Sonntag, 31. August 2025

MS .45 (Abel Ferrara, 1981)

There's no sense being shy with a face like that.

Die stumme Näherin Thana wird innerhalb kürzester Zeit zweimal vergewaltigt. Den zweiten Täter tötet sie in Notwehr und erbeutet dabei seine 45er Magnum. Statt sich an die Polizei zu wenden, zerstückelt sie die Leiche und entsorgt die Stücke nach und nach in öffentlichen Mülltonnen. Nachts zieht sie mit der Knarre los und erschießt wahllos irgendwelche Männer, die in irgendeiner Art und Weise ihr Missfallen erregen.

Ferraras zweiter Spielfilm - lässt man den 76er Porno 9 Lives of a Wet Pussy mal außen vor - ist ein dreckiger, kleiner Thriller, der sich am treffendsten mit dem Wort sleazy beschreiben lässt. Wenn man will, kann man die Protagonistin als eine Art weibliche Antwort auf Travis Bickle in Scorseses Taxi Driver interpretieren. Ferrara zeigt New York von seiner häßlichen Seite: dunkle Seitengassen, dreckige Hinterhöfe, Junkies, Zuhälter und Nutten. Und auch wenn der Film Anfang 1981 veröffentlicht wurde, atmet er klar den Geist der 70er - und er sieht auch so aus, als sei er in den 70ern entstanden. 

Zoë Lund, die zwar nicht sonderlich attraktiv war, die männerhassende Vigilantin hier aber sehr überzeugend verkörpert, war leider keine große Karriere beschieden. Bereits im Alter von 37 Jahren fiel sie ihrer anhaltenden Drogensucht zum Opfer. 

Ms .45 ist ein kurzweiliger, schmieriger Film, der sich selbst nicht zu ernst nimmt und mir ziemlich gut gefallen hat. Visuell bietet er wenig Erbauliches, aber unterhaltsam ist er allemal. Und ein Happy-End gibt es nach vielen Toten schließlich auch: in der letzten Szene kehrt der totgeblaubte und ausgesprochen niedliche Hund Phil wohlbehalten zu seiner Besitzerin zurück. 

Dienstag, 26. August 2025

STRANGE DARLING (JT Mollner, 2023)

Are you a serial killer?

Eine junge Frau rennt blutverschmiert durch ein Feld. Ihr auf den Fersen ist ein mit einem Gewehr bewaffneter Mann, der zu allem entschlossen zu sein scheint. Wie es dazu kommt und wie die Hatz weitergeht, erfährt der Zuschauer im Laufe der folgenden 90 Minuten, wobei die Handlung in sechs Kapitel und einen Epilog unterteilt ist, die in nicht chronologischer Reihenfolge erzählt werden.

Bereits zu Beginn verdichten sich die Hinweise, dass es sich bei Mollner um einen Tarantino-Jünger handelt. Die albern anmutende Einblendung, dass der Film komplett in 35 mm geschossen wurde - wobei die Tatsache als solche natürlich zu begrüßen ist, wirkt ebenso wie eine Verbeugung vor dem Mann aus Tennessee wie die nichtlineare Erzählweise und die Einblendung von Kapitelnamen - Pulp Fiction lässt grüßen. Da passt es gut, dass der Film von Miramax produziert wurde. Mollner gibt sich große Mühe, den Zuschauer an der Nase herumzuführen. Das gelingt ihm auch ziemlich gut, denn in Strange Darling ist nichts so, wie es zunächst scheint.

Und obwohl das alles sehr konstruiert ist und eine an sich simple Story durch die gewählte Erzählweise weitaus komplexer und größer erscheint als sie tatsächlich ist, geht das Konzept auf. Ein klassischer Fall von Style over Substance, der aber nicht zuletzt aufgrund der überragenden Kamera-Arbeit funktioniert. Stylische Bilder, ein dramatischer, dissonanter Score, der immer im passenden Moment einsetzt, die dynamische Inszenierung, das geschickte Spiel mit dem klassischen Rollenverständnis und die daraus resultierenden Plottwists sowie zwei starke Hauptdarsteller sorgen für ein spannendes und äußerst kurzweiliges Sehvergnügen. Und Barbara Hershey, die in einer Nebenrolle zu sehen ist, sieht mit ihren zur Drehzeit 75 Jahren immer noch toll aus.

Montag, 25. August 2025

DAY OF THE WOMAN (Meir Zarchi, 1978)

He's cooling off, all right. At the bottom of the river.

Nach dem abstoßenden Remake hatte ich zunächst wenig Lust, mir das Original anzuschauen. Letztlich siegte aber die Neugierde. Und erwartungsgemäß ist Day of the Woman zwar alles andere als ein perfekter Film, aber um Längen besser als sein Remake, wobei das Niveau desselben auch nur schwer zu unterbieten ist.

Bezüglich der Verwirrung um den Filmtitel ist zu sagen, dass der Film ursprünglich unter dem (meiner Meinung nach) durchaus stimmigen Titel Day of the Woman veröffentlicht und vorwiegend in Drive-In Kinos gezeigt wurde. 1980 erfolgte eine Wiederveröffentlichung durch einen Filmverleih, der darauf bestand, den Originaltitel durch den ebenso reißerischen wie unpassenden Titel I spit on your Grave zu ersetzen. Beim Remake wurde dann diese Bezeichnung übernommen.

Zarchis Ansatz für die Umsetzung der Story ist ein überaus minimalistischer. Der Film wurde mit wenig Aufwand produziert und hat nicht einmal einen Score, was der auch so schon beklemmenden Atmosphäre zugute kommt. Die Gegend um das abgelegene Haus an einem Flussarm irgendwo in Connecticut bildet die perfekte Kulisse und zugleich Gelegenheit für einige atemberaubend schöne Landschaftsaufnahmen. 

Im krassen Gegensatz dazu steht die extrem realistische Darstellung von Jennifers Vergewaltigung durch die vier Einheimischen, die ich in dieser Länge - die gesamte Szene dauert etwa 30 Minuten - und detaillierten Ausmalung wahrlich nicht gebraucht hätte. Harter Tobak, zumal ich nicht sicher bin, ob Zarchis Motive dafür nicht nur dem Zweck verpflichtet, sondern womöglich auch voyeuristischer Natur waren. Wie auch immer: die Szene zeigt die Geschehnisse in einer so direkten und drastischen Form, wie ich das noch bei keinem anderen Film gesehen habe. Allerdings vermittelt sie dem Zuschauer dadurch auch ein sehr gutes Gefühl für die Perspektive des Opfers. Und eine Vergewaltigung ist nun mal eine extrem widerwärtige Sache - da beißt die Maus keinen Faden ab. Interessanterweise nimmt die Vergewaltigung sogar mehr Raum ein als die späteren Rachemorde, deren Inszenierung im direkten Vergleich beinahe dezent daherkommt. Das zumindest macht deutlich, dass der Fokus hier klar auf der Opferperspektive liegt. Beim Remake ist es genau umgekehrt. Unbedingt zu loben ist an dieser Stelle die äußerst intensive darstellerische Leistung Camille Keatons, die die in höchstem Maß fordernde Rolle mit Bravour meistert.  

Day of the Woman ist ein zutiefst beklemmender Film, dessen Sichtung durchaus eine gewisse Herausforderung darstellt. Hinzu kommen allerdings noch einige inhaltliche Ungereimtheiten sowie inszenatorische Schwächen, die den Filmgenuss zusätzlich erschweren. Zarchi hat kein Gespür für Timing. Viele Szenen wirken unnötig in die Länge gezogen. Während dies bei der Vergewaltigung noch nachvollziehbar ist, weil dies das extreme Leiden des Opfers besser greifbar macht, wünscht man sich bei vielen anderen Szenen ein etwas zügigeres Tempo oder zumindest eine dynamischere Schnittfolge. Dennoch ein absolut sehenswerter Film, der das Thema mit einem ebenso reduzierten wie realistischen Ansatz aufgreift.

Samstag, 23. August 2025

I SPIT ON YOUR GRAVE (Steven R. Monroe, 2010)

Ein ekelerregender, abscheulicher Film, dessen Sichtung ich hier nur erwähne, um der Chronistenpflicht Genüge zu tun. Jedes weitere Wort wäre zuviel.

Sonntag, 17. August 2025

COOL HAND LUKE (Stuart Rosenberg, 1967)

What we've got here is failure to communicate.

Mir ist durchaus bewusst, dass Rosenbergs Film im Allgemeinen als einer der Wegbereiter des New Hollywood angesehen wird. Auch die Tatsache, dass die von mir sehr geschätzte Plattform Rotten Tomatoes eine Bewertung von 100 % ausweist, spricht für die Qualität desselben. Und doch wurde ich mit Cool Hand Luke nicht warm. Dies ist nicht zuletzt der trägen Erzählweise geschuldet, die keinerlei Dynamik vermittelt. Die ohnehin nicht sonderlich interessante Story schleppt sich über weite Strecken müde dahin. 

Abgesehen davon wirkt die Figur des durch Paul Newman verkörperten Luke wenig glaubwürdig. Insbesondere seine Motivation, plötzlich aus dem Gefängnis auszubrechen, nachdem er sich dort mit den Begebenheiten gut arrangiert und den Respekt seiner Mitgefangenen erworben hat, bleibt unklar. Begründet wird dies mit der von ihm als ungerecht empfundenen Behandlung nach dem Tod seiner Mutter. Die Gefängnisleitung lässt ihn präventiv einige Tage in Isolationshaft sperren, da der Tod von nahen Angehörigen üblicherweise ein Auslöser für einen Fluchtversuch ist. Paradoxerweise bewirkt man damit bei Luke genau das Gegenteil und motiviert ihn dadurch ungewollt zu seinem ersten Fluchtversuch, der natürlich scheitert.

Positiv zu erwähnen ist in jedem Fall die tolle Kamera-Arbeit von Conrad Lee Hall, die die flimmernde Hitze der Südstaaten-Szenerie wunderbar einfängt und durch technische Spielereien wie die wiederholt verwendeten Spiegelungen in der Sonnenbrille eines Aufsehers das Auge des Zuschauers erfreut. Und für mich ziemlich überraschend erschloss sich mir dann auch die Herkunft des berühmten Zitats, das die Rockband Guns N' Roses beim Intro ihres Songs Civil War verwendet hat: Es handelt sich um die Ansprache des Gefängnisdirektors, nachdem der entlaufene Luke wieder dingfest gemacht wurde. 

Samstag, 16. August 2025

REVENGE (Coralie Fargeat, 2017)

Ok, they fucked up big time, but you're so damn beautiful. It's hard to resist you.

Die junge Jennifer fliegt mit ihrem wohlhabenden Liebhaber Richard zu einem luxuriösen Anwesen am Rande der Wüste. Das romantische Treiben der beiden wird gestört durch Richards Kumpels Stan und Dimitri, die zwei Tage später zum einem geplanten Jagdausflug eintreffen sollten, aber verfrüht angereist sind. Nach einem gemeinsamen abendlichen Gelage mit viel Alkohol nutzt Stan am nächsten Morgen Richards vorübergehende Abwesenheit, um Jennifer zu vergewaltigen, nachdem seine Verführungsversuche zuvor gescheitert waren. Doch Richard reagiert nach seiner Rückkehr anders als erwartet auf den Vorfall und spricht Jennifer mit oben stehendem Zitat quasi eine Mitschuld zu. Als sie sein Angebot, ihr in Kanada ein neues Leben zu finanzieren, ablehnt, und damit droht, seiner Frau von ihrer Beziehung zu erzählen, eskaliert die Situation und Richard stößt Jennifer eine steile Klippe hinunter, wobei sie im Fallen von einem Baumstumpf aufgespießt wird. Im Glauben, Jennifer sei tot, kehren die drei Männer zum Haus zurück, um Ausrüstung zu holen für die Beseitigung der Leiche. Doch Jennifer erweist sich als zäher als gedacht...

Rape-and-Revenge-Thriller gibt es so einige und nicht zuletzt der Name der Protagonistin deutet darauf hin, dass Meir Zarchis Day of the Woman, den ich leider noch nicht kenne, hier Pate stand. Revenge ist das Spielfilm-Debut der französischen Regisseurin Coralie Fargeat, die auch das Drehbuch geschrieben hat und zuletzt mit The Substance, den ich ebenfalls noch nicht kenne, für Aufsehen sorgte. Die Tatsache, dass bei Revenge eine Frau Regie führte, ist vor allem angesichts des extremen Gewaltlevels und der äußerst splattrigen Umsetzung bemerkenswert. Im weiteren Verlauf spritzt das Kunstblut gleich literweise, denn die arme Jennifer kennt natürlich nur noch ein Ziel, das mit dem Filmtitel schon verraten wird. Die Reduzierung der Handlung auf nur vier Personen (sieht man von dem kurzen Auftritt des Hubschrauberpiloten zu Beginn ab) verleiht dem Film trotz der weiten Wüstenlandschaften etwas kammerspielartiges. Weitaus bemerkenswerter sind aber die visuellen Stilmittel, mit denen die Pariserin arbeitet. Dazu zählen u. a. extreme Nahaufnahmen, wie z. B. die Ameise, die verzweifelt versucht, Jennifers Bluttropfen zu entkommen oder die Spinne, die im Strahl von Stans Pisse ertränkt wird. Ganz zu schweigen von den quälend langen Nahaufnahmen verletzter Körperteile oder klaffender Wunden, die zartbesaitete Zuschauer auf eine harte Probe stellen. Revenge ist nichts für schwache Nerven, soviel ist sicher.

Sehr schön sind auch die Halluzinationen der Protagonistin umgesetzt, nachdem sie die Drogen genommen hat, um ihre Schmerzen zu betäuben und ihre Wunde zu versorgen. Dabei verpasst sie sich im Drogenrausch ein Branding der besonderen Art, indem sie eine aufgeschnittene Bierdose erhitzt und sich auf die klaffende Wunde presst. Fortan läuft sie mit dem eingebrannten Schriftzug des Bierherstellers samt darunter abgebildetem Phönix auf ihrem Bauch durch die Gegend - Rambo würde vor Neid erblassen.

Matilda Lutz in der Hauptrolle verzückt nicht nur mit einem perfekten Äußeren wie ihrem wunderschönen Gesicht, dem bezaubernden Lächeln und der makellosen Figur. Diese Vorzüge setzt Fargeat dann auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit in Szene. Die Kamera weidet sich geradezu an Jennifers körperlichen Reizen, wie ein geifernder Spanner, der sein Objekt der Begierde begafft. Darüber hinaus bietet Lutz auch eine famose schauspielerische Leistung und trägt den Film souverän auf ihren zarten Schultern und sieht dabei auch mit ihren zahlreichen Verletzungen immer gut aus. Selbst die Aufnahmen von ihr, wenn sie mit weggeschossenem Ohrläppchen blutüberströmt mit dem Gewehr im Anschlag auf ihre Gegner lauert, strahlen eine nicht zu leugnende Anmut aus.

Coralie Fargeat ist mit Revenge ein formidabler Rachethriller mit extrem hohem Gore-Gehalt gelungen, der ganz ausgezeichnet unterhält, sich bei allen Metzeleien aber selbst nicht zu ernst nimmt. Ein sehr beachtliches Debut, dessen Sichtung mir großes Vergnügen bereitet hat.

Donnerstag, 14. August 2025

JURASSIC WORLD: REBIRTH (Gareth Edwards, 2025)

I don't make any money in that scenario.

Den Höhepunkt hatte die Jurassic Park/Jurassic World-Reihe bereits vor 22 Jahren, nämlich 1993 mit Spielbergs Jurassic Park, den ich damals sogar als Vorpremiere im örtlichen Kino gesehen habe. Alle nachfolgenden Filme waren mehr oder weniger jeweils nur ein Abklatsch des Originals. Und nicht nur die Qualität der Filme wurde schlechter, sondern die Handlung wurde auch immer blöder. Zumindest in dieser Disziplin setzt Jurassic World: Rebirth neue Bestmarken, denn was man sich hier für einen Schwachsinn zusammengereimt hat, um einen Grund zu finden, zwei Gruppen von Menschen auf einer Insel mit frei lebenden Dinosauriern auszusetzen, spottet jeder Beschreibung. Umso erstaunlicher, dass Routinier David Koepp für das Drehbuch verantwortlich zeichnete, der nicht nur bei den beiden ersten Filmen der Reihe seine Finger im Spiel hatte, sondern darüber hinaus im Laufe seiner Karriere zumeist solide bis gute Arbeit abgeliefert hat. Schwer zu erklären, was ihn hier geritten hat.

Mir persönlich ist das relativ egal, denn als jemand, der bereits seit seiner frühesten Kindheit von Dinosauriern und anderen prähistorischen Tieren fasziniert ist, reicht es mir, diese Kreaturen leinwandfüllend dargeboten zu bekommen. Das Drumherum ist mir dabei nicht so wichtig, und so hatte ich auch mit dem neuesten Film der Reihe meinen Spaß. Mit Scarlett Johansson gibt es eine starke und charismatische Hauptdarstellerin und auch Mahershala Ali als ihr Söldnerkumpan weiß zu gefallen. 

Die Effekte hingegen können nicht immer überzeugen. Einige Saurier sehen richtig gut aus, aber in einigen Szenen sieht man ihnen die digitale Herkunft doch deutlich an. Immerhin gibt es eine Reihe interessanter neuer Saurier, zum Teil auch Mutationen, wobei der D-Rex eine frappierende Ähnlichkeit zum Rancor aus dem Star-Wars-Universum aufweist. Die Inszenierung ist nach einem verhaltenen Beginn sehr dynamisch und hält das Tempo durchweg hoch, was einen über so manche Ungereimtheit großzügig hinwegblicken lässt. 

Unter dem Strich macht Jurassic World: Rebirth durchaus Spaß und ist auch besser als seine beiden Vorgänger. Ein richtig guter Film ist er trotzdem nicht, aber das ist einem Dino-Fan wie mir egal. Zwei Stunden äußerst kurzweilige Unterhaltung bietet er allemal und mehr hatte ich auch nicht erwartet.

Montag, 4. August 2025

DER HAUPTMANN (Robert Schwentke, 2017)

Dem Ungeziefer muss Zucht und Ordnung beigebracht werden.

Der desertierte Gefreite Herold findet auf der Flucht vor der Feldgendarmerie kurz vor Ende des 2. Weltkriegs in einem verlassenen Militärfahrzeug die Uniform eines Hauptmanns. Fortan gibt er sich als Hauptmann Herold aus und sammelt nach und nach versprengte Soldaten ein, die sich im bereitwillig anschließen. Schließlich erreicht er mit seiner "Kampfgruppe Herold" das völlig überfüllte Emslandlager II, das vorwiegend Deserteure und Plünderer beherbergt. Hier freundet er sich schnell mit dem Kommandeur des Wachpersonals an und beginnt mit ihm gemeinsam gegen den Willen des Lagerleiters standrechtliche Erschießungen der Gefangenen.

So absurd die Geschichte auch anmutet, basiert sie doch in ihren Grundzügen auf wahren Begebenheiten. Schwentke entschloss sich aus stilistischen Gründen, dies in düsteren Schwarzweiß-Bildern umzusetzen. Doch trotz der interessanten Ausgangslage konnte mich Der Hauptmann nicht überzeugen. Darstellerisch gibt es wenig zu beanstanden. Max Hubacher in der Hauptrolle macht seine Sache ordentlich und sieht darüber hinaus dem echten Willi Herold sehr ähnlich. Die Grundstimmung ist ausgesprochen düster. Die Hoffnunglosigkeit der Menschen nach sechs Jahren Krieg ist mit den Händen zu greifen und die Auflösungserscheinungen der deutschen Truppe setzen der Moral der treu ergebenen Soldaten merklich zu. Positiv zu erwähnen ist auch unbedingt der dissonante Score von Martin Todsharow, der vielfach mit verzerrten Soundeffekten spielt und einen erheblichen Anteil an der defätistischen Grundstimmung des Films hat.

Und doch konnte mich das Geschehen nur bedingt fesseln. Der Anfang ist noch vielversprechend. Herold erkennt schnell, dass die Uniform in Verbindung mit einem äußerst forschen Auftreten ihm alle Möglichkeiten bietet und er auch noch so kritische Situationen vergleichsweise einfach meistern kann. Mit zunehmender Spieldauer treten jedoch die inszenatorischen Schwächen immer deutlicher zu Tage. Man hat das Gefühl, dass Schwentke sich gar nicht für den Menschen Willi Herold interessiert. Obwohl er die zentrale Figur ist, bleibt sein Profil bis zum Ende blass und seine Wandlung vom Fahnenflüchtigen zum sadistischen Massenmörder ist für den Zuschauer kaum nachvollziehbar. Zumindest ging es mir so. Zudem liegt über allem auch ein komödiantischer Unterton. Und wenn Herold von seinem ausgedachten Sondereinsatz und "Vollmacht von ganz oben" schwadroniert, liegt ein Hauch von Stromberg in der Luft.

Erschwerend hinzu kommt, dass es der Handlung auch an Spannung fehlt. Das Geschehen schleppt sich über weite Strecken mühsam dahin und man muss diverse Tanz- und Gesangseinlagen sowie völlig unnötige Diskussionen (beispielsweise das hypothetische Lügenspiel mit den beiden Schauspielern im Rahmen des von Herold organisierten bunten Abends) über sich ergehen lassen. Der Film dauert gerade mal zwei Stunden, fühlt sich aber an wie mindestens drei. Völlig unpassend auch die Blende gegen Ende, wenn Schwentke ein paar aktuelle Farbaufnahmen des Feldes einblendet, an dem das Lager damals stand, um anschließend wieder in Schwarzweiß-Bilder zu wechseln. Und das völlig bescheuerte Ende, in dem Herolds Truppe durch das heutige Görlitz marodiert und unschuldige Passanten beraubt, ist an Albernheit nur schwer zu überbieten. 

Ganz so schlecht, wie sich das jetzt liest, ist Der Hauptmann nicht. Der Film hat durchaus seine Qualitäten, doch hätte ein besserer Regisseur aus der Thematik einen deutlich besseren Film gemacht. So bleibt viel verschenktes Potential und ein Film mit einer guten ersten und einer langweiligen zweiten Stunde. Entbehrlich.