Sonntag, 31. August 2014

THE WOLF OF WALL STREET (Martin Scorsese, 2013)

I want you to deal with your problems by becoming rich!

Faszinierendes Porträt, das vom steilen Aufstieg und tiefen Fall eines skrupellosen Finanzhais erzählt, und eine wahrhaft phantastische Lebensgeschichte zur Vorlage hat. Auf den Altmeister ist nach wie vor Verlass. Drei Stunden lang schildert er Jordan Belfort als ebenso schillernde wie gewinnende Persönlichkeit, die es mit nur wenigen Worten schafft, praktisch jeden um den Finger zu wickeln. Nur bei den gegen ihn ermittelnden FBI-Beamten funktioniert seine Masche nicht. Leonardo DiCaprio gibt den Verführer derart überzeugend, dass ich schon nach 20 Minuten auf seiner Seite stand und bereit war, jedes Wort zu glauben, das er von sich gab. 

Dabei findet Scorsese genau die richtige Mischung zwischen detailversessener Biographie und mitreißendem Drama, variiert das Erzähltempo gefühlvoll und mit jenem feinen Gespür, dass ihn seit vielen Jahren auszeichnet. Trotz der stattlichen Spieldauer wird der Film zu keiner Zeit langweilig, andererseits hat man am Ende das Gefühl, allen wesentlichen Ereignissen beigewohnt und nichts verpasst zu haben. Für den Schnitt zeichnet wieder einmal Scorseses langjährige Weggefährtin Thelma Schoonmaker verantwortlich, mit der er seit mehr als 30 Jahren zusammenarbeitet. Erstmals hingegen griff er auf die Dienste des Kameramanns Rodrigo Prieto zurück, dessen Bilder mich schon bei Filmen wie Frida, Alexander oder zuletzt Argo begeistern konnte. 

The Wolf of Wall Street ist ein weiterer großartiger Film des italo-amerikanischen Meisterregisseurs, der ganz in der Tradition seiner epischen Gangsterfilme wie GoodFellas und Casino steht.

Mittwoch, 20. August 2014

MICHAEL KOHLHAAS (Arnaud des Pallières, 2013)

Des Pallières "freie" Interpretation der berühmten Kleist-Novelle präsentiert sich audiovisuell durchaus ansprechend, hat aber neben dem schönen Schein wenig zu bieten. Eines der zentralen Motive von Kleists Vorlage, nämlich der Übergang vom mittelalterlichen Fehde-Recht zur "modernen" Rechtssprechung des Zeitalters der Aufklärung und die daraus resultierenden unterschiedlichen Rechtsauffassungen, kommt kaum zur Geltung. Im Film wirkt Kohlhaas wie der Anführer einer Horde von Banditen, die mordend und raubend durch die Gegend ziehen, beispielsweise wenn er zwischendurch einen seiner Gefolgsleute hängen lässt, weil dieser ein Haus geplündert hat. Dafür handelt er sich dann prompt den Tadel Martin Luthers ein. Die Figur des Protagonisten ist alles andere als stimmig. In den Szenen mit seiner Frau und seiner Tochter wird er als pflichtbewusster Familienmensch dargestellt und wirkt wie eine andere Person. Gerade in diesen Szenen fällt es schwer, die Motivation für sein Handeln nachzuvollziehen. 

Die eigenwillige Inszenierung, die sich immer wieder Zeit nimmt, endlos lange auf Gesichtern oder Landschaften zu verweilen, die eigentlichen Geschehnisse jedoch oft sprunghaft erzählt und es dem Zuschauer überlässt, sich die Details auszumalen, hat durchaus ihren Reiz, auch wenn ich mir mitunter etwas mehr Dynamik gewünscht hätte. Das Resultat wirkte recht unausgegoren und mehr einem bestimmten audiovisuellen Stil verpflichtet als einer tiefgründigen Auseinandersetzung mit dem Kern der Vorlage oder auch einfach nur der Erzählung einer spannenden Geschichte. Hervorzuheben ist in jedem Fall der tolle Score, der sich sehr zurückhaltend präsentiert und vorwiegend auf die gängigen mittelalterlichen Instrumente wie Laute, Geige oder Dudelsack stützt. Viele Szenen kommen völlig ohne Musik und Dialoge aus und überlassen alleine dem ständig blasenden Wind das Feld.

Montag, 18. August 2014

INSIDE LLEWYN DAVIS (Ethan & Joel Coen, 2013)

If it was never new and it never gets old, then it's a folk song.

In ihrem neuestem Film stellen die Coen-Brüder zum wiederholten Mal ihre Vorliebe für Verlierer unter Beweis. Inside Llewyn Davis erzählt die Geschehnisse einer Woche aus dem Jahr 1961 im Leben des titelgebenden Folk-Sängers, der sich mehr schlecht als recht durch die Gegend schlägt und nur einer von vielen talentierten Musikern ist, dem der große Ruhm verwehrt blieb. Die Figur ist fiktiv, jedoch von der Biographie des realen Dave van Ronk inspiriert. 

Viele andere Regisseure hätten es sicher weitaus interessanter gefunden, einen Film über Bob Dylan zu machen, doch nicht so die Coen-Brüder. Wie die meisten ihrer Protagonisten ist auch Llewyn Davis ein durch und durch sympathischer Bursche, dem nichts gelingen will und der von einem Problem zum nächsten stolpert. Dabei setzen die Brüder auf einen herrlich feinfühligen Humor, der auch schon den Vorgänger A serious Man auszeichnete. Auch die Darsteller sind wunderbar, allen voran Oscar Isaac und natürlich John Goodman als drogenabhängiger Jazz-Musiker, der mit einem unfassbar hässlichen Toupet den Vogel abschießt. Toller Film.