I like older women.
Lou Bloom ist ein arbeitsloser junger Mann, der sich mit Diebstählen
über Wasser hält bis er eines Tages die Bekanntschaft des
Sensationsjournalisten Joe Loder macht, der seinen Lebensunterhalt damit
bestreitet, Filmaufnahmen von schweren Unfällen, Bränden und
Gewaltverbrechen an das Frühstücksfernsehen zu verkaufen. Sein Motto: If it bleeds, it leads.
Lous Versuch, ihn dazu zu bewegen, ihn einzustellen, scheitert, und so
besorgt er sich kurzerhand einen Camcorder, um seinerseits noch
detailliertere, noch blutigere, noch exklusivere – und damit wertvollere
– Aufnahmen zu produzieren.
Der Sichtung hatte ich angesichts der vielversprechenden Geschichte mit
großen Erwartungen entgegen gesehen, zumal die Kritiken einigermaßen
euphorisch ausfielen. Und doch hat das Ergebnis meine kühnsten
Erwartungen übertroffen: Nightcrawler hat mich
schlichtweg weggeblasen. Der Einstieg in die Handlung erfolgt ganz
unvermittelt, und augenblicklich entfaltet sich eine extreme Sogwirkung,
der man als Zuschauer praktisch hilflos ausgeliefert ist. Der von einem
großartigen Jake Gyllenhaal verkörperte Lou Bloom ist ein Soziopath
ersten Ranges, der sein Ziel mit einer derart unerbittlichen Konsequenz
verfolgt, dass es einem stellenweise die Sprache verschlägt. Dabei steht
ihm der Irrsinn ins Gesicht geschrieben, die Augen scheinen ständig
kurz davor zu stehen, aus den Höhlen zu treten, und doch ist er in
seinem Handeln eiskalt berechnend. Ihn zu beobachten ist abstoßend und
faszinierend zugleich, und so ist man als Zuschauer lange auf seiner
Seite. Sein Vorgehen ist ebenso dreist wie skrupellos und wird von Nacht
zu Nacht rücksichtsloser. Dabei zeigt er zunehmend Zeichen einer
Abhängigkeit und steigert sich in einen regelrechten Rausch. Wie ein
Süchtiger will er immer mehr, immer extremere Bilder, sucht den immer
größeren Kick. Die Hemmschwelle sinkt beständig, Grenzen verschwimmen,
um sich irgendwann ganz aufzulösen. Er wird vom Beobachter zum
Beteiligten und schließlich zum Täter. Wie er am Schluss seinen Partner
abserviert, lässt einem das Blut in den Adern gefrieren.
Den ganzen Wahnsinn fängt Gilroy in unterkühlten Bildern ein, die das
nächtliche L.A. von einer Seite zeigen, die der normale Bürger höchstens
vom heimischen Wohnzimmer aus im Fernsehen sehen will. Und dennoch sind
es Bilder von atemberaubender Schönheit, wie sie Michael Mann in seinen
besten Zeiten zu Stande brachte. Dazu wummert zurückhaltend aber immer
bedrohlich James Newton Howards großartiger Score.
Nightcrawler
ist eine bitterböse Satire, zugleich aber auch ein hochgradig
spannender Thriller von technischer und darstellerischer Brillanz. Ich
verwende den überstrapazierten Begriff „Meisterwerk“ nur selten; in
diesem Fall ist er gerechtfertigt. Der Taxi Driver des 21. Jahrhunderts.
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