Dienstag, 31. Dezember 2019

ANNA (Luc Besson, 2019)

Bitch! 

Sehr stylisch inszenierter Action-Reißer, der mit seinen ständigen Rückblenden anfangs etwas verwirrt. Der Aufbau folgt dem immer gleichen Muster: irgendetwas geschieht, das erklärungsbedürftig ist oder zumindest von Besson dafür gehalten wird, dann folgt eine Rückblende, die die Erklärung dazu liefert oder auch einfach nur eine Vorgeschichte erzählt. Dieses Stilmittel hilft dabei, die eigentlich sehr geradlinige Geschichte nach mehr aussehen zu lassen als sie tatsächlich ist. Dies funktioniert dann aber erstaunlich gut und trägt dazu bei, die Spannung über die gesamten 120 Minuten hoch zu halten. 

Die Hauptdarstellerin Sasha Luss war mir bis dato völlig unbekannt (Valerian habe ich noch nicht gesehen), sieht aber ganz nett aus und meistert auch die – natürlich völlig überzogenen – Kampfsequenzen ganz ordentlich. Ihre sehr begrenzte Mimik verleiht ihr etwas Unnahbares und ist womöglich ihren ebensolchen schauspielerischen Fähigkeiten geschuldet. Zugleich gibt dies aber ihrer Figur auch eine Verletzlichkeit, die in krassem Gegensatz zur eiskalten Ausführung ihrer Mordaufträge steht, und sie umso interessanter macht. Der eigentliche Star des Films ist aber ohne Zweifel Helen Mirren, die ich anfangs gar nicht erkannt habe, als mit allen Wassern gewaschen ranghohe KGB-Offizierin, die nach anfänglicher Ablehnung im Laufe der Zeit fast so etwas wie Muttergefühle für die junge Agentin zu entwickeln scheint.

Vielmehr gibt es über Anna nicht zu sagen. Ein typischer Luc-Besson-Film eben mit jeder Menge Action, rasantem Schnitt, makelloser Inszenierung, hohem Bodycount, ein paar mehr oder weniger überraschenden Wendungen und einer attraktiven Dame in der Hauptrolle. Ähnliches hat man schon oft gesehen, macht aber trotzdem immer wieder Spaß. Kurzweilige Unterhaltung allemal.

Montag, 30. Dezember 2019

HUSTLERS (Lorene Scafaria, 2019)

Angeblich basierend auf einer wahren Begebenheit, erzählt Hustlers die Geschichte von vier Stripperinnen, die Männer mit einem selbst gemixten Drogencocktail außer Gefecht setzen, um dann ihre Kreditkarte zu plündern. Geschaut habe ich den Film in erster Linie wegen JLo, die dann auch der eigentliche Star des Films ist, auch wenn Constance Wu nominell die Hauptrolle spielt. Lopez dominiert mit Leichtigkeit alle Szenen, in denen sie auftaucht, was jedoch weniger ihren schauspielerischen Fähigkeiten als vielmehr ihrer Aura und der raumverdrängenden Präsenz zuzuschreiben ist. Und trotz ihrer mittlerweile 50 Lenze sieht sie dabei noch verdammt gut aus.  

Hustlers bedient jedes gängige Klischee. Schon alleine die Besetzung des weiblichen Quartetts mit einer Latina (Lopez), einer Asiatin (Wu), einer Schwarzen (Palmer) sowie einer blonden Weißen (Reinhard) zeigt, wo der Hase langläuft. Für die Opfer-Perspektive interessiert sich der Film überhaupt nicht. Die Männer bleiben austauschbare, reiche, meist verheiratete Statisten, die den Raub letztlich hinnehmen, sei es aus Scham, Mangel an Beweisen oder schlicht Angst vor der Ehefrau. Eine Ausnahme bildet lediglich einer der letzten Kunden, der so viel Geld verloren hat, dass er nicht mehr in der Lage ist, das Darlehen für sein Haus zu zahlen und seinen Sohn zu versorgen. Er appelliert jedoch erfolglos an die Gnade der profitgeilen Damen.

Erzählerisch scheint sich Scafaria an Martin Scorsese zu orientieren, natürlich ohne dessen Klasse auch nur im Ansatz zu erreichen. Dennoch erinnert Hustlers von Struktur und Aufbau an Filme wie Casino oder Goodfellas, auch wenn Scafaria erkennbar in erster Linie auf optische Reize setzt. Muss ja auch nicht das Schlechteste sein. Gefällig in jedem Fall die leichtfüßige Inszenierung, die einem hilft, gnädig über die zahlreichen Logiklöcher und die eindimensionalen Charaktere hinwegzusehen. Unter dem Strich ein biederes Gute-Laune-Filmchen, das außer einer Vielzahl von attraktiven Darstellerinnen und einer mitreißenden Performance von JLo nicht viel zu bieten hat. Trotzdem ganz nett anzuschauen.

Montag, 23. Dezember 2019

ONCE UPON A TIME IN... HOLLYWOOD (Quentin Tarantino, 2019)

Want me to suck your cock while driving?

Bereits mit dem tollen The hateful Eight zeigte sich Tarantino zurück in alter Form, nachdem die drei Vorgänger doch etwas hinter seinen ersten vier Filmen zurückgeblieben waren. Und viel Zeit bleibt ihm ja auch nicht mehr. Wenn er seine Ankündigung wahr macht, nach zehn Filmen aufzuhören, dann war Once upon a Time in... Hollywood seine vorletzte Arbeit. Umso erfreulicher, dass er qualitativ da weiter macht, wo er mit seinem Western-Kammerspiel aufgehört hat. 

Stilistisch erinnert Tarantinos neuester Film an Pulp Fiction und Jackie Brown. An den Erstgenannten wegen der episodenhaften Erzählweise und der beiläufig dahinplätschernden Handlung, die keinem richtigen Ziel zu folgen scheint. Und auch hier steht ein grandios aufspielendes Darsteller-Duo im Mittelpunkt. Anstelle zweier Profikiller darf man hier den abgehalfterten Serienstar Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) begleiten, der seine besten Tage hinter sich hat, und seinen Stuntman, Freund und Mann für alles, Cliff Booth (Brad Pitt), der an den Filmsets auch deswegen eine gewisse Achtung genießt, weil er damit ungestraft davon kam, seine Frau getötet zu haben. Von Jackie Brown – für mich nach wie vor Tarantinos Bester – hat Once upon a Time in... Hollywood die ungeheure Coolness, die die Sichtung trotz der stattlichen Laufzeit zu einem großen Vergnügen macht. Als Zuschauer könnte man stundenlang mit Booth durch das L.A. des Jahres 1969 fahren, vorbei an unzähligen Filmplakaten und Kinos und sich an den überwiegend attraktiven umher lungernden Manson-Girls erfreuen oder Dalton bei seinen Dreharbeiten und den Alkohol getränkten Selbstmitleidsausbrüchen zuschauen. Und wenn Jackie Brown Tarantinos Liebeserklärung an den Blaxploitation-Film ist, dann begleitet Once… den Niedergang des traditionellen Hollywood. Verkörpert wird dies nicht zuletzt durch seine beiden Protagonisten, die ebenfalls auf dem absteigenden Ast sind, während im Nachbarhaus Roman Polanski mit seiner Frau Sharon Tate einzieht, die wiederum für das neue Hollywood stehen.

Im Vorfeld war zu lesen, dass der Film den brutalen Mord der Manson-Family an Sharon Tate thematisieren würde. Dies tut er irgendwie auch, aber obwohl die wiederholten Datums- und Uhrzeit-Einblendungen eine gewisse Dramatik vorgaukeln, spielt die Figur der von Margot Robbie bezaubernd dargestellten Sharon Tate nur eine Nebenrolle. Sie taucht immer mal wieder auf, sagt belanglose Sachen, tut belanglose Dinge und hat ihre längste und beste Szene, wenn sie ihren eigenen Film in einem Kino anschaut, was Tarantino wiederum die Gelegenheit bietet, Robbies nackte Füße ausführlich in Großaufnahme zu zeigen. Ihre Unbedarftheit und fröhliche Unbekümmertheit, die sie nicht nur in der Szene im Kino an den Tag legt, hinterlassen insbesondere deswegen ein flaues Gefühl, weil man ja weiß, welch grausames Schicksal sie wenig später ereilen sollte.

Doch nicht so bei Tarantino: der märchenhafte Charakter des Films wird ja schon im Titel angedeutet, und so schreibt Tarantino die Geschichte einfach um, wie er dies zuvor schon bei Inglourious Basterds getan hattte. Er rettet Tate genau dadurch, dass er sie von der zentralen Figur zur Nebenfigur degradiert. Die Manson-Jünger dringen dann auch folgerichtig entgegen ihrem Auftrag nicht in das Tate/Polanski-Haus ein, sondern in das Nachbarhaus, in dem der völlig zugedröhnte Dalton im Pool mit Kopfhörern Musik hört und sein ebenso derangierter Kumpel gerade seinen Hund füttert. Ob sie das mit Absicht machen oder ob es sich um ein Versehen handelt, bleibt offen. In jedem Fall hat dies für die verhinderte Mörderbande äußerst drastische Konsequenzen und kulminiert in einem mitreißenden und extrem blutigen Finale.

Wie bereits erwähnt ist Once upon a Time in... Hollywood eine zutiefst entspannte Angelegenheit. Die Liebe zum Detail und die große Verehrung, die Tarantino dem Kino entgegenbringt, springt dem Zuschauer aus jedem einzelnen Bild entgegen. Sets, Kostüme und Musik lassen einen eintauchen in diese faszinierende Zeit des Umbruchs und man verspürt schnell den Wunsch, noch länger in dieser Welt verweilen zu können. Meinetwegen hätte der Film noch eine Stunde länger dauern können. Die Handlung mäandert meist wenig zielführend umher, aber angesichts des grandiosen Settings nimmt man das kaum wahr. Die zahlreichen Verweise und Filmzitate, die man bei einer Sichtung wahrscheinlich gar nicht alle erfassen kann – grandios übrigens die Szene, in der sich Dalton vorstellt, er hätte McQueens Rolle bei The great Escape erhalten und dies durch digitale Nachbearbeitung der Originalsequenzen untermauert wird – und die geschickte Einbindung realer Personen in fiktive Szenen ergeben in Kombination mit den witzigen Dialogen eine faszinierende Mischung aus Fiktion und Wahrheit, der man sich als Filmliebhaber einfach nicht entziehen kann.

Und nicht zuletzt ist ein Tarantino-Film auch irgendwie immer wie ein Familientreffen. Neben den Hauptdarstellern gibt es viele bekannte Gesichter aus seinen vorherigen Filmen, die zum Teil nur kurz zu sehen sind (Michael Madsen, Bruce Dern, Kurt Russell, Zoë Bell, etc.). Und am Ende, wenn schon der Abspann läuft, ist DiCaprio tatsächlich noch beim Dreh eines Werbespots für Red-Apple-Zigaretten zu sehen. Ein ganz wunderbarer Film.