Bereits mit dem tollen The hateful Eight zeigte sich Tarantino zurück in alter Form, nachdem die drei Vorgänger doch etwas hinter seinen ersten vier Filmen zurückgeblieben waren. Und viel Zeit bleibt ihm ja auch nicht mehr. Wenn er seine Ankündigung wahr macht, nach zehn Filmen aufzuhören, dann war Once upon a Time in... Hollywood seine vorletzte Arbeit. Umso erfreulicher, dass er qualitativ da weiter macht, wo er mit seinem Western-Kammerspiel aufgehört hat.
Stilistisch erinnert Tarantinos neuester Film an Pulp Fiction und Jackie Brown. An den Erstgenannten wegen der episodenhaften Erzählweise und der beiläufig dahinplätschernden Handlung, die keinem richtigen Ziel zu folgen scheint. Und auch hier steht ein grandios aufspielendes Darsteller-Duo im Mittelpunkt. Anstelle zweier Profikiller darf man hier den abgehalfterten Serienstar Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) begleiten, der seine besten Tage hinter sich hat, und seinen Stuntman, Freund und Mann für alles, Cliff Booth (Brad Pitt), der an den Filmsets auch deswegen eine gewisse Achtung genießt, weil er damit ungestraft davon kam, seine Frau getötet zu haben. Von Jackie Brown – für mich nach wie vor Tarantinos Bester – hat Once upon a Time in... Hollywood die ungeheure Coolness, die die Sichtung trotz der stattlichen Laufzeit zu einem großen Vergnügen macht. Als Zuschauer könnte man stundenlang mit Booth durch das L.A. des Jahres 1969 fahren, vorbei an unzähligen Filmplakaten und Kinos und sich an den überwiegend attraktiven umher lungernden Manson-Girls erfreuen oder Dalton bei seinen Dreharbeiten und den Alkohol getränkten Selbstmitleidsausbrüchen zuschauen. Und wenn Jackie Brown Tarantinos Liebeserklärung an den Blaxploitation-Film ist, dann begleitet Once… den Niedergang des traditionellen Hollywood. Verkörpert wird dies nicht zuletzt durch seine beiden Protagonisten, die ebenfalls auf dem absteigenden Ast sind, während im Nachbarhaus Roman Polanski mit seiner Frau Sharon Tate einzieht, die wiederum für das neue Hollywood stehen.
Im Vorfeld war zu lesen, dass der Film den brutalen Mord der Manson-Family an Sharon Tate thematisieren würde. Dies tut er irgendwie auch, aber obwohl die wiederholten Datums- und Uhrzeit-Einblendungen eine gewisse Dramatik vorgaukeln, spielt die Figur der von Margot Robbie bezaubernd dargestellten Sharon Tate nur eine Nebenrolle. Sie taucht immer mal wieder auf, sagt belanglose Sachen, tut belanglose Dinge und hat ihre längste und beste Szene, wenn sie ihren eigenen Film in einem Kino anschaut, was Tarantino wiederum die Gelegenheit bietet, Robbies nackte Füße ausführlich in Großaufnahme zu zeigen. Ihre Unbedarftheit und fröhliche Unbekümmertheit, die sie nicht nur in der Szene im Kino an den Tag legt, hinterlassen insbesondere deswegen ein flaues Gefühl, weil man ja weiß, welch grausames Schicksal sie wenig später ereilen sollte.
Doch nicht so bei Tarantino: der märchenhafte Charakter des Films wird ja schon im Titel angedeutet, und so schreibt Tarantino die Geschichte einfach um, wie er dies zuvor schon bei Inglourious Basterds getan hattte. Er rettet Tate genau dadurch, dass er sie von der zentralen Figur zur Nebenfigur degradiert. Die Manson-Jünger dringen dann auch folgerichtig entgegen ihrem Auftrag nicht in das Tate/Polanski-Haus ein, sondern in das Nachbarhaus, in dem der völlig zugedröhnte Dalton im Pool mit Kopfhörern Musik hört und sein ebenso derangierter Kumpel gerade seinen Hund füttert. Ob sie das mit Absicht machen oder ob es sich um ein Versehen handelt, bleibt offen. In jedem Fall hat dies für die verhinderte Mörderbande äußerst drastische Konsequenzen und kulminiert in einem mitreißenden und extrem blutigen Finale.
Wie bereits erwähnt ist Once upon a Time in... Hollywood eine zutiefst entspannte Angelegenheit. Die Liebe zum Detail und die große Verehrung, die Tarantino dem Kino entgegenbringt, springt dem Zuschauer aus jedem einzelnen Bild entgegen. Sets, Kostüme und Musik lassen einen eintauchen in diese faszinierende Zeit des Umbruchs und man verspürt schnell den Wunsch, noch länger in dieser Welt verweilen zu können. Meinetwegen hätte der Film noch eine Stunde länger dauern können. Die Handlung mäandert meist wenig zielführend umher, aber angesichts des grandiosen Settings nimmt man das kaum wahr. Die zahlreichen Verweise und Filmzitate, die man bei einer Sichtung wahrscheinlich gar nicht alle erfassen kann – grandios übrigens die Szene, in der sich Dalton vorstellt, er hätte McQueens Rolle bei The great Escape erhalten und dies durch digitale Nachbearbeitung der Originalsequenzen untermauert wird – und die geschickte Einbindung realer Personen in fiktive Szenen ergeben in Kombination mit den witzigen Dialogen eine faszinierende Mischung aus Fiktion und Wahrheit, der man sich als Filmliebhaber einfach nicht entziehen kann.
Und nicht zuletzt ist ein Tarantino-Film auch irgendwie immer wie ein Familientreffen. Neben den Hauptdarstellern gibt es viele bekannte Gesichter aus seinen vorherigen Filmen, die zum Teil nur kurz zu sehen sind (Michael Madsen, Bruce Dern, Kurt Russell, Zoë Bell, etc.). Und am Ende, wenn schon der Abspann läuft, ist DiCaprio tatsächlich noch beim Dreh eines Werbespots für Red-Apple-Zigaretten zu sehen. Ein ganz wunderbarer Film.
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