Sixty's the new thirty, motherfucker!
Iñárritus fünfter Spielfilm ist eine höchst kurzweilige und
amüsante Satire, die das Showbusiness und den Umgang mit dem Älterwerden gekonnt auf's Korn nimmt. Die
Selbstironie beginnt schon bei der Besetzung der Hauptrolle mit
Michael Keaton. Er spielt Riggan Thomson, einen Schauspieler, dessen
verblassender Ruhm aus seiner Rolle als Superheld Birdman vor mehr
als zwanzig Jahren resultiert und der nun versucht, mit der
Inszenierung eines Theaterstückes zu neuerlichem Ruhm zu gelangen.
Ausgerechnet Keaton also, der etwa zur gleichen Zeit wie Riggan im
Film in Burtons Batman-Filmen die Hauptrolle übernommen hatte, und
so sind die Ähnlichkeiten zwischen den Superhelden Batman und
Birdman natürlich kein Zufall. Doch während er nach außen den
starken Macher gibt, der alles im Griff zu haben scheint, ist Riggan
in Wahrheit von Unsicherheit und Selbstzweifeln geplagt. Die
überdimensionale Comic-Figur des Birdman hat so etwas wie ein
Eigenleben entwickelt und verfolgt ihn ständig als seine stets
präsente innere Stimme. Auch ist Riggan in seinem Streben nach Ruhm
und Anerkennung nicht alleine, denn wie sich im weiteren Verlauf der
Handlung herausstellt, sind auch die übrigen Darsteller von
Selbstzweifeln geplagt. Insbesondere der Broadway-Star Mike
(großartig: Edward Norton) eifert mit Riggan darum, wem die größte
Aufmerksamkeit zu teil wird. Und dann gibt es noch Riggans
orientierungslose Tochter Sam, der er nach ihrem gerade absolvierten
Drogenentzug eine Assistenzstelle verschafft hat. Und so ist Birdman
nicht nur Satire, sondern beinhaltet neben komischen Elementen auch
viele tragische Aspekte. Im Zentrum steht dabei natürlich Riggan,
der sich immer mehr in die Sache hineinsteigert und zunehmend die
Kontrolle über sich verliert. Dabei begibt er sich auf einen
Selbstzerstörungstrip, der von gewalttätigen Wutausbrüchen,
heftigen Stimmungsschwankungen, unkontrollierten Saufgelagen und
Wahnvorstellungen geprägt ist, wobei Realität und Einbildung für
den Zuschauer schon zu Beginn kaum auseinander zu halten sind und im
weiteren Verlauf immer mehr miteinander verschmelzen.
Das gewitzte Drehbuch hält das Tempo die ganze Zeit über hoch
und gönnt dem Zuschauer kaum eine Verschnaufpause. Die dadurch
entstehende Unruhe spiegelt zugleich Riggans Gemütszustand sehr
treffend wieder. Unterstützt wird dies durch den originellen Score,
der ganz überwiegend aus Drum-Soli besteht. Verantwortlich dafür
zeichnet der mexikanische Jazz-Drummer Antonio Sanchez, der die Felle
virtuos bearbeitet und vielen Szenen durch sein Spiel eine
zusätzliche Unruhe verleiht. So überlagern die Drums zum Teil die
Dialoge so sehr, dass man sich anstrengen muss, um alles
mitzubekommen.
Die Kameraführung ist brillant und erweckt den
Eindruck, der Großteil des Films (abgesehen von der
Eröffnungssequenz und den Szenen vor Riggans Erwachen im
Krankenzimmer) sei in einem einzigen Take entstanden, zumindest sind
keine wahrnehmbaren Schnitte vorhanden. Ein oft verwendetes
Hilfsmittel, um diesen Effekt zu erreichen, ist der Einsatz von
Spiegelungen in Dialogszenen, insbesondere in den Umkleidekabinen. So
sind beide Gesprächsteilnehmer auch dann zusammen im Bild, wenn sie
nicht direkt nebeneinander stehen, ohne dass dafür ein Wechsel der
Kameraperspektive notwendig wird. Häufig kommt auch eine Handkamera
zum Einsatz, die den jeweiligen Protagonisten – meistens Riggan –
aus der Verfolgerperspektive zeigt. Die Art der Inszenierung sorgt
für einen beständigen Fluss, immer ist alles in Bewegung.
Stillstand gibt es nicht, aber eben auch keine Erholungspause für
die Protagonisten, keine Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen. In
Kombination mit den pointierten Dialogen und den überzeugenden
Darstellerleistungen ergibt dies bei aller inhärenten Tragik eine leichtfüßige, homogene
Mischung, die ausgesprochen gut unterhält.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen