Freitag, 20. Februar 2015

NIGHTCRAWLER (Dan Gilroy, 2014)

I like older women.

Lou Bloom ist ein arbeitsloser junger Mann, der sich mit Diebstählen über Wasser hält bis er eines Tages die Bekanntschaft des Sensationsjournalisten Joe Loder macht, der seinen Lebensunterhalt damit bestreitet, Filmaufnahmen von schweren Unfällen, Bränden und Gewaltverbrechen an das Frühstücksfernsehen zu verkaufen. Sein Motto: If it bleeds, it leads. Lous Versuch, ihn dazu zu bewegen, ihn einzustellen, scheitert, und so besorgt er sich kurzerhand einen Camcorder, um seinerseits noch detailliertere, noch blutigere, noch exklusivere – und damit wertvollere – Aufnahmen zu produzieren.

Der Sichtung hatte ich angesichts der vielversprechenden Geschichte mit großen Erwartungen entgegen gesehen, zumal die Kritiken einigermaßen euphorisch ausfielen. Und doch hat das Ergebnis meine kühnsten Erwartungen übertroffen: Nightcrawler hat mich schlichtweg weggeblasen. Der Einstieg in die Handlung erfolgt ganz unvermittelt, und augenblicklich entfaltet sich eine extreme Sogwirkung, der man als Zuschauer praktisch hilflos ausgeliefert ist. Der von einem großartigen Jake Gyllenhaal verkörperte Lou Bloom ist ein Soziopath ersten Ranges, der sein Ziel mit einer derart unerbittlichen Konsequenz verfolgt, dass es einem stellenweise die Sprache verschlägt. Dabei steht ihm der Irrsinn ins Gesicht geschrieben, die Augen scheinen ständig kurz davor zu stehen, aus den Höhlen zu treten, und doch ist er in seinem Handeln eiskalt berechnend. Ihn zu beobachten ist abstoßend und faszinierend zugleich, und so ist man als Zuschauer lange auf seiner Seite. Sein Vorgehen ist ebenso dreist wie skrupellos und wird von Nacht zu Nacht rücksichtsloser. Dabei zeigt er zunehmend Zeichen einer Abhängigkeit und steigert sich in einen regelrechten Rausch. Wie ein Süchtiger will er immer mehr, immer extremere Bilder, sucht den immer größeren Kick. Die Hemmschwelle sinkt beständig, Grenzen verschwimmen, um sich irgendwann ganz aufzulösen. Er wird vom Beobachter zum Beteiligten und schließlich zum Täter. Wie er am Schluss seinen Partner abserviert, lässt einem das Blut in den Adern gefrieren.

Den ganzen Wahnsinn fängt Gilroy in unterkühlten Bildern ein, die das nächtliche L.A. von einer Seite zeigen, die der normale Bürger höchstens vom heimischen Wohnzimmer aus im Fernsehen sehen will. Und dennoch sind es Bilder von atemberaubender Schönheit, wie sie Michael Mann in seinen besten Zeiten zu Stande brachte. Dazu wummert zurückhaltend aber immer bedrohlich James Newton Howards großartiger Score.  

Nightcrawler ist eine bitterböse Satire, zugleich aber auch ein hochgradig spannender Thriller von technischer und darstellerischer Brillanz. Ich verwende den überstrapazierten Begriff „Meisterwerk“ nur selten; in diesem Fall ist er gerechtfertigt. Der Taxi Driver des 21. Jahrhunderts. 

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