Die erste Frage, die man sich stellt, wenn der Abspann läuft, ist die, warum der Film Lincoln heißt. Weitaus treffender wäre The Thirteenth Amendment
gewesen, denn während der zweieinhalb Stunden geht es praktisch
ausschließlich um diesen Verfassungszusatz, der die Sklaverei
abschaffte, respektive die letztlich erfolgreichen Versuche der Helfer
des Präsidenten, die dafür notwendige 2/3-Mehrheit im Repräsentantenhaus
zu organisieren. Die Person des Präsidenten wird dabei zum Helden
stilisiert, der die Sklaverei überwand. Dass er aber auch einer der
größten Spalter unter den amerikanischen Präsidenten war und das Land in
einen blutigen Bürgerkrieg mit 600.000 Toten führte, wird dabei
geflissentlich unterschlagen. Ein typischer Fall von
Geschichtsschreibung à la Hollywood.
Bedingt durch die erwähnte Reduzierung der Handlung auf den an sich
unspektakulären Prozess der Mehrheitsfindung, der natürlich nach den
gängigen Hollywood-Formeln aufgepeppt bzw. künstlich dramatisiert wurde,
ist Lincoln sehr dialoglastig ausgefallen. Die
Dialoge sind nicht durchgehend gelungen, was in Kombination mit dem
holprigen Drehbuch schnell zu ersten Ermüdungserscheinungen führt.
Insbesondere die erste Stunde ist richtig langweilig, ab der Hälfte der
Spielzeit wird es etwas besser.
Sets und Kostüme sind hingegen hervorragend. Auch gegen den dezenten Score von John Williams ist wenig zu sagen, der lediglich an einer Stelle ins Pathetische abdriftet. Die Atmosphäre ist durchaus stimmig, doch letztlich bleibt nur ein einziger Grund, sich Lincoln anzuschauen: Daniel Day-Lewis. Eine weitere brillante Vorstellung eines der fraglos besten Schauspieler unserer Zeit. Seine Darstellung sorgt immerhin dafür, dass Lincoln keinen völligen Schiffbruch erleidet, zumal sich auch die übrigen Darsteller keine Blöße geben. Zur Unterhaltung taugt er dennoch nur bedingt, als Geschichtsstunde versagt er völlig.
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