Dienstag, 12. Januar 2016

JERSEY BOYS (Clint Eastwood, 2014)

Routiniert gefertigtes Biopic von der Stange ohne besondere Stärken oder Schwächen. Eastwoods Alterswerk, wenn ich es mal so nennen darf, ist ja von beachtlicher Qualität. Zwischen einigen wirklich herausragenden Filmen finden sich dabei auch regelmäßig Arbeiten, bei denen mir zuallererst das Wort "routiniert" in den Sinn kommt. Jersey Boys ist so ein Beispiel dafür. Es gibt wenig, was man dem Film vorwerfen kann. Die Inszenierung ist schnörkellos und gefällig, die Sets sind gelungen, die Atmosphäre der jeweiligen Dekaden wurde gekonnt eingefangen. Der Score besteht natürlich zu einem Großteil aus Songs der Four Seasons. Darstellerisch wird Solides geboten,  wobei Christopher Walken ein paar Akzente setzen kann.

Seine stärksten Momente hat Jersey Boys gleich zu Beginn, wenn die Anfänge der Four Seasons gezeigt werden, wobei die Band zunächst unter anderen Namen auftrat. Wie sich der Herumtreiber und Kleinganove Tommy mit Einbrüchen und Diebstählen über Wasser hält und dabei seinen jüngeren Freund Frankie, der ihn immer eine Art älterer Bruder sieht, in die Bredouille bringt - sehr zum Missfallen von dessen Eltern. Gelegentliche Knastaufenthalte gehören beinahe zum guten Tom im Viertel, wobei Frankie dank seines jugendlichen Alters und teils auch glücklicher Fügung davon verschont bleibt. Beide unterhalten zudem ein gutes Verhältnis zum örtlichen Paten Gyp, der von Christopher Walken als liebenswürdiger älterer Herr porträtiert wird und insbesondere Frankie in sein Herz geschlossen hat. Die Ereignisse werden als lose Sammlung in einer heiteren und beschwingten Stimmung erzählt, die die anfängliche Orientierungslosigkeit der jungen Männer - sowohl was die musikalische Ausrichtung als auch den eigenen Lebensentwurf angeht - trefflich einfängt. Im weiteren Verlauf zeigt sich,  dass der draufgängerische Tommy diese Phase im Grunde genommen nie hinter sich lassen konnte.

Leider kann Jersey Boys dieses Niveau nicht über die gesamte Spielzeit halten. Die weitere Entwicklung der Band wird in episodenhafter Erzählweise abgehandelt. Mit dem Älterwerden der Bandmitglieder werden auch die Probleme größer. Einige davon werden kurz angerissen und treten relativ schnell wieder in den Hintergrund. Die Auswahl wirkt willkürlich und folgt keinem klaren Muster. Selbst Frankies Ehekrise, der Trinksucht seiner Frau und der daraus und aus seiner häufigen Abwesenheit resultierenden problematischen Beziehung zu seiner Tochter Francine wird nur wenig Platz eingeräumt. Dramatischer Höhepunkt ist dann später Francines Drogentod, doch auch der wird in wenigen Szenen abgefrühstückt gemäß dem Motto: The show must go on. Diese Vorgehensweise ist sicherlich auch der beachtlichern Zeitspanne geschuldet, die der Film umfasst, von den Anfängen in den 50er Jahren bis hin zum letzten Auftritt der Band im Jahr 1990 anlässlich der Aufnahme in die Hall of Fame. Eastwood zeichnet zwar ein umfassendes Bild, doch bleiben viele interessante Details auf der Strecke. Und so ist Jersey Boys am Ende nicht mehr als ein routiniert heruntergedrehter Film, dem das emotionale Zentrum abgeht. Ich scheue die Verwendung des Begriffes "seelenlos", doch konnte ich für keinen der Protagonisten echte Empathie empfinden. Wenn Eastwood für das Projekt ein leidenschaftliches Interesse verspürt haben sollte, merkt man das dem fertigen Produkt nicht an. Vielleicht liegt es daran, dass sein Herz doch mehr für den Jazz schlägt. Sehenswert ist Jersey Boys aufgrund seiner eingangs erwähnten Qualitäten natürlich trotzdem, wie nahezu alles, was Eastwood in den letzten 45 Jahren gemacht hat.

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