Samstag, 31. Mai 2025

MADIGAN (Don Siegel, 1968)

Madigan is a good cop, Tony. Doesn't always go by the book.

Der schlecht gewählte deutsche Titel Nur noch 72 Stunden gaukelt dem Zuschauer eine zeitliche Dramatik vor, die im Film gar keine Rolle spielt. Zwar ist es richtig, dass die beiden New Yorker Polizisten Madigan und Bonaro nur 72 Stunden Zeit haben, den ihnen entwischten Verbrecher dingfest zu machen, doch interessiert sich Siegel für die Zeitkomponente allenfalls am Rande und greift dies lediglich in Form von Einblendungen der jeweiligen Wochentage auf. (Das Drehbuch hieß übrigens ursprünglich "Friday, Saturday, Sunday".) Vielmehr stellt er den zuweilen recht tristen Polizeialltag in den Mittelpunkt der Erzählung, der geprägt ist von mühevoller Kleinarbeit, Misserfolgen und falschen Fährten. Der titelgebende Detective Madigan (großartig: Richard Widmark) ist dabei die zentrale Figur. Wie auch später  der Protagonist in Dirty Harry nimmt er es nicht immer so genau mit Recht und Gesetz, sondern legt Letzteres im Zweifel etwas großzügig zu seinen Gunsten aus und agiert ebenso opportunistisch wie pragmatisch im Dienst der Sache. Seine guten Kontakte in die New Yorker Unterwelt kommen ihm bei der täglichen Arbeit zugute und den ein oder anderen Gratisdrink kann er dabei auch abgreifen. 

Das krasse Gegenteil ist der Commissioner Russell (Hery Fonda), ein der täglichen Praxis des Polizeilebens weit entrückter Bürohengst, der für die Probleme der ihm unterstellten Mitarbeiter wenig Verständnis hat. Während er bei seinen Beamten hohe Maßstäbe anlegt und erwartet, dass sie sich in jeder Situation korrekt verhalten, hat er seinerseits ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau.

Die detailliert gezeichneten Figuren und der authentisch dargestellte Polizeialltag machen die Hauptfaszination des Films aus. Daneben gibt es auch ein paar gute Actionszenen, wobei hier vor allem die groß angelegte Schießerei am Schluss hervorzuheben ist. Neben dem Haupterzählstrang um die beiden Detektives gibt es noch einige Nebenplots, wie die Geschichte um den schwarzen Arzt Dr. Taylor, dessen Sohn in Konflikt mit der Polizei geraten ist, oder die Bestechungsgeschichte um Chief Inspector Kane (auch toll: James Whitmore), der zugleich Russells langjähriger Freund und Wegbegleiter ist und diesen damit in ein ernsthaftes Dilemma bringt.

Madigan zeichnet ein sehr detailliertes Bild vom Alltag der New Yorker Polizei und deren Verflechtungen mit zwielichtigen Gestalten und überzeugt mit wunderbaren Darstellern, stimmigen Charakteren, einer durchdachten und komplexen Story, gutaussehenden Frauen in den Nebenrollen (vor allem Inger Stevens und Sheree North können hier punkten) und einer gewohnt schnörkellosen, punktgenauen Inszenierung. Ein ganz hervorragender Film, zudem prägend für nachfolgende Polizei-Filme, und ganz ohne Zweifel eine von Siegels besten Arbeiten.

Freitag, 30. Mai 2025

FLAMING STAR (Don Siegel, 1960)

To tell the truth, I don't know who's my people.

Nach dem mediokren Edge of Eternity drehte Siegel einen Western, der vor allem deshalb bekannt wurde, weil Elvis Presley eine der Hauptrollen spielt. Glücklicherweise hält er sich mit Gesangseinlagen zurück und so beschränken sich seine diesbezüglichen Beiträge auf das Einsingen des Titelsongs und ein Lied bei einer Familienfeier zu Beginn des Films, die die da noch heile Welt der Protagonisten zeigt, die unter dem Druck der Kiowas-Angriffe sehr bald auseinanderbrechen soll.

Presley spielt den Mestizen Pacer, Sohn einer Kiowas-Frau und eines weißen Farmers, der zwischen beiden Welten steht und beiderseits bedrängt wird, sich für eine Seite zu entscheiden, obwohl er das gar nicht will. Letztlich kommt er durch die sich immer weiter zuspitzenden Ereignisse jedoch nicht umhin und so bildet der Mord an seiner Mutter den ausschlaggebenden Punkt. Presley spielt das erstaunlich gut und nuanciert. Dabei verfügt er über eine charismatische Ausstrahlung, die dazu beiträgt, dass man seine Figur als das Zentrum des Films wahrnimmt. Auch die übrigen Darsteller geben sich keine Blöße. Schon zu Beginn der Handlung wird relativ schnell klar, dass die Eskalation der Gesamtsituation unausweichlich ist. Siegel bemüht sich, die Motive beider Seiten nachvollziehbar darszustellen, was ihm auch recht gut gelingt, auch wenn die Sichtweise der Kiowas insgesamt vielleicht etwas zu kurz kommt. Die Spannung ist dementsprechend konstant hoch und an Action mangelt es auch nicht. 

Quentin Tarantino bezeichnete Flaming Star mal als Siegels besten Western. Ganz soweit würde ich nicht gehen, denn obwohl es sich hier um einen zweifellos sehr guten Film handelt, fällt er doch im Gegensatz zu dem großartigen The Shootist deutlich ab. Das aber soll keineswegs negativ verstanden werden. Don Siegel hat viele gute Filme gemacht und Flaming Star ist einer davon.

Samstag, 24. Mai 2025

EDGE OF ETERNITY (Don Siegel, 1959)

Rising with the sun, or just going to bed?

Die Einblendung zu Beginn des Films weist den unkundigen Zuschauer darauf hin, dass am und um den Grand Canyon herum in CinemaScope gedreht wurde. Und die phantastischen Landschaftsaufnahmen sind tatsächlich auch der einzige Grund, sich den Streifen anzuschauen. Die Handlung ist es sicher nicht. Erzählt wird eine recht triviale Geschichte um einen Mord in einer kleinen Siedlung am Rande einer brachliegenden Goldmine aus der Sicht des ermittelenden Deputys.

Von allen Siegel-Filmen, die ich kenne, ist dies sicherlich der am wenigsten spektakuläre und auch einer derer, in dem seine Handschrift am wenigsten erkennbar ist. Es gibt zwar eine tolle Auto-Verfolgungsjagd zwischen dem Deputy und der draufgängerischen Janice zu Beginn, aber ansonsten vergleichsweise wenig Action. Den Abschluss bildet ein Zweikampf zwischen den Protagonisten auf der Kabine einer Seilbahn, der ziemlich vorhersehbar nach Schema F abläuft und wenig aufregend ist. Die Darsteller sind solide und machen ihre Sache gut, ohne dabei zu glänzen oder in irgendeiner Art und Weise hervorzustechen. Cornel Wilde war zwar seinerzeit ein gefragter und bekannter Schauspieler, doch fehlte es ihm für meine Begriffe an Charisma. Die eigentliche Hauptattraktion sind zweifellos die atemberaubenden Weitwinkelaufnahmen des Grand Canyon, der selten besser in Szene gesetzt wurde als hier, und die gute Bluray bringt das mit einem tollen Farbspektrum hervorragend zur Geltung.

Edge of Eternity ist kein schlechter Film, aber irgendwie wollte sich das klassische Siegel-Feeling während der Sichtung nicht einstellen. Mir fehlte vor allem der Drive, den man ansonsten von ihm gewohnt ist. Das Geschehen plätschert so vor sich her und echte Spannung kommt zu keiner Zeit auf. Das tut meiner grundsätzlichen Begeisterung für seine Arbeiten natürlich keinen Abbruch, aber der Mann hat weitaus bessere Filme gemacht. 

Freitag, 23. Mai 2025

STRANGER ON THE RUN (Don Siegel, 1967)

It ain't a game no more, is it?

Dieses Mal kein Krimi, sondern ein Western in meiner kleinen Siegel-Reihe, zudem einer, der fürs Fernsehen produziert wurde, was sich sofort im unschönen Vollbildformat bemerkbar macht. 

Für die Hauptrolle konnte man Henry Fonda gewinnen, der hier den heruntergekommenen Trunkenbold und ehemaligen Häftling Ben Chamberlain spielt, der in die kleine Eisenbahnsiedlung Banner kommt, um eine ihm unbekannte Frau namens Alma zu retten. Dies hatte er ihrem Bruder, einem Mithäftling, versprochen. In Banner sorgt Sheriff McKay mit einer Horde von Mördern als Deputys auf Geheiß des Gesandten der Eisenbahngesellschaft auf höchst fragwürdige Weise für Recht und Ordnung. Offiziell will die Eisenbahngesellschaft davon natürlich nichts wissen und so kommt McKay der Mord an der Dorfhure Alma durch einen der Deputys höchst ungelegen. Wäre da nicht Chamberlain, dem man den Mord in die Schuhe schieben könnte, um anschließend die Jagd auf ihn zu eröffnen.

Stranger on the Run ist meines Wissens der zweite Fernsehfilm von Siegel, nachdem er drei Jahre zuvor bereits The hanged Man, den ich leider noch nicht kenne, fürs Fernsehen gedreht hat. Dabei beließ er es dann auch und wandte sich fortan glücklicherweise wieder der Leinwand zu. Dennoch ist Stranger on the Run absolut sehenswert und kann insbesondere durch seine - für Siegel-Verhältnisse - gut ausgearbeiteten Charaktere überzeugen. Zwar erfährt man nicht allzu viel über sie, doch reichen die Informationen aus, sich ein recht detailliertes Bild vom Seelenleben der Protagonisten zu machen. Da ist der desillusionierte Chamberlain, der sich für den Tod seiner Frau verantwortlich fühlt und in der Folge dem Alkohol verfallen ist, die einsame Witwe, die alleine mit ihrem 17-jährigen Sohn auf einer Ranch etwas außerhalb des Ortes lebt, eben jener Sohn, der nach dem Wunsch seiner Mutter Farmer werden und in die Fußstapfen seines toten Vaters treten soll, der seinerseits aber McKay vergöttert und sich seiner Deputy-Bande anschließen will oder der Sheriff, dem es zunehmend schwerer fällt, seine schießwütige und gewalttätige Bande unter Kontrolle zu halten.

Darstellerisch konnte Siegel hier aus dem Vollen schöpfen. Neben Anne Baxter und einem sehr jungen Michael Burns fesselt vor allem Fonda mit seinen stahlblauen Augen, hier in einer ungewohnten Versager-Rolle. Den Vogel schießt aber Michael Parks als Sheriff McKay ab. Seine Performance begeisterte Quentin Tarantino so, dass er ihn Jahrzehnte später gemeinsam mit seinem Kumpel Robert Rodriguez in seinen eigenen Filmen castete, lustigerweise in immer der gleichen Rolle als Texas Ranger Earl McGraw.

Donnerstag, 22. Mai 2025

THE LINEUP (Don Siegel, 1958)

A dead man can't point at you.

Auch The Lineup verpassten die Spaßvögel, die für die Eindeutschung des Films zuständig waren, einen lustigen deutschen Titel, und zwar: Der Henker ist unterwegs. Der Fairness halber sei erwähnt, dass auch der Originaltitel nicht viel besser ist, denn das in Rede stehende Lineup, also eine Gegenüberstellung verdächtiger Personen mit einem Zeugen, kommt nur in den ersten Minuten des Films vor und hat für die weitere Handlung keinerlei Bedeutung. Siegels Film basiert auf einer Hörspielreihe, die in den frühen 50er Jahren im Radio gesendet wurde, und einer sich daran anschließenden Fernsehserie gleichen Namens. Insofern ist es nachvollziehbar, dass man den Namen für den Film übernommen hat, zumal Warner Anderson und Marshall Reed im Film die gleichen Rollen spielen wie in der TV-Serie.

Die Handlung des Films wirkt merkwürdig inkonsistent und zerrissen. Was als klassischer Kriminalfilm mit dem Fokus auf der Ermittlungsarbeit der beiden oben erwähnten Polizisten beginnt, wandelt sich im weiteren Verlauf zu einem knallharten Gangsterfilm. Der Fokus verschiebt sich dabei von den Polizisten, die in der zweiten Filmhälfte nur noch selten zu sehen sind, zu dem Gangsterduo Dancer (Eli Wallach in ungewohnter Rolle) und Julian (wunderbar: Robert Keith), wobei der Erstgenannte ein leicht reizbarer, psysopathischer Killer ist, dessen Einsamkeit (angedeutet in der Szene mit Cindy im Aquarium) sich in Aggression und Hass ausdrückt, und der zweite so etwas wie sein Mentor, stets ruhig und besonnen und bemüht, das Temperament seines Kumpels im Zaum zu halten. Für ein Buch, das er zu schreiben gedenkt, sammelt er die letzten Worte der Opfer, die Dancer ermordet. Stellenweise erinnerten die beiden mich an die beiden Auftragsmörder aus Siegels sechs Jahre später entstandenem The Killers, der allerdings ein deutlich ausgereifterer Film ist.

Angesiedelt ist das Ganze in San Francisco und wie so oft in Filmen, die in der kalifornischen Metropole spielen, wirkt sich dies positiv auf das Flair und die Grundstimmung des Films aus. Es gibt ein paar beeindruckende Weitwinkel-Aufnahmen von Hal Mohr, mit dem Siegel zuvor schon mehrfach zusammengearbeitet hatte, und am Ende noch eine dramatische Verfolgungsjagd in der Nähe der Golden-Gate-Bridge. Die Story offenbart bei nüchterner Betrachtung doch einige Ungereimtheiten, über die man dank der straffen Inszenierung jedoch großzügig hinwegsehen kann. The Lineup ist ein klassischer Siegel-Film, der alle für seine Arbeit so typischen Elemente vorzuweisen hat, und bietet über knapp 90 Minuten äußerst kurzweilige Unterhaltung.

Dienstag, 20. Mai 2025

THE BIG STEAL (Don Siegel, 1949)

Whatever I said about women drivers, I take back.

The big Steal ist in Deutschland unter dem merkwürdigen Titel Die rote Schlinge erschienen, der keinerlei Bezug zum Geschehen hat, und kann im weiteren Sinne als Film noir durchgehen, mutet aber eher wie eine Mischung aus Gangsterfilm und Roadmovie an. Die Handlung ist - vergleichsweise ungewöhnlich - im mexikanischen Hinterland angesiedelt. Glücklicherweise wurden die Außenszenen vor Ort in Mexiko gedreht, was erheblich zur Authenzität beiträgt. Insbesondere die Einbindung verschiedener Elemente der mexikanischen Kultur wirkt sich bereichernd aus und verleiht dem Ganzen einen ganz eigenen Flair. 

Neben den guten Darstellern, allen voran einem starken Robert Mitchum in der Hauptrolle, der das Geschehen souverän über die recht knapp bemessene Spielzeit von gerade einmal 70 Minuten trägt, ist vor allem die mitreißende Verfolgungsjagd zwischen den drei Protagonisten bemerkenswert, die sich gegenseitig durch die von Serpentinen geprägte mexikanische Berglandschaft jagen. Hier sind insbesondere die für die damalige Zeit außergewöhnliche Kameraführung und der rasante Schnitt zu erwähnen, die eine fast atemlose Spannung erzeugen. In der weiblichen Hauptrolle gibt es wieder eine wenig attraktive Dame zu bewundern, dieses Mal ist es die spröde Jane Greer, die dem Mitchum-Charakter in einer - für eine Frau in einem Siegelfilm - ungewohnt dominanten Art und Weise den Takt vorgibt, was eine interessante Interaktion zwischen den beiden zur Folge hat. Auch muss man ihr zugute halten, dass die Chemie zwischen ihr und Mitchum zu stimmen scheint. Die gemeinsamen Szenen lassen dies jedenfalls vermuten.

Die Handlung um die gestohlenen Armeegehälter, aufgepeppt um ein paar nette Plottwists, kann den Zuschauer mühelos bei der Stange halten und die überzeugenden Darsteller tun das ihre. Nicht zuletzt aufgrund der sehr überschaubaren Spielzeit ein höchst unterhaltsames und kurzweiliges Vergnügen und ein Highlight in Siegels früher Schaffensphase. Toller Film!

Sonntag, 11. Mai 2025

TELEFON (Don Siegel, 1977)

Being paranoid doesn't mean we're not being followed.

Ich hatte Telefon in den 80er Jahren mal im Fernsehen gesehen, aber kaum noch Erinnerungen daran. Der gleichnamige Roman von Walter Wager, angesiedelt in der Phase der Entspannung während des Kalten Krieges, die spätestens durch den Einmarsch der Russen in Afghanistan nur wenige Jahre später beendet werden sollte, bildete die Grundlage für eine wirre Story um einen durchgeknallten KGB-Offizier, der aus Gründen, die nie ganz klar werden, per Telefonanruf eine Reihe von Schläfern aktiviert, die in den USA ein unauffälliges Leben führen und nun Selbstmordanschläge auf ehemals bedeutende militätrische Ziele ausführen. Für das Skript ist in erster Linie Peter Hyams verantwortlich, der wohl gerne auch Regie geführt hätte, was aber nicht die Billigung der Produzenten fand, und so bekam schließlich Siegel den Auftrag.

Die Handlung hat bei kritischer Betrachtung weder Hand noch Fuß und weist zudem gleich eine ganze Reihe von Logiklöchern auf, aber das stört nicht weiter, denn Siegel sorgt mit seiner gewohnt straffen Inszenierung und der Konzentration auf die wesentlichen Punkte dafür, dass man sich als Zuschauer gut unterhalten fühlt. Charles Bronson war ja nicht gerade ein Sympathieträger, aber hier passt er ausgezeichnet in die Rolle des KGB-Majors Grigori Borzov, der seinen Auftrag in einer Kombination aus Zielstrebigkeit und stoischer Gelassenheit ausführt. Die Chemie zwischen ihm und Lee Remick, die seine Partnerin Barbara verkörpert, ihrerseits eine Doppelagentin, war augenscheinlich nicht die beste, aber auch das fällt kaum ins Gewicht. Der Ablauf des Ganzen erinnert zum Teil an die James-Bond-Filme der damaligen Zeit. Mit dem Briten Donald Pleasance, der in You only live twice den Blofeld gab, konnte man auch einen charismatischen Gegenspieler für Bronson verpflichten, der den Psychopathen glaubwürdig mimt. Die Kritiker gingen mit Telefon nicht sehr nett um, und in der Tat gibt es auch Vieles, was man an dem Film kritisieren kann. Mir hat er trotzdem eine Menge Spaß gemacht, was womöglich auch meiner grundsätzlichen Siegel-Affinität geschuldet sein mag. 

Dienstag, 6. Mai 2025

PRIVATE HELL 36 (Don Siegel, 1954)

I didn't know there was this much money in the world.

Bei der Aufklärung eines ein Jahr zurückliegenden Raubüberfalls inklusive Mord stoßen die Polizisten Brunner und Farnham im Rahmen ihrer Ermittlungen dank eines Hinweises der Barsängerin Lilli Marlowe, die einen der markierten Geldscheine vom Mörder als Trinkgeld erhalten hat, auf den Koffer mit dem erbeuteten Geld. Statt die gesamte Beute ordnungsgemäß abzuliefern, kann Brunner der Versuchung nicht widerstehen und lässt einen Teil des Geldes verschwinden, um es später in einem angemieteten Camping-Wagen mit der Nummer 36 zu verstecken. Sein Kollege versucht vergeblich, ihn davon abzuhalten und wird gegen seinen Willen zum Mitwisser und Komplizen. Da die beiden gut befreundet sind, bleibt ihm nichts anderes übrig als gute Miene zum bösen Spiel zu machen, doch plagen ihn immer stärkere Gewissensbisse, die nicht nur sein Familienleben beeinträchtigen, sondern ihn auch immer öfter zur Flasche greifen lassen.

Private Hell 36 ist ein günstig produzierter Film noir mit Ida Lupino als Femme fatale, die dem Polizisten Brunner gehörig den Kopf verdreht. Ich fand Ida Lupino nie sonderlich attraktiv, obwohl ihre rauchige Stimme schon ihren Reiz hat, das muss ich zugeben. Da sie nicht nur am Skript mitgearbeitet hat, sondern auch die Ex-Frau des Filmproduzenten war, hatte sie erheblichen Einfluss auf die Gestaltung des Films. Ihre Rolle ist demzufolge entsprechend groß angelegt und ihre Beziehung zu Brunner so etwas wie das Zentrum des Films. Anhand einzelner Dialogzeilen, für die übrigens Sam Peckinpah verantwortlich zeichnete, ist erkennbar, dass Brunner sich nach einem anderen und zumindest aus seiner Sicht besseren Leben sehnt. Ein Leben in Reichtum und mit einer schönen Frau an seiner Seite soll es bitte sein ("You know, someday I'll come out here on my own time with a wad of dough and a girl like..."). Dennoch liegt nahe, dass seine Beziehung zu Lilli ("A man figures, if he likes the things I like and can afford them.") und sein Bestreben, ihnen beiden ein Leben in Reichtum zu ermöglichen, letztlich den Ausschlag gegeben hat für die Unterschlagung des gestohlenen Geldes.

Private Hell 36 ist nicht gerade als Meisterwerk des Film noir in die Geschichte eingegangen, sondern fristet - wie so viele andere auch - eher ein Schattendasein. Dennoch ist es spannender, kleiner Thriller mit einer guten Story und starken Darstellern. Ich schätze Siegel vor allem wegen seiner Filme aus den 60er und 70er Jahren, aber auch Private Hell 36 verdient durchaus Beachtung. Gute und kurzweilige Unterhaltung bietet er allemal. 

Sonntag, 4. Mai 2025

CHARLEY VARRICK (Don Siegel, 1973)

I don't sleep with whores... at least not knowingly.

Der hauptberufliche Schädlingsbekämpfer Charley Varrick raubt gemeinsam mit seiner Frau und zwei Kumpanen eine lokale Bank in einer Kleinstadt in New Mexiko aus. Der Überfall geht dank der Aufmerksamkeit einer Polizeistreife gründlich schief. Varricks Frau und einer seiner Kumpels werden erschossen. Ihm selbst gelingt zwar mit seinem Freund Harman Sullivan die Flucht, doch stellt sich blöderweise bei der Sichtung der Beute heraus, dass die beiden statt der erhofften kleinen Summe mehr als 750.000 Dollar an Mafiageld erbeutet haben, das für wenige Tage in der Bank lagern sollte. Dass man die Polizei auf den Fersen haben würde, hatte man einkalkuliert, doch nun müssen die beiden sich auch mit dem Profikiller Molly (Joe Don Baker) herumschlagen.

Der Film sollte ursprünglich "The last of the independents" heißen, doch Siegel konnte sich diesbezüglich leider nicht gegen die Produzenten durchsetzen, die auf den nichtssagenden Titel Charley Varrick bestanden. Und das obwohl Siegel unmittelbar davor mit Dirty Harry seinen bisher größten Erfolg an den Kinokassen verbuchen konnte. Seinen aufgebesserten Status verrät auch die Einblendung "A Siegel Film" zu Beginn. Der ursprüngliche Titel hat es dann immerhin noch als Schriftzug auf Varricks Firmentruck geschafft. Er wäre jedenfalls viel treffender gewesen, denn tatsächlich ist Varrick so ziemlich der einzige Charakter im Film, der nicht in irgendeinem Abhängigkeitsverhältnis steht. Nach dem Tod seiner Frau durch die Kugel eines Polizisten hat er nichts mehr, auf das er Rücksicht nehmen müsste. Ein typischer Siegel-Charakter, wenn man so will. Und so schmiedet er einen cleveren Plan, um sich Polizei, Mafia und auch seinen sorglosen Kumpel, der zudem noch ein Alkoholproblem hat, vom Hals zu schaffen.

Der ganze Filme ist eine einzige Walter-Matthau-Schau. Auf den ersten Blick scheint er dem Geschehen hilflos ausgeliefert, jedoch erweist sich sein Charley Varrick im weiteren Verlauf als gewitzter, weitsichtiger Stratege, der alle Schritte seiner Gegner voraussieht. Darüber wird man allerdings als Zuschauer lange im Unklaren gelassen, denn das Geschehen auf dem Bildschirm vermittelt den Eindruck, als zöge sich die Schlinge immer stärker über seinem Kopf zusammen und als gerate er von Minute zu Minute in größere Schwierigkeiten. Gerade das macht die Faszination des Films aus, denn am Ende fügen sich alle Puzzleteile auch ohne Erlärung zu einem großen Ganzen zusammen.

Matthaus Verdienst ist auch, dass man Varrick die ganze Zeit über die Daumen drückt, wohwissend, dass er ein Bankräuber ist und mehrere Menschenleben auf dem Gewissen hat. Trotzdem kann man nicht anders als auf seiner Seite zu sein. Stilistisch weist Charley Varrick viele Parallelen zu seinem Vorgänger auf, wobei der urbane Raum der Großstadt San Francisco der ländlichen Weite New Mexikos weichen musste, was dem Film einen Hauch von Western-Feeling mitgibt. Übrigens ist auch Andrew Robinson wieder mit von der Partie, der eine gewisse Ähnlichkeit mit Quentin Tarantino hat. Spielte er in Dirty Harry noch den psychotischen Killer, ist er hier als Varricks Kumpan Sullivan zu sehen. 

Für den dynamischen Score zeichnete wieder Siegels Stammkomponist Lalo Schifrin verantwortlich, die Kamera übernahm hier erstmals Michael Butler, der dann ein paar Jahre später bei Telefon nochmals mit Siegel zusammenarbeiten sollte. Die Inszenierung kommt direkt auf den Punkt und ist - wie immer bei Siegel - schnörkellos und pragmatisch. Bemerkenswert ist die große Verfolgungsjagd am Schluss, bei der sich Varrick in einer Propellermaschine und Molly in seinem Wagen ein erbittertes Duell liefern. 

Charley Varrick ist ein ganz wunderbarer Film, der völlig zu Unrecht ein Schattendasein fristet und vermutlich nur hartgesottenen Siegel-Fans bekannt sein dürfte. Das ist höchst bedauerlich, denn er unterstreicht einmal mehr, welch außergewöhnlicher Regisseur der Mann war. Als der Film zu Ende war, saß ich mit einem fetten Grinsen auf dem Gesicht im Sessel.