Montag, 4. August 2025

DER HAUPTMANN (Robert Schwentke, 2017)

Dem Ungeziefer muss Zucht und Ordnung beigebracht werden.

Der desertierte Gefreite Herold findet auf der Flucht vor der Feldgendarmerie kurz vor Ende des 2. Weltkriegs in einem verlassenen Militärfahrzeug die Uniform eines Hauptmanns. Fortan gibt er sich als Hauptmann Herold aus und sammelt nach und nach versprengte Soldaten ein, die sich im bereitwillig anschließen. Schließlich erreicht er mit seiner "Kampfgruppe Herold" das völlig überfüllte Emslandlager II, das vorwiegend Deserteure und Plünderer beherbergt. Hier freundet er sich schnell mit dem Kommandeur des Wachpersonals an und beginnt mit ihm gemeinsam gegen den Willen des Lagerleiters standrechtliche Erschießungen der Gefangenen.

So absurd die Geschichte auch anmutet, basiert sie doch in ihren Grundzügen auf wahren Begebenheiten. Schwentke entschloss sich aus stilistischen Gründen, dies in düsteren Schwarzweiß-Bildern umzusetzen. Doch trotz der interessanten Ausgangslage konnte mich Der Hauptmann nicht überzeugen. Darstellerisch gibt es wenig zu beanstanden. Max Hubacher in der Hauptrolle macht seine Sache ordentlich und sieht darüber hinaus dem echten Willi Herold sehr ähnlich. Die Grundstimmung ist ausgesprochen düster. Die Hoffnunglosigkeit der Menschen nach sechs Jahren Krieg ist mit den Händen zu greifen und die Auflösungserscheinungen der deutschen Truppe setzen der Moral der treu ergebenen Soldaten merklich zu. Positiv zu erwähnen ist auch unbedingt der dissonante Score von Martin Todsharow, der vielfach mit verzerrten Soundeffekten spielt und einen erheblichen Anteil an der defätistischen Grundstimmung des Films hat.

Und doch konnte mich das Geschehen nur bedingt fesseln. Der Anfang ist noch vielversprechend. Herold erkennt schnell, dass die Uniform in Verbindung mit einem äußerst forschen Auftreten ihm alle Möglichkeiten bietet und er auch noch so kritische Situationen vergleichsweise einfach meistern kann. Mit zunehmender Spieldauer treten jedoch die inszenatorischen Schwächen immer deutlicher zu Tage. Man hat das Gefühl, dass Schwentke sich gar nicht für den Menschen Willi Herold interessiert. Obwohl er die zentrale Figur ist, bleibt sein Profil bis zum Ende blass und seine Wandlung vom Fahnenflüchtigen zum sadistischen Massenmörder ist für den Zuschauer kaum nachvollziehbar. Zumindest ging es mir so. Zudem liegt über allem auch ein komödiantischer Unterton. Und wenn Herold von seinem ausgedachten Sondereinsatz und "Vollmacht von ganz oben" schwadroniert, liegt ein Hauch von Stromberg in der Luft.

Erschwerend hinzu kommt, dass es der Handlung auch an Spannung fehlt. Das Geschehen schleppt sich über weite Strecken mühsam dahin und man muss diverse Tanz- und Gesangseinlagen sowie völlig unnötige Diskussionen (beispielsweise das hypothetische Lügenspiel mit den beiden Schauspielern im Rahmen des von Herold organisierten bunten Abends) über sich ergehen lassen. Der Film dauert gerade mal zwei Stunden, fühlt sich aber an wie mindestens drei. Völlig unpassend auch die Blende gegen Ende, wenn Schwentke ein paar aktuelle Farbaufnahmen des Feldes einblendet, an dem das Lager damals stand, um anschließend wieder in Schwarzweiß-Bilder zu wechseln. Und das völlig bescheuerte Ende, in dem Herolds Truppe durch das heutige Görlitz marodiert und unschuldige Passanten beraubt, ist an Albernheit nur schwer zu überbieten. 

Ganz so schlecht, wie sich das jetzt liest, ist Der Hauptmann nicht. Der Film hat durchaus seine Qualitäten, doch hätte ein besserer Regisseur aus der Thematik einen deutlich besseren Film gemacht. So bleibt viel verschenktes Potential und ein Film mit einer guten ersten und einer langweiligen zweiten Stunde. Entbehrlich.