Burtons Filme erzählen oft märchenhafte Geschichten, die
meist der Phantasie entspringen. Auch die Geschichte von Big Eyes klingt märchenhaft, basiert aber doch auf einer wahren
Begebenheit. Die frisch geschiedene Margaret verlässt zu Beginn der 50er Jahre
ihren gewalttätigen Ehemann und geht mit ihrer Tochter nach San Francisco. Weil
es ihr als geschiedene Frau nicht gelingt, eine Arbeitsstelle zu finden,
verdingt sie sich als Straßenmalerin, indem sie die Kinder von Passanten gegen
Geld porträtiert. Dabei malt sie alle Kinder mit übergroßen, traurigen Augen.
Eines Tages lernt sie Walter Keane kennen, der sich ihr gegenüber ebenfalls als
Maler ausgibt, sich in Wirklichkeit aber mit dem Verkauf von Bildern eines
italienischen Künstlers über Wasser hält, bei denen er den Namen des Urhebers
mit seinem eigenen übermalt. Er selbst hat keinerlei Talent zum Malen, ist aber
ein begnadeter Verkäufer und erkennt das Potential, das in Margarets Bildern
steckt. Nach ihrer Hochzeit beginnt er, ihre Bilder unter seinem Namen zu
verkaufen. Als Margaret das mitbekommt, protestiert sie zunächst, fügt sich aber
letztlich und malt weiter Bilder, die Walter mit immer größerem Erfolg
verkauft.
Die Wohnsiedlung zu Beginn, aus der Margaret mit ihrer
Tochter flüchtet, kommt dem Burton-Sympathisanten sofort bekannt vor. Irgendwie
sehen die Wohngebiete in seinen Filmen immer gleich aus, der Inbegriff des
kleinbürgerlichen, amerikanischen Spießertums. Interessant ist auch, dass
Burtons eigene Zeichnungen und Puppen ebenfalls ausdrucksstarke,
überproportional große Augen aufweisen – ähnlich wie die Margaret Keanes.
Überhaupt hat Burton ja ein Herz für Künstler, und zwar auch für die, denen die
große Anerkennung verwehrt geblieben ist. Das macht nicht zuletzt sein vor
zwanzig Jahren entstandenes Porträt des erfolglosen Filmemachers Ed Wood
deutlich. Seine quietschbunte, zuweilen ins theatralisch schweifende Art der
Inszenierung, die oft zwischen Drama und Komödie hin- und her pendelt, ist wie
geschaffen für eine Geschichte wie die, die Big Eyes erzählt. Eine Geschichte, die
zeigt, dass auch ein mäßig talentierter Künstler mit der richtigen Vermarktung
schon damals großen Erfolg haben konnte. Heutzutage gelingt dies dank youtube
und der medialen Dauerpräsenz ja auch völlig talentfreien Menschen ohne
Probleme.
Big Eyes erzählt
vor allen Dingen aber auch die Geschichte einer Abhängigkeit. Die Abhängigkeit
Margarets von ihren beiden Männern, vom Alkohol (was nur kurz angedeutet wird)
und schließlich von den Zeugen Jehovas, die ihr – so zumindest die
Darstellung im Film – jedoch auch helfen, sich gegen ihren Mann zur Wehr
zu setzen und ihn schließlich in einem Gerichtsverfahren zu besiegen. Diese
Abhängigkeit setzt Burton in Kontext zur damaligen Stellung der Frau in der
Gesellschaft. Eine alleinerziehende, geschiedene Frau hatte damals keinen
leichten Stand, und so manch andere Frau, der in jener Zeit ein selbstbestimmtes
Leben verwehrt geblieben ist, wird sich womöglich in Margaret Keane ein Stück
weit wiederfinden. Amy Adams spielt die verunsicherte, devote Frau ohne jedes
Selbstvertrauen sehr nuanciert. Christoph Waltz hingegen spielt in erster Linie
sich selbst, wobei zu vermuten ist, dass die völlig überzogene Darstellung, die
schon aus den beiden letzten Tarantino-Filmen hinlänglich bekannt ist,
beabsichtigt und von Burton so gewollt ist. Mir ging sein Getue nichtsdestotrotz
ziemlich auf die Nerven. Darüber hinaus besticht Big Eyes mit seinen schönen Bildern, die
überwiegend in zarten Pastellfarben gehalten sind, einer detailversessenen
Ausstattung und Danny Elfmans stimmigem Score. Den beiden Songs, die Lana del
Rey beigesteuert hat, wohnt eine melancholische Stimmung inne, die wunderbar den
Ton des Films trifft. Big Eyes ist ein gutes Stück weit entfernt von Burtons besten
Arbeiten; ein schöner Film ist er trotzdem geworden.
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