I don't sleep with whores... at least not knowingly.
Der hauptberufliche Schädlingsbekämpfer Charley Varrick raubt gemeinsam mit seiner Frau und zwei Kumpanen eine lokale Bank in einer Kleinstadt in New Mexiko aus. Der Überfall geht dank der Aufmerksamkeit einer Polizeistreife gründlich schief. Varricks Frau und einer seiner Kumpels werden erschossen. Ihm selbst gelingt zwar mit seinem Freund Harman Sullivan die Flucht, doch stellt sich blöderweise bei der Sichtung der Beute heraus, dass die beiden statt der erhofften kleinen Summe mehr als 750.000 Dollar an Mafiageld erbeutet haben, das für wenige Tage in der Bank lagern sollte. Dass man die Polizei auf den Fersen haben würde, hatte man einkalkuliert, doch nun müssen die beiden sich auch mit dem Profikiller Molly (Joe Don Baker) herumschlagen.
Der Film sollte ursprünglich "The last of the independents" heißen, doch Siegel konnte sich diesbezüglich leider nicht gegen die Produzenten durchsetzen, die auf den nichtssagenden Titel Charley Varrick bestanden. Und das obwohl Siegel unmittelbar davor mit Dirty Harry seinen bisher größten Erfolg an den Kinokassen verbuchen konnte. Seinen aufgebesserten Status verrät auch die Einblendung "A Siegel Film" zu Beginn. Der ursprüngliche Titel hat es dann immerhin noch als Schriftzug auf Varricks Firmentruck geschafft. Er wäre jedenfalls viel treffender gewesen, denn tatsächlich ist Varrick so ziemlich der einzige Charakter im Film, der nicht in irgendeinem Abhängigkeitsverhältnis steht. Nach dem Tod seiner Frau durch die Kugel eines Polizisten hat er nichts mehr, auf das er Rücksicht nehmen müsste. Ein typischer Siegel-Charakter, wenn man so will. Und so schmiedet er einen cleveren Plan, um sich Polizei, Mafia und auch seinen sorglosen Kumpel, der zudem noch ein Alkoholproblem hat, vom Hals zu schaffen.
Der ganze Filme ist eine einzige Walter-Matthau-Schau. Auf den ersten Blick scheint er dem Geschehen hilflos ausgeliefert, jedoch erweist sich sein Charley Varrick im weiteren Verlauf als gewitzter, weitsichtiger Stratege, der alle Schritte seiner Gegner voraussieht. Darüber wird man allerdings als Zuschauer lange im Unklaren gelassen, denn das Geschehen auf dem Bildschirm vermittelt den Eindruck, als zöge sich die Schlinge immer stärker über seinem Kopf zusammen und als gerate er von Minute zu Minute in größere Schwierigkeiten. Gerade das macht die Faszination des Films aus, denn am Ende fügen sich alle Puzzleteile auch ohne Erlärung zu einem großen Ganzen zusammen.
Matthaus Verdienst ist auch, dass man Varrick die ganze Zeit über die Daumen drückt, wohwissend, dass er ein Bankräuber ist und mehrere Menschenleben auf dem Gewissen hat. Trotzdem kann man nicht anders als auf seiner Seite zu sein. Stilistisch weist Charley Varrick viele Parallelen zu seinem Vorgänger auf, wobei der urbane Raum der Großstadt San Francisco der ländlichen Weite New Mexikos weichen musste, was dem Film einen Hauch von Western-Feeling mitgibt. Übrigens ist auch Andrew Robinson wieder mit von der Partie, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Quentin Tarantino hat. Spielte er in Dirty Harry noch den psychotischen Killer, ist er hier als Varricks Kumpan Sullivan zu sehen.
Für den dynamischen Score zeichnete wieder Siegels Stammkomponist Lalo Schifrin verantwortlich, die Kamera übernahm hier erstmals Michael Butler, der dann ein paar Jahre später bei Telefon nochmals mit Siegel zusammenarbeiten sollte. Die Inszenierung kommt direkt auf den Punkt und ist - wie immer bei Siegel - schnörkellos und pragmatisch. Bemerkenswert ist die große Verfolgungsjagd am Schluss, bei der sich Varrick in einer Propellermaschine und Molly in seinem Wagen ein erbittertes Duell liefern.
Charley Varrick ist ein ganz wunderbarer Film, der völlig zu Unrecht ein Schattendasein
fristet und vermutlich nur hartgesottenen Siegel-Fans bekannt sein dürfte. Das ist höchst bedauerlich, denn er unterstreicht einmal mehr, welch außergewöhnlicher Regisseur der Mann war. Als der Film zu Ende war, saß ich mit einem fetten Grinsen auf dem Gesicht im Sessel.