Donnerstag, 10. Januar 2019

BLUE RUIN (Jeremy Saulnier, 2013)

I'm not used to talking this much.

Zu Beginn des Films beobachten wir den Obdachlosen Dwight Evans dabei, wie er in ein fremdes Haus einbricht, um dort ein Bad zu nehmen und auf einem Jahrmarkt die Müllsäcke nach verwertbaren Dingen durchsucht. Nachts hält er sich in seinem alten, verrosteten blauen Pontiac auf, den er am Strand geparkt hat. Als ihm eines Tages die Polizei mitteilt, dass der Mörder seiner Eltern freigelassen werden soll, beschließt er spontan, sich an ihm zu rächen. Obwohl seine Versuche, sich eine Schusswaffe zu besorgen, scheitern, gelingt es ihm, den Mörder zu richten.

Blöderweise muss er dabei sein Auto zurücklassen, was dessen Brüdern Rückschlüsse auf seine Identität erlaubt. Dadurch setzt er eine unaufhaltsame Spirale der Gewalt in Gang, denn das Auto ist unter der Adresse seiner toten Eltern registriert, wo nun seine Schwester mit ihren kleinen Kindern residiert. Und so wird aus dem ursprünglich geplanten singulären Vergeltungsakt schnell eine veritable Familienfehde. Keiner der Beteiligten informiert die Polizei. Vielmehr will man das nach alter Tradition selbst regeln, gemäß dem biblischen Motto „Auge um Auge, Zahn um Zahn“. 

Selten bin ich die Sichtung eines Films so unvorbereitet angegangen wie die von Blue Ruin. Ich wusste vorher nicht, worum es in dem Film geht, von dem Regisseur hatte ich noch nie etwas gehört und sämtliche Darsteller waren mir völlig unbekannt. Lediglich Amy Hargreaves habe ich schon mal in irgendeinem Film gesehen, ansonsten allesamt unbeschriebene Blätter. Umso erfreulicher, dass die Sichtung bei mir einen nachhaltigen Eindruck hinterlassen hat.

Jeremy Saultier ist mit seiner zweiten Regiearbeit ein ganz ausgezeichneter kleiner Film gelungen, der mich durch seine ruhige und unaufgeregte Erzählweise regelrecht begeisterte. Dialoge werden nur sparsam eingesetzt, teilweise wird minutenlang gar nichts gesprochen. Auch die Vorgeschichte – der Mord an den Eltern – wird nur kurz angerissen. Filmen, die den Zuschauer nicht vollquasseln und mit Informationen überfluten, bin ich seit jeher gewogen. Blue Ruin ist dafür ein Musterbeispiel: Der Zuschauer erfährt nach und nach alles was er wissen muss, zusätzliche Details dienen allenfalls der stimmungsvollen Ausgestaltung einzelner Szenen.

Das geringe Budget von gut 400.000 Dollar sieht man dem Film zwar an, jedoch macht es sich nicht negativ bemerkbar, sondern lässt die Macher aufgrund des bei der Produktion an den Tag gelegten Enthusiasmus nur noch sympathischer erscheinen. Das beschauliche Hinterland Virginias, in dem die Zeit stehen geblieben zu sein scheint, bildet den perfekten Rahmen für die Geschichte und der mir bislang völlig unbekannte Macon Blair, bei dem es sich um einen Freund des Regisseurs handelt, trägt den Film souverän auf seinen schmächtigen Schultern.

Das Ende mündet dann in die zu erwartende Eskalation und lässt alle Beteiligten als Verlierer zurück. Aber immerhin ist der Rachedurst gestillt.

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