Freitag, 4. Januar 2019

ALL THE MONEY IN THE WORLD (Ridley Scott, 2017)

If you can count your money, you are not a billionaire.

Scotts filmische Umsetzung der Entführung des Getty-Enkels Paul 1973 in Rom war vor allem dadurch in den Schlagzeilen, dass Kevin Spacey, der ursprünglich den Öl-Magnaten Getty gespielt hatte, im Zuge der unsäglich verlogenen #MeToo-Debatte gefeuert und durch Christopher Plummer ersetzt worden war, mit dem die jeweiligen Szenen dann nachgedreht wurden. Inwieweit sich dieser Besetzungswechsel auf den Film ausgewirkt hat, ist natürlich schwer zu beurteilen. Klar ist jedoch, dass der fast 90-jährige Plummer eine derart mitreißende Performance abliefert, dass dies alleine schon Grund genug für eine Sichtung des Films ist. Im Übrigen passt er schon vom Alter her viel besser, denn der deutlich jüngere Spacey hatte spezielles Make-up benötigt, um seine Rolle glaubhaft darstellen zu können.

Mit Scotts Filmen ist das ja meist so eine Sache: insbesondere seine letzten Werke weisen bei kritischer Betrachtung häufig eine Reihe von Schwachstellen auf. Dazu zählen regelmäßig die Charakterzeichnung der Figuren und die Dialoge. Dies ist bei All the Money in the World ganz anders. Auch ohne die bei mir immer bereit liegende rosarote Ridley-Scott-Brille – ich mag seine Filme einfach – gibt es hier wenig auszusetzen.

Soweit ich das nachvollziehen konnte, hielt man sich weitgehend an die tatsächlichen Ereignisse. Mit der Figur des von Mark Wahlberg verkörperten ehemaligen CIA-Agenten Fletcher Chase etablierte man neben Pauls Mutter eine weitere Identifikationsfigur, die dabei hilft, Struktur in die Erzählung zu bringen. Diese Maßnahme wurde wohl als nötig angesehen, denn – und da wären wir beim einzigen Schwachpunkt des Films – Michelle Williams kann nur in Teilen überzeugen und wirkt mit der Rolle von Pauls Mutter zum Teil überfordert, was – und das ist dann wieder ganz witzig – auch irgendwie zur Rolle passt, denn wer wäre in der Situation, in der sich ihre Figur befand, nicht überfordert? Dennoch eine bestenfalls durchschnittliche Leistung, für die sie merkwürdigerweise sogar eine Golden-Globe-Nominierung erhalten hat. 

Die besten Szenen des Films sind alle, in denen Christopher Plummer präsent ist. Sein John Paul Getty ist ein eiskalt berechnender Machtmensch, der womöglich – dies wird in einer Szene am Anfang angedeutet – gerne mehr Familienmensch wäre, seinen geschäftlichen Aktivitäten jedoch alles andere unterordnet. Dabei fühlt man sich mehr als einmal an Orson Welles‘ Porträt des Verlegers Charles Foster Kane erinnert. Auch wenn viele Details und ein Großteil der Dialoge erfunden wurden, scheint die Figur nicht allzu weit vom echten Getty entfernt zu sein. Immerhin ist überliefert, dass er sich nach der Freilassung seines Enkels weigerte, dessen Dank für die Bezahlung des Lösegelds entgegen zu nehmen und von seinem Sohn anschließend 800.000 Dollar mit Zinsen als Ausgleich für das Lösegeld zurückforderte.

All the Money in the World ist also nicht nur Entführungsgeschichte und Familiendrama, sondern vor allem eine faszinierende Charakterstudie des damals wohl reichsten Menschen der Welt. Die Inszenierung ist gewohnt souverän, die Dialoge sind pointiert, die Sets wirken authentisch und die Darsteller machen ihre Sache – mit Ausnahme von Michelle Williams – allesamt gut. Insgesamt eine runde Sache.

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