Donnerstag, 30. Januar 2014

PUSHER 3 (Nicolas Winding Refn, 2005)

Ein würdiger Abschluss der Kopenhagener Trilogie, der den beiden Vorgängern in nichts nachsteht und deren Niveau mühelos halten kann. Dieses Mal steht Milo im Zentrum der Erzählung, der schon im ersten Pusher mein Lieblingscharakter war. Damit hat Pusher 3 in jedem Fall den sympathischsten Protagonisten. 

Was Teil 3 von den ersten beiden unterscheidet, ist der Humor, den Refn immer wieder mehr oder weniger dezent einsetzt. Ob es nun Milos Kochkünste sind, die alle seine Gehilfen mit Magenbeschwerden außer Gefecht setzen, Milos regelmäßige Besuche bei den anonymen Drogenabhängigen oder die witzigen Schlachthausszenen gegen Ende, wenn die zur Strecke gebrachten Gegenspieler wie Schweinehälften an die Decke gehängt und fachmännisch zerlegt werden: Pusher 3 bietet eine Menge zum Schmunzeln. Dadurch bekommt er stellenweise eine fast heitere Note, die ihn atmosphärisch von den beiden eher düsteren Vorgängern unterscheidet. Gleichbleibend hingegen ist die durchgehend hohe Qualität, die alle drei Teile auszeichnet. 

Alles in allem eine tolle Trilogie mit drei etwa gleich starken Filmen, von denen jeder - ungeachtet der unterschiedlichen Machart - seinen ganz eigenen Reiz hat.

Samstag, 18. Januar 2014

YI DAI ZONG SHI / THE GRANDMASTER (Wong Kar-Wai, 2013)

Bei den Filmen Wong Kar-Wais habe ich für gewöhnlich das Problem, dass es mir nur mit Mühe gelingt mich wachzuhalten. Mehrfach bin ich schon bei seinen Filmen eingeschlafen. Dies war bei The Grandmaster zwar nicht der Fall, doch weist auch er einige Längen auf, die es mir nicht leicht machten, die Konzentration aufrecht zu erhalten. 

Zweifellos bietet Wong schöne Bilder und hervorragend choreografierte Kampfszenen, wenn auch die Zeitlupen für meinen Geschmack etwas zu häufig zum Einsatz kommen. Die Handlung dazwischen, die Episoden aus dem Leben des Yip Man erzählt, der vor allem dadurch Berühmtheit erlangte, dass er der Lehrmeister von Bruce Lee war, wirkt beliebig und zum Teil auch zusammenhanglos. Ein roter Faden ist nicht erkennbar, und so sind es in erster Linie die narrativen Schwächen, die neben den tollen Kampfszenen in Erinnerung bleiben. Und natürlich die wie immer bezaubernde Zhang Ziyi.

Montag, 13. Januar 2014

BLEEDER (Nicolas Winding Refn, 1999)


Bleeder erzählt von ein paar Filmfreunden in Kopenhagen, die sich regelmäßig treffen, um zusammen ihrem Hobby zu frönen. Dabei greift Refn zum Teil auf das bewährte Personal aus dem Vorgängerfilm zurück. 

Im Zentrum des Films steht wieder Kim Bodnia, dieses Mal in der Rolle von Leo, der sich mit dem Gedanken anzufreunden versucht, bald Vater zu werden. Hat man anfangs den Eindruck, dass ihm das ganz gut gelingt, neigt er im weiteren Verlauf zunehmend zu Gewaltausbrüchen seiner schwangeren Freundin gegenüber. In der härtesten Szene des Films tritt er auf sie ein, während sie wehrlos am Boden liegt, und tötet dabei das Ungeborene. Auch wieder mit von der Partie ist Mads Mikkelsen. Er spielt einen völlig verklemmten Filmfreak, der ein Auge auf eine Imbiss-Angestellte geworfen hat und bei seinen Annäherungsversuchen derart unbeholfen zu Werke geht, dass man meint, ihm dabei helfen zu müssen. 

Wie schon Pusher strahlt auch Bleeder eine rohe, ungezügelte Kraft aus und lässt den Zuschauer daran teilhaben, wie das seinen Figuren innewohnende Gewaltpotential immer stärker hervortritt und in einem schockierenden Finale kulminiert. Und auf die bekloppte Idee, sich an jemandem dadurch zu rächen, dass man ihn absichtlich mit HIV infiziert, muss man erst mal kommen.

Freitag, 10. Januar 2014

BYZANTIUM (Neil Jordan, 2012)

The world will be more beautiful without you.

Knapp zwanzig Jahre nach Interview with the Vampire versucht sich Neil Jordan erneut am Genre des Blutsaugerfilms. Im Mittelpunkt stehen zwei weibliche Vampire - Mutter und Tochter - die sich auf der Suche nach Blut und einer sicheren Bleibe durchs Leben schlagen. Die notwendigen finanziellen Mittel besorgt die Mutter, indem sie sich als Prostituierte verdingt, was wiederum der Tochter missfällt. Diese mag sich auch nach 200 Jahren nicht mit ihrer Daseinsform und der daraus resultierenden Einsamkeit abfinden und verliebt sich in den an Leukämie erkrankten Frank.

Byzantium bezieht seinen Reiz in erster Linie aus dem Gegensatz zwischen der pragmatischen, auf die Gegenwart fixierten Clara und ihrer melancholischen, mit ihrer Existenz hadernden Tochter Eleanor. Das Problem der Nahrungsbeschaffung lösen beide auf ihre Weise: während Eleanor ausschließlich Menschen am Ende ihres Lebens tötet, sie wie ein Todesengel - teils sogar mit deren Einverständnis - erlöst, trachtet Clara bevorzugt Kriminellen oder zumindest moralisch verkommenen Subjekten nach dem Leben. Auch der eigentliche Tötungsakt geht ganz entgegen der "üblichen" Praxis vonstatten; statt Reißzähnen wird der spitze Fingernagel benutzt, um dem Opfer die todbringende Wunde zuzufügen. In den Mittelpunkt der Erzählung stellt Jordan Eleanors Einsamkeit, ihre Sehnsucht nach Liebe oder wenigstens vollwertiger Gesellschaft. Sie führt ein Leben im Verborgenen, immer auf der Flucht, in schicksalhafter Gemeinschaft mit ihrer Mutter verbunden. Am Ende schließlich gelingt ihr die Emanzipation, der Abschluss eines langwierigen Abnabelungsprozesses.

Jordan erzählt die Geschichte in ruhigen Bildern und verlässt sich ganz auf die Strahlkraft seiner beiden Hauptdarstellerinnen. Insbesondere die erst achtzehnjährige Saoirse Ronan liefert eine hervorragende Leistung ab. Der Spanier Javier Navarrete, dessen Arbeit mich schon bei del Toros El laberinto del fauno begeistern konnte, sorgt für die passende musikalische Untermalung, die die melancholische Grundstimmung wunderbar unterstreicht.

Donnerstag, 9. Januar 2014

AND THEN THERE WERE NONE (René Clair, 1945)

Never trust a man who doesn't drink.

Als Jugendlicher hatte ich eine große Vorliebe für Kriminalgeschichten. Ich las damals alles, was ich davon in die Finger bekommen konnte, am liebsten jedoch die Bücher von Edgar Wallace und Agatha Christie. Mein absoluter Favorit war seinerzeit Agatha Christies Zehn kleine Negerlein, das ich erst vor wenigen Wochen nochmal gelesen habe. Und damals wie heute gilt: müsste ich eine Liste mit den besten mir bekannten Kriminalgeschichten machen, Zehn kleine Negerlein stünde ganz oben auf der Liste.

And then there were none - unter diesem Titel wurde der Roman auch seinerzeit in den USA veröffentlicht - ist die erste filmische Umsetzung des Stoffes, wobei es sich leider nicht um eine Verfilmung des Buches handelt, sondern um eine Adaption des gleichnamigen Bühnenstücks, das Christie 1943 geschrieben hat. Ich schreibe "leider", weil das Ende für die Bühne stark verändert wurde und bei weitem nicht an das des Buches herankommt. Doch auch davon abgesehen kann Clairs Film nicht völlig überzeugen. Die darstellerischen Leistungen schwanken zwischen bescheiden und durchschnittlich, vor allem aber fehlt es an einer bedrohlichen Atmosphäre. Man hat nie das Gefühl, dass die Akteure ihr Leben tatsächlich akut bedroht sehen, auch wenn einer nach dem anderen dahingerafft wird. Lustig sind auch die Namensänderungen, die man bei den Charakteren vorgenommen hat. Auch wenn sie letztlich bedeutungslos sind, will sich mir der Sinn nicht erschließen. 

Unter dem Strich ist Clair zwar ein recht spaßiger und unterhaltsamer Film gelungen, richtig überzeugen kann er aber nicht. Und im direkten Vergleich mit dem meisterhaften Roman wirkt er geradezu kümmerlich.  

Mittwoch, 8. Januar 2014

LONG MEN FEI JIA / FLYING SWORDS OF DRAGON GATE (Tsui Hark, 2011)

Nett gemachter Wuxia-Streifen mit ziemlich wirrer Story und extrem schlecht synchronisiertem "O-Ton". Die Dialoge der Mandarin-Tonspur klingen derart beschissen, dass ich nach wenigen Minuten auf die deutsche Synchro ausgewichen bin, die wenigstens einen Ansatz von Räumlichkeit vermittelt. Dem Vernehmen nach handelt es sich um eine Fortsetzung des Films New Dragon Gate Inn aus dem Jahr 1992, den ich nicht kenne. Die Kampfszenen sind gut choreografiert und hübsch anzuschauen, doch ist Flying Swords of Dragon Gate ganz gewiss kein Film, der längere Zeit im Gedächtnis bleibt. Leidlich unterhaltsam und nett anzuschauen ist er dennoch.

Montag, 6. Januar 2014

MAGNOLIA (Paul Thomas Anderson, 1999)

Now that I've met you, would you object to never seeing me again?

Groß angelegter Ensemblefilm, der verschiedene, zunächst voneinander unabhängige Geschichten erzählt, die sich am Ende teilweise kreuzen. Ich habe Magnolia vor vielen Jahren schonmal gesehen und fand ihn damals etwas langatmig. Dieses Mal hat er mir deutlich besser gefallen, zu keiner Zeit kam so etwas wie Langeweile auf - der stattlichen Spieldauer von mehr als drei Stunden zum Trotz. Zentrale Themen des Films sind die nicht abgeschlossene Aufarbeitung der Vergangenheit und das Versagen von Männern in ihrer Vaterrolle, das gleich in mehreren Varianten unterschiedlicher Schwere durchgespielt wird. Wobei insbesondere das Vater-Sohn-Verhältnis ohnehin ein immer wiederkehrendes Thema bei P.T.A. ist. 

Auffällig ist die Liebe zum Detail, die Magnolia zu einem Film macht, bei dem es ungeheuer viel zu entdecken gibt. So viel, dass eine Sichtung dafür gar nicht ausreicht. Die Darstellerleistungen sind durchweg hervorragend, selbst Tom Cruise kann überzeugen. Lediglich Julianne Moore fällt durch eine schwache Leistung aus dem Rahmen, sieht dafür aber wenigstens adrett aus.

 

Sonntag, 5. Januar 2014

FEAR X (Nicolas Winding Refn, 2003)

I am not a murderer.

Fear X war Refns erster Versuch, im amerikanischen Filmgeschäft Fuß zu fassen. Dieser ging gründlich schief und bescherte dem dänischen Regisseur vor allem eines: einen Haufen Schulden. Dabei ist der Film alles andere als schlecht und hat mit John Turturro zudem einen erstklassigen Hauptdarsteller zu bieten. 

Inszenatorisch erinnert Fear X an Refns aktuelle Werke und wirkt wie ein früher Versuch, den inzwischen mit Inbrunst zelebrierten Stil zu etablieren. Die Handlung reduziert sich auf die Besessenheit des Protagonisten, den Mörder seiner Frau zu finden oder genauer, den Grund herauszubekommen, warum sie getötet wurde. Die Lynch-Anleihen sind auch hier deutlich zu spüren, u. a. in den düsteren Aufnahmen langer Flure und Hotelzimmer. Hervorragend gelungen ist das Sound-Design, das durch unheilvoll wabernde oder brummende Geräusche eine bedrohliche Atmosphäre schafft. Auch der Schluss gefällt und lässt Interpretationen in mehrere Richtungen zu. 

Insgesamt trotz einiger Längen im Mittelteil ein durchaus stimmiger und sehenswerter Film, der aber nicht an die Klasse der aktuellen Arbeiten des Regisseurs heranreicht.

Samstag, 4. Januar 2014

BRONSON (Nicolas Winding Refn, 2008)

You shouldn't mess with boys that are bigger than you.

Bronson erzählt kleinere Episoden aus dem Leben des "most violent prisoner in Britain", die sich wohl größtenteils so ähnlich hinter britischen Gefängnismauern abgespielt haben. Ganz sicher kann man sich da nicht sein, denn abgesehen von der erzählerischen Freiheit des Filmemachers ist die objektive Richtigkeit des Gezeigten auch schon deshalb zweifelhaft, weil sämtliche Szenen aus der Sicht des Gefangenen gezeigt werden, so dass unklar bleibt, ob sich diese so zugetragen haben oder ob Bronson, der mit bürgerlichem Namen Michael Gordon Peterson heißt, diese Szenen aus seiner subjektiven Perspektive so wahrgenommen hat (in Bezug auf die Person im Film natürlich). Nun hätten vermutlich die meisten Regisseure, so sie einen Film über Bronson gemacht hätten, versucht, Erklärungen für sein Verhalten zu liefern und ihn damit für den Zuschauer ein Stück weit sympathisch zu machen. Nicht so Refn: sein Bronson ist ein durch und durch asoziales Subjekt, unfähig sich in einem normalen Umfeld außerhalb des Gefängnisses zu bewegen, nur an körperlicher Konfrontation interessiert. Zwischen ihm und dem Zuschauer bleibt immer eine Distanz, die es nahezu unmöglich macht, so etwas wie Sympathie oder Verständnis für ihn aufzubringen. Im Gegenteil: man genießt es geradezu, wenn er von den Gefängniswärtern ordentlich auf die Fresse kriegt. 
 
Das Erstaunliche dabei ist, dass Bronson dennoch ein äußerst spannender und sehr kurzweiliger Film geworden ist, bei dessen Sichtung die Zeit wie im Flug vergeht. Die Erzählweise ist größtenteils chronologisch, doch gibt es immer wieder Szenen, bei denen die zeitliche Einordnung nicht ganz klar ist. Interessant sind auch die immer wieder eingestreuten Auftritte Bronsons auf einer Showbühne vor imaginärem Publikum, in denen er seine Sicht der Dinge im Stile eines Theaterschauspielers schildert. Ich habe diese Exkurse als Ausgeburt seiner Phantasie interpretiert, beispielsweise Gedanken, wie sie einem abends vor dem Einschlafen durch den Kopf gehen. Gleichzeitig weisen sie natürlich auch auf die starken kreativen Fähigkeiten Bronsons hin, die im letzten Teil des Films in den Mittelpunkt rücken, als er beginnt, sich künstlerisch zu betätigen. 
 
Ein besonderes Lob gebührt dem Hauptdarsteller Tom Hardy, der vollkommen in seiner Rolle aufgeht und eine Performance hinlegt, die am besten mit dem Wort "animalisch" zu beschreiben ist.

Mittwoch, 1. Januar 2014

ONLY GOD FORGIVES (Nicolas Winding Refn, 2013)

And how many cocks can you entertain with that cute little cum dumpster of yours?

Only God forgives ist nun der fünfte Refn-Film, den ich gesehen habe. Während der Sichtung fiel mir auf, wie stark sich Refns drei letzte Filme (God, Drive, Valhalla) inhaltlich und stilistisch von den Pusher-Filmen unterscheiden. Stand dort noch eine stimmungsvolle Millieu-Studie mit sorgsam ausgearbeiteten Charakteren, sind es nunmehr die betörend schönen Bilder artifizieller Sets und hypnotischen Bilderfolgen, untermalt von atmosphärischen Klängen, die im Vordergrund stehen. Eine Handlung wird nur noch in Ansätzen skizziert, gesprochen wird wenig, Identifikationsfiguren oder gar Helden gibt es keine (wobei Drive beim letzten Punkt etwas aus dem Rahmen fällt). Wie schon die beiden Vorgänger wirkt Only God forgives wie eine Aneinanderreihung ausdrucksstarker Bilder, wie der (gelungene) Versuch, Stimmungen in kunstvoll ausgeleuchteten Bildern festzuhalten. 

Refn hat seine Vision von Bangkok, die er dem Zuschauer nahebringen will. Dass diese nicht viel mit der Realität zu tun hat, stört ihn wenig. Die vielen Aufnahmen von langen Fluren oder durch Türrahmen hindurch – meist streng symmetrisch ausgerichtet – erinnerten mich an Lynch, die konsequente Abarbeitung des Schuld-und-Sühne-Themas findet sich häufig in ähnlicher Weise beim Südkoreaner Kim Ki-duk. Interessant ist vor allem die Figur des Polizeichefs Chang: trotz seiner archaischen Vorstellungen von gerechter Strafe und obwohl er seine Opfer mit erkennbar sadistischer Freude ihrem Schicksal zuführt, tut er im Grunde genommen nichts moralisch Verwerfliches, da er lediglich die bestraft, die ihrerseits Böses getan haben. Einen derjenigen, die ihn töten wollten, lässt er sogar ungeschoren davonkommen, nachdem er merkt, dass er einen behinderten Jungen hat, der ohne ihn niemanden hätte, der für ihn sorgt. 

Am Ende sind alle Bösen bestraft und Chang kann in Ruhe sein Liedchen trällern.