Sonntag, 5. Januar 2014

BRONSON (Nicolas Winding Refn, 2008)

You shouldn't mess with boys that are bigger than you.

Bronson erzählt kleinere Episoden aus dem Leben des "most violent prisoner in Britain", die sich wohl größtenteils so ähnlich hinter britischen Gefängnismauern abgespielt haben. Ganz sicher kann man sich da nicht sein, denn abgesehen von der erzählerischen Freiheit des Filmemachers ist die objektive Richtigkeit des Gezeigten auch schon deshalb zweifelhaft, weil sämtliche Szenen aus der Sicht des Gefangenen gezeigt werden, so dass unklar bleibt, ob sich diese so zugetragen haben oder ob Bronson, der mit bürgerlichem Namen Michael Gordon Peterson heißt, diese Szenen aus seiner subjektiven Perspektive so wahrgenommen hat (in Bezug auf die Person im Film natürlich). Nun hätten vermutlich die meisten Regisseure, so sie einen Film über Bronson gemacht hätten, versucht, Erklärungen für sein Verhalten zu liefern und ihn damit für den Zuschauer ein Stück weit sympathisch zu machen. Nicht so Refn: sein Bronson ist ein durch und durch asoziales Subjekt, unfähig sich in einem normalen Umfeld außerhalb des Gefängnisses zu bewegen, nur an körperlicher Konfrontation interessiert. Zwischen ihm und dem Zuschauer bleibt immer eine Distanz, die es nahezu unmöglich macht, so etwas wie Sympathie oder Verständnis für ihn aufzubringen. Im Gegenteil: man genießt es geradezu, wenn er von den Gefängniswärtern ordentlich auf die Fresse kriegt. 
 
Das Erstaunliche dabei ist, dass Bronson dennoch ein äußerst spannender und sehr kurzweiliger Film geworden ist, bei dessen Sichtung die Zeit wie im Flug vergeht. Die Erzählweise ist größtenteils chronologisch, doch gibt es immer wieder Szenen, bei denen die zeitliche Einordnung nicht ganz klar ist. Interessant sind auch die immer wieder eingestreuten Auftritte Bronsons auf einer Showbühne vor imaginärem Publikum, in denen er seine Sicht der Dinge im Stile eines Theaterschauspielers schildert. Ich habe diese Exkurse als Ausgeburt seiner Phantasie interpretiert, beispielsweise Gedanken, wie sie einem abends vor dem Einschlafen durch den Kopf gehen. Gleichzeitig weisen sie natürlich auch auf die starken kreativen Fähigkeiten Bronsons hin, die im letzten Teil des Films in den Mittelpunkt rücken, als er beginnt, sich künstlerisch zu betätigen. 
 
Ein besonderes Lob gebührt dem Hauptdarsteller Tom Hardy, der vollkommen in seiner Rolle aufgeht und eine Performance hinlegt, die am besten mit dem Wort "animalisch" zu beschreiben ist.

Mittwoch, 1. Januar 2014

ONLY GOD FORGIVES (Nicolas Winding Refn, 2013)

And how many cocks can you entertain with that cute little cum dumpster of yours?

Only God forgives ist nun der fünfte Refn-Film, den ich gesehen habe. Während der Sichtung fiel mir auf, wie stark sich Refns drei letzte Filme (God, Drive, Valhalla) inhaltlich und stilistisch von den Pusher-Filmen unterscheiden. Stand dort noch eine stimmungsvolle Millieu-Studie mit sorgsam ausgearbeiteten Charakteren, sind es nunmehr die betörend schönen Bilder artifizieller Sets und hypnotischen Bilderfolgen, untermalt von atmosphärischen Klängen, die im Vordergrund stehen. Eine Handlung wird nur noch in Ansätzen skizziert, gesprochen wird wenig, Identifikationsfiguren oder gar Helden gibt es keine (wobei Drive beim letzten Punkt etwas aus dem Rahmen fällt). Wie schon die beiden Vorgänger wirkt Only God forgives wie eine Aneinanderreihung ausdrucksstarker Bilder, wie der (gelungene) Versuch, Stimmungen in kunstvoll ausgeleuchteten Bildern festzuhalten. 

Refn hat seine Vision von Bangkok, die er dem Zuschauer nahebringen will. Dass diese nicht viel mit der Realität zu tun hat, stört ihn wenig. Die vielen Aufnahmen von langen Fluren oder durch Türrahmen hindurch – meist streng symmetrisch ausgerichtet – erinnerten mich an Lynch, die konsequente Abarbeitung des Schuld-und-Sühne-Themas findet sich häufig in ähnlicher Weise beim Südkoreaner Kim Ki-duk. Interessant ist vor allem die Figur des Polizeichefs Chang: trotz seiner archaischen Vorstellungen von gerechter Strafe und obwohl er seine Opfer mit erkennbar sadistischer Freude ihrem Schicksal zuführt, tut er im Grunde genommen nichts moralisch Verwerfliches, da er lediglich die bestraft, die ihrerseits Böses getan haben. Einen derjenigen, die ihn töten wollten, lässt er sogar ungeschoren davonkommen, nachdem er merkt, dass er einen behinderten Jungen hat, der ohne ihn niemanden hätte, der für ihn sorgt. 

Am Ende sind alle Bösen bestraft und Chang kann in Ruhe sein Liedchen trällern.