Nerve führt einem schon in den ersten Minuten gnadenlos das eigene Alter vor Augen. Nicht nur, dass man als Mittvierziger so seine Schwierigkeiten mit den zahlreichen Begriffen aus der Welt der sozialen Netzwerke hat, spielt zu allem Überfluss Juliette Lewis, die noch ein paar Jahre jünger ist als ich, die Mutter einer erwachsenen Tochter. Und auch sonst kam ich mir in den ersten Minuten fehl am Platz vor, dachte ich doch, ich hätte mich in eine Teenie-Schnulze verirrt. Zu Beginn werden jedenfalls die üblichen Ingredienzien aufgefahren und die gängigen Klischees bemüht. Die draufgängerische Sydney, der die männlichen Verehrer nur so zuzufliegen scheinen und die für einen handfesten Skandal an ihrer Highschool sorgt, weil sie bei einer Cheerleader-Veranstaltung - deren grundsätzlicher Reiz sich mir im Übrigen noch nicht erschlossen hat - ohne Höschen auftritt, dabei aber, dann doch irgendwie typisch amerikanisch-keusch nur ihr nacktes Hinterteil präsentiert, ihre hübsche, aber schüchterne Freundin Vee, die unsterblich in einen Jungen verliebt ist, sich aber nicht traut, ihn anzusprechen, etc.
Doch die anfängliche Langeweile verfliegt spätestens in dem Moment, in dem Vee in ein berüchtigtes Online-Game einsteigt, dass die angemeldeten Nutzer in Spieler und Beobachter aufteilt. Die dahintersteckende Idee ist gar nicht so weit hergeholt, und es erscheint durchaus realistisch, dass ein derartiges Spiel einen großen Teil der Online-Welt derart in seinen Bann ziehen könnte wie im Film geschildert. Da muss man sich nur die Pokemon-Go-Hysterie anschauen, die vor einigen Monaten das deutsche Volk heimgesucht hat. Aus den anfangs recht harmlosen Herausforderungen werden schnell Spiele auf Leben und Tod, denen man sich zwar durch Aufgeben entziehen kann, doch die damit verbundene Schande will natürlich niemand auf sich nehmen.
Die Story ist im Grund genommen die gleiche, die schon Glaser vor 30 Jahren in The Running Man erzählt hat. Oder auch die Hunger Games-Reihe, die aber ohnehin nur ein Abklatsch der Bachmann-Romane ist. Wirklich Neues bietet Nerve demnach nicht, aber die Adaption an die Bedingungen der Gegenwart und die heutige Gesellschaft wissen zu gefallen. Zudem wird das rasant und ohne großen Schnickschnack erzählt. Die geradlinige Inszenierung lässt keinen Leerlauf und bleibt immer auf die Hauptfiguren fokussiert. Zum Ende hin gingen mit den Machern etwas die Pferde durch - die Sache mit der Hackergruppe, die in einer Hauruck-Aktion quasi die Kontrolle über das Netz übernimmt, war mir dann doch etwas zu viel. Das kann den positiven Gesamteindruck jedoch nicht schmälern. Allemal sehenswert.
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