Sonntag, 16. November 2025

THE SUBSTANCE (Coralie Fargeat, 2024)

Gross, old, fat, disgusting!

Fargeats zweiter Spielfilm ist eine bitterböse Satire über das Altern bzw. den Umgang damit, gespickt mit einigen Horror-Elementen. Dass ausgerechnet die für ihre zahllosen und ihr dabei nicht immer zum Vorteil gereichenden Schönheitsoperationen bekannte Demi Moore die Rolle der in die Jahre gekommenen Schauspielerin und Aerobic-Trainerin Elisabeth Sparkle spielt, ist ebenso passend wie witzig. Immerhin stellt sie damit ihre Fähigkeit zur Selbstironie unter Beweis. Davon abgesehen macht sie ihre Sache auch sehr ordentlich, ebenso wie ein glänzend aufgelegter Denniy Quaid, dessen Figur man den Namen "Harvey" verpasst hat. Ein Schelm, wer dabei an den ehemaligen Miramax-Boss denkt. Da kann Margaret Qualley in der Rolle der Sue, der jüngeren Version Elisabeths, nicht ganz mithalten, wirkt sie doch etwas farblos und spröde. Auch in Sachen Attraktivität läuft ihr die 32 Jahre ältere Demi Moore den Rang ab.

Fargeats bereits aus ihrem Debut bekanntes Faible für ungewöhnliche Kamera-Einstellungen, extreme Close-Ups und die häufige Verwendung des Fischaugenobjektivs kommt auch hier zum Tragen und verleiht The Substance eine eigenwillige Optik. Sehr schön gelungen ist auch die Eröffnungssequenz, in der das Altern und der verblassende Ruhm der Protagonistin durch den Stern auf dem Hollywood Walk of Fame symbolisiert wird, der im Laufe der Jahre Risse bekommt, um dann am Ende unter einer Ladung Müll begraben zu werden.

The Substance ist bisweilen sehr komisch, selbst in den Szenen, in denen die Horror-Elemente überwiegen. Eine Voraussetzung für den unbeschwerten Genuss des Films ist es aber, das Hirn vorher abzuschalten, denn die Handlung strotzt nur so vor Ungereimtheiten und Logikfehlern. Dennoch ist das Ganze sehr kurzweilig und unterhaltsam, wenn auch insgesamt deutlich zu lang geraten. Dass Fargeat, die auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnete, das richtige Gefühl für Pacing fehlt, wurde schon bei ihrem Debut in Ansätzen deutlich, fiel dort aber kaum ins Gewicht. Hier lässt sich diese Schwäche nicht kaschieren. Zudem gehen in der letzten halben Stunde die Pferde mit ihr durch. Der Film mündet schließlich in eine Body-Horror-Show à la David Cronenberg, was mir überhaupt nicht zugesagt hat, aber das ist sicher Geschmackssache. Jedenfalls hätte The Substance eine deutliche Kürzung gut getan. Revenge hat mir eine ganze Ecke besser gefallen. 

Freitag, 14. November 2025

BUGONIA (Giorgos Lanthimos, 2025)

99.9% of what's called activism is really personal exhibitionism and brand maintenance in disguise.

Meine erste Begegnung mit dem griechischen Regisseur und - soviel seit vorgenommen - sie macht Lust auf mehr.

Der Verschwörungstheoretiker Teddy entführt zusammen mit seinem geistig etwas zurückgebliebenen Cousin Don Michelle Fuller, die CEO eines großen Pharmakonzerns in dem Glauben, sie sei ein Alien und Teil eines Plans der Außerirdischen, die Menschheit auszulöschen. Um zu verhindern, dass sie mit den anderen Aliens kommuniziert, rasiert er ihr die Haare ab, denn seiner Auffassung nach nutzen die Aliens diese zur Kommunikation. Zwischen Teddy und Michelle entwickelt sich im weiteren Verlauf ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel, in dem die in Menschenführung und Psychologie geschulte CEO versucht, ihren etwas einfältigen Entführer mit diversen Methoden dazu zu bewegen sie freizulassen. Doch dieser erweist sich als zäher als von ihr erwartet und ist in seiner ganz eigenen Logik gefangen.

Bugonia ist ein bisweilen komisches, überwiegend spannendes, vor allem aber auch recht bizarres Kammerspiel, das vor allem von der groß aufspielenden Emma Stone und dem absolut brillanten Jesse Plemons dominiert wird. Nicht zu übersehen ist die deutliche sozialkritische Note, die Lanthimos dem Ganzen verpasst, sei es die zunehmende Zerstörung der Umwelt durch den Menschen oder das skrupellose Streben der Pharma-Industrie nach Gewinnmaximierung.

Der Score von Jerskin Fendrix, mit dem Lanthimos bereits mehrfach zusammengearbeitet hat, klingt zunächst scheinbar unpassend bombastisch und plakativ, andererseits passt dies hervorragend zum eigenartigen visuellen Stil des Regisseurs, der sich u. a. im ungewöhnlichen Bildformat (1,5 : 1) oder auch der häufigen Verwendung des Fischaugenobjektivs zeigt. Das Ende kam dann - zumindest für mich - doch ziemlich überraschend und rundet den Film auf gelungene Weise ab.

Bugonia ist ein in jeder Hinsicht außergewöhnlicher Film, der mich ziemlich beeindruckt hat, und war mit Sicherheit nicht meine letzte Begegnung mit dem griechischen Regisseur. 

Donnerstag, 13. November 2025

GRÄNS (Ali Abbasi, 2018)

Gräns, der international unter dem Titel Border vermarktet wird, ist ein ziemlich verstörender Film über die Außenseiterin Tina mit deformiertem Gesicht. Sie verfügt über die außergewöhnliche Fähigkeit, bei anderen Menschen Gefühle wie Angst und Nervosität zu riechen. Folgerichtig arbeitet sie für den schwedischen Zoll. U. a. aufgrund ihres missgebildeten Gesichts ist sie überwiegend alleine und fühlt sich nirgendwo zugehörig. Eines Tages lernt sie den ebenfalls deformierten Vore kennen und erfährt schließlich von ihm die Ursache für ihre körperlichen Eigenheiten und übernatürlichen Fähigkeiten. Doch das Glück darüber, endlich einen Gleichgesinnten gefunden zu haben, ist nicht von langer Dauer, offenbart sich ihr neuer Freund schnell als zutiefst böser und von Hass getriebener Charakter. 

David Lynchs Elephant Man kommt einem bei der Sichtung unweigerlich in den Sinn, doch wählt der Iraner Abbasi einen völlig anderen Ansatz. Gräns ist ein ebenso bizarrer wie trauriger Film und stellt eine Protagonistin in den Mittelpunkt, die außerhalb der menschlichen Gesellschaft steht. Dabei verarbeitet er auch mythische Elemente. Trotz einiger unheimlicher Szenen ist Gräns kein Horrorfilm, sondern in erster Linie eine Reflexion über Einsamkeit und das Ausgestoßensein aus der Gesellschaft.

Montag, 10. November 2025

LE SALAIRE DE LA PEUR (Henri-Georges Clouzot, 1953)

Ich hatte Le Salaire de la Peur vor vielen Jahren mal im Fernsehen gesehen, konnte ihn aber aufgrund der grauenhaften deutschen Synchro nur bedingt genießen. Nun endlich folgte die Sichtung im Original. Clouzot nimmt sich viel Zeit für die Einführung der Charaktere, die aus den verschiedensten Gründen in dem Kaff Las Piedras, irgendwo in Südamerika, gestrandet sind und verleiht ihnen dadurch genügend Kontur, um dem Zuschauer die spätere Identifikation mit ihnen zu ermöglichen. Punkten kann er mit den guten Darstellern sowie einem sich stetig steigernden Spannungsbogen, der den Zuschauer trotz der stattlichen Spieldauer bis zum Schluss nicht mehr loslässt. Leider ist das Ende dann doch etwas albern geraten, wenn der überlebende Fahrer nach erfolgreicher Mission im Überschwang der Gefühle Schlangenlinien auf der engen Gebirgsstraße fährt. Ich hatte den Eindruck, dass es Clouzot hier vor allem um die Umsetzung der Idee ging, die Fahrt des LKW mit dem Walzer-Rhythmus in Einklang zu bringen. Leider fällt das Ergebnis in die Kategorie "gewollt und nicht gekonnt" und passt auch überhaupt nicht zum Bild, das man sich während der vorangegangenen gut zwei Stunden vom überlebenden Fahrer, dessen Name hier nicht verraten werden soll, gemacht hat.  

Im direkten Vergleich mit der kürzlich gesichteten Umsetzung des zugrundeliegenden Romans von Friedkin fällt auf, dass obwohl auch bei Clouzot die Grundstimmung durchaus düster und pessimistisch geprägt ist, diese jedoch bei weitem nicht an Friedkins nihilistischen Ansatz heranreicht und die herausragende Atmosphäre ist es dann auch, die Friedkins Sorcerer zum klar besseren Film macht. U. a. lässt sich das gut an der Interaktion der Charaktere untereinander festmachen. Während die Fahrer bei Clouzot durchaus respektvoll bis freundlich miteinander umgehen und als Team agieren, sind sie bei Friedkin allesamt egoistische Einzelkämpfer, deren ausschließliches Interesse in der Erfüllung des Auftrags liegt. Das ändert natürlich nichts daran, dass Le Salaire de la Peur ein großartiger Film ist, der auch heute noch uneingeschränkt begeistern kann.