 271 Menschen zur Folge – da kann man schon den Boden unter den Füßen verlieren.

Trotz der hervorragenden Darsteller macht Aftermath aus der interessanten Konstellation letztlich aber zu wenig. Mit zunehmender Spieldauer stellt sich das Gefühl der Beliebigkeit ein, die einzelnen Szenen wirken zum Teil unmotiviert aneinandergereiht. Ein roter Faden ist allenfalls mit viel gutem Willen erkennbar. Zudem gelingt es Lester nicht, den Zuschauer in die Lage zu versetzen, die Zeitabläufe zwischen den Szenen richtig einzuordnen. Die Eskalation am Ende, die relativ nah an den wahren Begebenheiten ist, kommt ziemlich überraschend, jedenfalls dann, wenn man sich im Vorfeld nicht mit dem Film beschäftigt hat. Wobei der saudämliche deutsche Titel Vendetta – Alles was ihm blieb war Rache dies natürlich in gewisser Weise vorwegnimmt. Ich frage mich ja immer wieder, welche Menschen sich diese bekloppten deutschen Titel ausdenken und dafür womöglich sogar noch Geld kriegen. Wie auch immer – die Motivation Romans, Jakob mit Hilfe einer Journalistin ausfindig zu machen und anschließend zu töten, konnte ich nicht recht nachvollziehen, auch wenn man unterstellt, dass er ursprünglich keine Tötungsabsicht verfolgte, sondern ihn lediglich in einem Gespräch zur Rede stellen wollte. Die Konfrontation schließlich zwischen Jakobs inzwischen erwachsenem Sohn und dem aus dem Gefängnis entlassenen Roman fand ich hingegen wieder stimmig.

Unter dem Strich ist Aftermath ein durchaus sehenswerter Film, der einiges richtig macht, dabei jedoch insbesondere mit einer nicht immer schlüssigen Handlung zu kämpfen hat. Letztlich verschenkt er zu viel Potential, das die vielversprechende Ausgangssituation geboten hätte.

Donnerstag, 21. Februar 2019

GI-EOK-UI BAM / FORGOTTEN (Jang Hang-jun, 2017)

Der Zwanzigjährige Jin-seok zieht mit seiner Familie, zu der neben seinen Eltern auch sein älterer und von ihm bewunderter Bruder Yoo-seok gehört, in ein neues Haus. Weil in einem Raum des Hauses noch vorübergehend Sachen des Vorbesitzers gelagert sind, müssen die beiden Brüder sich ein Zimmer teilen. Während eines nächtlichen Ausflugs wird Yoo-seok von mehreren Männern in einen schwarzen Van gezerrt und kehrt erst 19 Tage später zu seiner Familie zurück. An das was in diesen 19 Tagen geschehen ist, hat er keine Erinnerung. Jin.seok merkt mit der Zeit, dass sein Bruder verändert ist und nicht mehr der Mensch zu sein scheint, der er vor seiner Entführung war.

Forgotten ist bereits der 6. Kinofilm des südkoreanischen Regisseurs Jang Hang-jun, der sich u. a. auch bereits mehrfach als Darsteller und Drehbuch-Autor betätigt hat. Ich kenne keiner seiner vorherigen Filme, und auch die Darsteller in Forgotten sind mir allesamt unbekannt. In jedem Fall versteht Jang es sehr geschickt, eine unheilvolle, dichte Atmosphäre aufzubauen, die den Zuschauer sofort in ihren Bann zieht. Von dem Raum mit den Sachen des Vorbesitzers geht eine nicht greifbare Bedrohung aus, die sich in merkwürdigen Geräuschen, die jedoch nur Jin-seok wahrzunehmen scheint, und flüchtigen Schatten unter der verschlossenen Tür äußert. Deutlich realer erscheint hingegen die Gefahr, die von seinem Bruder ausgeht. Zumindest legt dieser seit seiner Rückkehr ein eigenartiges Verhalten an den Tag, dass sich Jin-seok nicht erklären kann. Doch damit nicht genug, wird er auch noch von furchtbaren Alpträumen gequält, deren Sinn ihm verborgen bleibt.

Was wie ein klassischer Horrorfilm beginnt, wandelt sich alsbald zu einem äußerst spannenden Psycho-Thriller, der nicht nur mit dem Protagonisten, sondern auch mit dem Zuschauer ganz gehörig Katz-und-Maus spielt. Die mit hohem Tempo erzählte originelle Story mit ihren zahlreichen Wendungen, die so nicht vorhersehbar sind, lässt die Spannungskurve immer weiter ansteigen, unterstützt durch eine dynamische Inszenierung, die sich auf das Wesentliche konzentriert. Einen erheblichen Anteil daran haben auch die guten Darsteller, wobei insbesondere Kang Ha-neul in der Rolle des jungen Studenten überzeugt, dessen Leben immer mehr aus den Fugen gerät. Bei kritischer Betrachtungsweise lässt sich zwar auch die ein oder andere inhaltliche Ungereimtheit erkennen, aber angesichts der sonstigen Qualitäten kann man leicht darüber hinwegsehen. Und wenn man schon meint, der Film sei zu Ende, setzt Jang mit einer kleinen Schluss-Sequenz noch eine schöne finale Pointe. Korea-Kino vom Feinsten!

Mittwoch, 20. Februar 2019

JOHN WICK (Chad Stahelski und David Leitch, 2014)

Der Trailer hatte mir seinerzeit wenig bis keinen Anreiz geboten, John Wick einer Sichtung zu unterziehen, auch wenn ich Rachefilme eigentlich ganz gerne mag. Beflügelt durch die positiven Erfahrungen mit mehreren Genre-Vertretern in den letzten Wochen und nicht zuletzt aufgrund der hartnäckigen Fürsprache eines Kollegen ließ ich mich mit mehrjähriger Verspätung dann doch dazu hinreißen. Dabei zeigte sich dann relativ schnell, dass meine anfängliche Skepsis nicht ganz unbegründet war. Zwar wird hier fraglos viel Action geboten, die auch technisch durchaus gekonnt in Szene gesetzt ist, doch fiel es mir über die gesamte Spielzeit schwer, eine Beziehung zu den handelnden Personen, zumindest aber zum Protagonisten aufzubauen. Der Hund tat mir leid, aber ansonsten ließ mich das Geschehen weitgehend kalt, was vorwiegend auf die zwar stylische, aber stets kühle und distanzierte Inszenierung zurückzuführen ist. Hinzu kommt die oberflächliche Charakterzeichnung, die keinerlei echtes Interesse an den Figuren vermitteln kann. In Kombination mit dem absurd hohen Bodycount fühlt sich John Wick eher wie ein Computerspiel an. Leitchs Debut Atomic Blonde weist übrigens zum Teil ähnliche Schwächen auf, wobei diese dort jedoch weniger ins Gewicht fallen. Auch die im Film gezeichnete Gangsterwelt mit dem zentralen Treffpunkt des Continental-Hotels wirkt von Beginn an unwirklich und vermittelt das Gefühl, nicht in der realen Welt verortet zu sein.

Die zahlreichen stilistischen Parallelen und Ähnlichkeiten zu The Matrix sind sicher kein Zufall, denn bekanntlich agierten die beiden Regisseure in jenem als Stuntdoubles für Keanu Reeves, der hier nun John Wick verkörpert. Dabei ist The Matrix aber ein weitaus besserer Film, denn das Innovative und Bahnbrechende, was jenen auszeichnete, geht John Wick ebenso ab wie eine philosophische Fragen aufwerfende Story. Schlimmer noch: die Geschichte, die John Wick erzählt, hat bei nüchterner Betrachtung weder Hand noch Fuß und weist zahlreiche Ungereimtheiten auf. Aufgrund des hohen Tempos und der durchgehend ordentlichen Darstellerleistungen ist der ganze Unsinn dann aber doch leidlich unterhaltsam. Ich habe mich jedenfalls nicht gelangweilt, aber einen nachhaltigen Eindruck konnte John Wick nicht hinterlassen, auch weil ich schlichtweg nicht emotional gepackt wurde. Das Wort „seelenlos“ beschreibt den Film, glaube ich, am treffendsten.