Donnerstag, 21. Februar 2019

GI-EOK-UI BAM / FORGOTTEN (Jang Hang-jun, 2017)

Der Zwanzigjährige Jin-seok zieht mit seiner Familie, zu der neben seinen Eltern auch sein älterer und von ihm bewunderter Bruder Yoo-seok gehört, in ein neues Haus. Weil in einem Raum des Hauses noch vorübergehend Sachen des Vorbesitzers gelagert sind, müssen die beiden Brüder sich ein Zimmer teilen. Während eines nächtlichen Ausflugs wird Yoo-seok von mehreren Männern in einen schwarzen Van gezerrt und kehrt erst 19 Tage später zu seiner Familie zurück. An das was in diesen 19 Tagen geschehen ist, hat er keine Erinnerung. Jin.seok merkt mit der Zeit, dass sein Bruder verändert ist und nicht mehr der Mensch zu sein scheint, der er vor seiner Entführung war.

Forgotten ist bereits der 6. Kinofilm des südkoreanischen Regisseurs Jang Hang-jun, der sich u. a. auch bereits mehrfach als Darsteller und Drehbuch-Autor betätigt hat. Ich kenne keiner seiner vorherigen Filme, und auch die Darsteller in Forgotten sind mir allesamt unbekannt. In jedem Fall versteht Jang es sehr geschickt, eine unheilvolle, dichte Atmosphäre aufzubauen, die den Zuschauer sofort in ihren Bann zieht. Von dem Raum mit den Sachen des Vorbesitzers geht eine nicht greifbare Bedrohung aus, die sich in merkwürdigen Geräuschen, die jedoch nur Jin-seok wahrzunehmen scheint, und flüchtigen Schatten unter der verschlossenen Tür äußert. Deutlich realer erscheint hingegen die Gefahr, die von seinem Bruder ausgeht. Zumindest legt dieser seit seiner Rückkehr ein eigenartiges Verhalten an den Tag, dass sich Jin-seok nicht erklären kann. Doch damit nicht genug, wird er auch noch von furchtbaren Alpträumen gequält, deren Sinn ihm verborgen bleibt.

Was wie ein klassischer Horrorfilm beginnt, wandelt sich alsbald zu einem äußerst spannenden Psycho-Thriller, der nicht nur mit dem Protagonisten, sondern auch mit dem Zuschauer ganz gehörig Katz-und-Maus spielt. Die mit hohem Tempo erzählte originelle Story mit ihren zahlreichen Wendungen, die so nicht vorhersehbar sind, lässt die Spannungskurve immer weiter ansteigen, unterstützt durch eine dynamische Inszenierung, die sich auf das Wesentliche konzentriert. Einen erheblichen Anteil daran haben auch die guten Darsteller, wobei insbesondere Kang Ha-neul in der Rolle des jungen Studenten überzeugt, dessen Leben immer mehr aus den Fugen gerät. Bei kritischer Betrachtungsweise lässt sich zwar auch die ein oder andere inhaltliche Ungereimtheit erkennen, aber angesichts der sonstigen Qualitäten kann man leicht darüber hinwegsehen. Und wenn man schon meint, der Film sei zu Ende, setzt Jang mit einer kleinen Schluss-Sequenz noch eine schöne finale Pointe. Korea-Kino vom Feinsten!

Mittwoch, 20. Februar 2019

JOHN WICK (Chad Stahelski und David Leitch, 2014)

Der Trailer hatte mir seinerzeit wenig bis keinen Anreiz geboten, John Wick einer Sichtung zu unterziehen, auch wenn ich Rachefilme eigentlich ganz gerne mag. Beflügelt durch die positiven Erfahrungen mit mehreren Genre-Vertretern in den letzten Wochen und nicht zuletzt aufgrund der hartnäckigen Fürsprache eines Kollegen ließ ich mich mit mehrjähriger Verspätung dann doch dazu hinreißen. Dabei zeigte sich dann relativ schnell, dass meine anfängliche Skepsis nicht ganz unbegründet war. Zwar wird hier fraglos viel Action geboten, die auch technisch durchaus gekonnt in Szene gesetzt ist, doch fiel es mir über die gesamte Spielzeit schwer, eine Beziehung zu den handelnden Personen, zumindest aber zum Protagonisten aufzubauen. Der Hund tat mir leid, aber ansonsten ließ mich das Geschehen weitgehend kalt, was vorwiegend auf die zwar stylische, aber stets kühle und distanzierte Inszenierung zurückzuführen ist. Hinzu kommt die oberflächliche Charakterzeichnung, die keinerlei echtes Interesse an den Figuren vermitteln kann. In Kombination mit dem absurd hohen Bodycount fühlt sich John Wick eher wie ein Computerspiel an. Leitchs Debut Atomic Blonde weist übrigens zum Teil ähnliche Schwächen auf, wobei diese dort jedoch weniger ins Gewicht fallen. Auch die im Film gezeichnete Gangsterwelt mit dem zentralen Treffpunkt des Continental-Hotels wirkt von Beginn an unwirklich und vermittelt das Gefühl, nicht in der realen Welt verortet zu sein.

Die zahlreichen stilistischen Parallelen und Ähnlichkeiten zu The Matrix sind sicher kein Zufall, denn bekanntlich agierten die beiden Regisseure in jenem als Stuntdoubles für Keanu Reeves, der hier nun John Wick verkörpert. Dabei ist The Matrix aber ein weitaus besserer Film, denn das Innovative und Bahnbrechende, was jenen auszeichnete, geht John Wick ebenso ab wie eine philosophische Fragen aufwerfende Story. Schlimmer noch: die Geschichte, die John Wick erzählt, hat bei nüchterner Betrachtung weder Hand noch Fuß und weist zahlreiche Ungereimtheiten auf. Aufgrund des hohen Tempos und der durchgehend ordentlichen Darstellerleistungen ist der ganze Unsinn dann aber doch leidlich unterhaltsam. Ich habe mich jedenfalls nicht gelangweilt, aber einen nachhaltigen Eindruck konnte John Wick nicht hinterlassen, auch weil ich schlichtweg nicht emotional gepackt wurde. Das Wort „seelenlos“ beschreibt den Film, glaube ich, am treffendsten.