Sonntag, 10. Mai 2015

BIRDMAN: OR (THE UNEXPECTED VIRTUE OF IGNORANCE) (Alejandro González Iñárritu, 2014)

Sixty's the new thirty, motherfucker!

Iñárritus fünfter Spielfilm ist eine höchst kurzweilige und amüsante Satire, die das Showbusiness und den Umgang mit dem Älterwerden gekonnt auf's Korn nimmt. Die Selbstironie beginnt schon bei der Besetzung der Hauptrolle mit Michael Keaton. Er spielt Riggan Thomson, einen Schauspieler, dessen verblassender Ruhm aus seiner Rolle als Superheld Birdman vor mehr als zwanzig Jahren resultiert und der nun versucht, mit der Inszenierung eines Theaterstückes zu neuerlichem Ruhm zu gelangen. Ausgerechnet Keaton also, der etwa zur gleichen Zeit wie Riggan im Film in Burtons Batman-Filmen die Hauptrolle übernommen hatte, und so sind die Ähnlichkeiten zwischen den Superhelden Batman und Birdman natürlich kein Zufall. Doch während er nach außen den starken Macher gibt, der alles im Griff zu haben scheint, ist Riggan in Wahrheit von Unsicherheit und Selbstzweifeln geplagt. Die überdimensionale Comic-Figur des Birdman hat so etwas wie ein Eigenleben entwickelt und verfolgt ihn ständig als seine stets präsente innere Stimme. Auch ist Riggan in seinem Streben nach Ruhm und Anerkennung nicht alleine, denn wie sich im weiteren Verlauf der Handlung herausstellt, sind auch die übrigen Darsteller von Selbstzweifeln geplagt. Insbesondere der Broadway-Star Mike (großartig: Edward Norton) eifert mit Riggan darum, wem die größte Aufmerksamkeit zu teil wird. Und dann gibt es noch Riggans orientierungslose Tochter Sam, der er nach ihrem gerade absolvierten Drogenentzug eine Assistenzstelle verschafft hat. Und so ist Birdman nicht nur Satire, sondern beinhaltet neben komischen Elementen auch viele tragische Aspekte. Im Zentrum steht dabei natürlich Riggan, der sich immer mehr in die Sache hineinsteigert und zunehmend die Kontrolle über sich verliert. Dabei begibt er sich auf einen Selbstzerstörungstrip, der von gewalttätigen Wutausbrüchen, heftigen Stimmungsschwankungen, unkontrollierten Saufgelagen und Wahnvorstellungen geprägt ist, wobei Realität und Einbildung für den Zuschauer schon zu Beginn kaum auseinander zu halten sind und im weiteren Verlauf immer mehr miteinander verschmelzen.

Das gewitzte Drehbuch hält das Tempo die ganze Zeit über hoch und gönnt dem Zuschauer kaum eine Verschnaufpause. Die dadurch entstehende Unruhe spiegelt zugleich Riggans Gemütszustand sehr treffend wieder. Unterstützt wird dies durch den originellen Score, der ganz überwiegend aus Drum-Soli besteht. Verantwortlich dafür zeichnet der mexikanische Jazz-Drummer Antonio Sanchez, der die Felle virtuos bearbeitet und vielen Szenen durch sein Spiel eine zusätzliche Unruhe verleiht. So überlagern die Drums zum Teil die Dialoge so sehr, dass man sich anstrengen muss, um alles mitzubekommen. 

Die Kameraführung ist brillant und erweckt den Eindruck, der Großteil des Films (abgesehen von der Eröffnungssequenz und den Szenen vor Riggans Erwachen im Krankenzimmer) sei in einem einzigen Take entstanden, zumindest sind keine wahrnehmbaren Schnitte vorhanden. Ein oft verwendetes Hilfsmittel, um diesen Effekt zu erreichen, ist der Einsatz von Spiegelungen in Dialogszenen, insbesondere in den Umkleidekabinen. So sind beide Gesprächsteilnehmer auch dann zusammen im Bild, wenn sie nicht direkt nebeneinander stehen, ohne dass dafür ein Wechsel der Kameraperspektive notwendig wird. Häufig kommt auch eine Handkamera zum Einsatz, die den jeweiligen Protagonisten – meistens Riggan – aus der Verfolgerperspektive zeigt. Die Art der Inszenierung sorgt für einen beständigen Fluss, immer ist alles in Bewegung. Stillstand gibt es nicht, aber eben auch keine Erholungspause für die Protagonisten, keine Gelegenheit, zur Ruhe zu kommen. In Kombination mit den pointierten Dialogen und den überzeugenden Darstellerleistungen ergibt dies bei aller inhärenten Tragik eine leichtfüßige, homogene Mischung, die ausgesprochen gut unterhält.

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