Don’t feed me any more lines from Monsters Inc.! It pisses me off.
Baby Driver ist vordergründig ein „Heist-Movie“, wie es neudeutsch heißt. Im Mittelpunkt des Geschehens stehen jedoch nicht die Überfälle. Vielmehr zeichnet der britische Regisseur Edgar Wright, der sich bisher hauptsächlich mit TV-Produktionen und Komödien einen Namen gemacht hat, ein detailliertes Psychogramm des Fluchtwagenfahrers Miles, dem wegen seines jugendlichen Aussehens der Spitzname „Baby“ verpasst wurde. Aufgrund eines traumatischen Erlebnisses in seiner Kindheit leidet er unter Tinnitus, den er mit Musik zu überdecken versucht. Damals wurde er Zeuge, wie seine Eltern bei einem Autounfall starben, den er selbst verletzt überlebte. Doch während die körperlichen Narben heilten, blieben die seelischen bestehen. Sein Stiefvater, der sich nach dem Unfall um ihn gekümmert hatte, ist inzwischen selbst ein Pflegefall und muss von Miles umsorgt werden.
Hinzu kommt die Abhängigkeit von Miles‘ Auftraggeber „Doc“, in dessen Schuld er steht, und auf dessen Geheiß er gegen seinen Willen jeweils den Fluchtwagen bei den von Doc geplanten Coups fahren muss. Dabei verbindet die beiden eine Art Vater-Sohn-Verhältnis, bei dem der „Vater“ (Doc), den „Sohn“ (Miles) einerseits gnadenlos ausnutzt, indem er ihn zu den Raubüberfällen nötigt, ihm andererseits aber auch am Ende hilft zu entkommen und sich letztlich gar für ihn opfert.
Bei den Raubzügen ist Miles die Schlüsselfigur, denn während Doc die anderen Mitglieder regelmäßig tauscht, ist dieser die einzige Konstante im Team. Dabei steuert er den Wagen mit der Präzision eines Uhrwerks durch die Straßen Atlantas und löst auch die kniffligsten Situationen mit einer geradezu eleganten Lässigkeit. Erst im weiteren Verlauf wird klar, dass er nur mit Musik funktionieren kann. Musik lenkt ihn ab, lässt ihn den Tod seiner geliebten Mutter ebenso vergessen wie seinen Tinnitus. Demzufolge spielt Musik eine große Rolle im Film. Sie ist allgegenwärtig. Ob im Radio, über einen seiner zahlreichen iPods oder auf den Kassetten, die Miles aus Musik und aufgenommenen Wortfetzen selbst zusammenschneidet. Die Musik gibt im wahrsten Sinne des Wortes den Takt vor und bestimmt den Rhythmus der Bilder.
So originell dieses Konzept ist, so sehr folgt der Film letztlich doch der üblichen Dramaturgie. Während der erste Überfall noch nahezu reibungslos abläuft, geht beim zweiten schon einiges schief und beim dritten laufen die Dinge vollends aus dem Ruder. Schließlich kommt es zur großen Eskalation, wobei Wright irgendwann die Balance zu verlieren droht. Anstelle der Musik rückt immer mehr die physische Gewalt in den Vordergrund. Im finalen Showdown geht es nur noch um das nackte Überleben, und spätestens hier unterscheidet sich Baby Driver kaum mehr von einem Standard-Actionfilm, zumal auch der Realismus zunehmend auf der Strecke bleibt. Dies ist ein Stück weit bedauerlich, schmälert das Seh-Vergnügen aber nicht nachhaltig.
Baby Driver ist trotz dieses kleinen Mankos ein erfrischender Film, der über weite Strecken richtig begeistern kann. Dazu tragen neben der eleganten Inszenierung, den pointierten Dialogen und den rasanten Verfolgungsjagden nicht zuletzt die überzeugenden Darsteller bei, allen voran der wie immer brillante Kevin Spacey und der junge, mit bisher völlig unbekannte Ansel Elgort in der Hauptrolle.
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