Hereditary ist das Spielfilmdebut des amerikanischen Regisseurs Ari Aster und wurde von den Kritiken regelrecht abgefeiert. Ein bemerkenswerter Film ist Hereditary sicherlich, aber auch weit davon entfernt, der Meilenstein des Horrorgenres zu sein, zu dem er in der Presse zum Teil stilisiert wurde. Dennoch ist nicht zu übersehen, dass Aster über die Gabe verfügt, eine unheilvolle Stimmung zu erzeugen und diese langsam aber stetig in eine beinahe unerträgliche Intensität zu steigern. Die erste Stunde von Hereditary ist in ihrer andeutungsschwangeren, beklemmenden Atmosphäre wirklich meisterhaft. Man fühlt das Unheil unaufhaltsam näherkommen, kann es aber nicht greifen.
Dem Zuschauer wird ziemlich schnell klar, dass es sich bei der Familie Graham um eine Ansammlung neurotischer Charaktere handelt. Keines der Familienmitglieder – vielleicht mit Ausnahme des Vaters – verhält sich auch nur annähernd normal. Den Vogel schießt die offensichtlich verhaltensgestörte Tochter Charlie ab, die am offenen Sarg ihrer Großmutter genüsslich eine Tafel Schokolade verzehrt und in der Pause des Schulunterrichts nicht Besseres zu tun hat, als einer toten Taube den Kopf abzuschneiden. Deutlich spürbar ist auch das Misstrauen der Familienmitglieder untereinander, dessen Hintergründe erst im späteren Verlauf erklärt werden. Als Zuschauer hat man das Gefühl, niemandem trauen zu können, wobei insbesondere von Charlie eine diffuse Bedrohung auszugehen scheint. Diesen Trumpf gibt Aster jedoch durch ihr frühes Ableben schnell aus der Hand.
Und auch sonst macht Aster aus der vielversprechenden Ausgangslage zu wenig. Das anfangs unerklärliche Verhalten der Familienmitglieder will irgendwie plausibel gemacht, die Ursachen wollen offengelegt werden. Dabei griff er auf einen der ältesten und abgeschmacktesten Tricks des Genres zurück, nämlich das Heraufbeschwören eines bösen Dämons im Rahmen einer Séance. Nachdem die Katze aus dem Sack ist, geht es mit dem Film auch zügig bergab. In der zweiten Filmhälfte verspielt Hereditary einen Großteil des Kredits, den er sich zu Beginn erarbeitet hat. Die letzte Szene, in der eine schwarze Messe zelebriert wird, wirkt dann überhaupt nicht mehr unheimlich sondern nur noch lächerlich. Viel cleverer wäre es gewesen, den Film nach dem Fenstersturz zu beenden. Dies hätte Hereditary zumindest einen einigermaßen würdigen Abgang beschert.
Zu loben ist neben den überzeugenden Darsteller-Leistungen vor allem das hervorragende Sounddesign von Colin Stetson, das ganz erheblich zu der bedrohlichen Stimmung beiträgt. Gabriel Byrne habe ich seit einer gefühlten Ewigkeit in keinem Film mehr gesehen. Dabei war der Mann durchaus aktiv in den letzten Jahren, nur kenne ich keinen der Filme, in denen er mitgespielt hat. Der von ihm gespielte Familienvater verhält sich noch am rationalsten und versucht ebenso mühsam wie erfolglos, die immer weiter auseinander driftende Familie zusammenzuhalten. Letztlich bleibt er aber nur die ungehört verhallende Stimme der Vernunft in einer Kakophonie des Wahnsinns. Toni Colette bietet eine geradezu beängstigende Vorstellung. Der von ihr verkörperten Annie möchte man nicht mal im hellen Tageslicht begegnen.
Die Zutaten passen also, und mit einem besseren Drehbuch hätte Hereditary sicherlich ein herausragender Film werden können. Durch die blödsinnige Dämonengeschichte wird viel Potential unnötig verschenkt. Sehenswert ist Ari Asters Debut aber allemal.
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