Sonntag, 16. November 2025

THE SUBSTANCE (Coralie Fargeat, 2024)

Gross, old, fat, disgusting!

Fargeats zweiter Spielfilm ist eine bitterböse Satire über das Altern bzw. den Umgang damit, gespickt mit einigen Horror-Elementen. Dass ausgerechnet die für ihre zahllosen und ihr dabei nicht immer zum Vorteil gereichenden Schönheitsoperationen bekannte Demi Moore die Rolle der in die Jahre gekommenen Schauspielerin und Aerobic-Trainerin Elisabeth Sparkle spielt, ist ebenso passend wie witzig. Immerhin stellt sie damit ihre Fähigkeit zur Selbstironie unter Beweis. Davon abgesehen macht sie ihre Sache auch sehr ordentlich, ebenso wie ein glänzend aufgelegter Denniy Quaid, dessen Figur man den Namen "Harvey" verpasst hat. Ein Schelm, wer dabei an den ehemaligen Miramax-Boss denkt. Da kann Margaret Qualley in der Rolle der Sue, der jüngeren Version Elisabeths, nicht ganz mithalten, wirkt sie doch etwas farblos und spröde. Auch in Sachen Attraktivität läuft ihr die 32 Jahre ältere Demi Moore den Rang ab.

Fargeats bereits aus ihrem Debut bekanntes Faible für ungewöhnliche Kamera-Einstellungen, extreme Close-Ups und die häufige Verwendung des Fischaugenobjektivs kommt auch hier zum Tragen und verleiht The Substance eine eigenwillige Optik. Sehr schön gelungen ist auch die Eröffnungssequenz, in der das Altern und der verblassende Ruhm der Protagonistin durch den Stern auf dem Hollywood Walk of Fame symbolisiert wird, der im Laufe der Jahre Risse bekommt, um dann am Ende unter einer Ladung Müll begraben zu werden.

The Substance ist bisweilen sehr komisch, selbst in den Szenen, in denen die Horror-Elemente überwiegen. Eine Voraussetzung für den unbeschwerten Genuss des Films ist es aber, das Hirn vorher abzuschalten, denn die Handlung strotzt nur so vor Ungereimtheiten und Logikfehlern. Dennoch ist das Ganze sehr kurzweilig und unterhaltsam, wenn auch insgesamt deutlich zu lang geraten. Dass Fargeat, die auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnete, das richtige Gefühl für Pacing fehlt, wurde schon bei ihrem Debut in Ansätzen deutlich, fiel dort aber kaum ins Gewicht. Hier lässt sich diese Schwäche nicht kaschieren. Zudem gehen in der letzten halben Stunde die Pferde mit ihr durch. Der Film mündet schließlich in eine Body-Horror-Show à la David Cronenberg, was mir überhaupt nicht zugesagt hat, aber das ist sicher Geschmackssache. Jedenfalls hätte The Substance eine deutliche Kürzung gut getan. Revenge hat mir eine ganze Ecke besser gefallen. 

Freitag, 14. November 2025

BUGONIA (Giorgos Lanthimos, 2025)

99.9% of what's called activism is really personal exhibitionism and brand maintenance in disguise.

Meine erste Begegnung mit dem griechischen Regisseur und - soviel seit vorgenommen - sie macht Lust auf mehr.

Der Verschwörungstheoretiker Teddy entführt zusammen mit seinem geistig etwas zurückgebliebenen Cousin Don Michelle Fuller, die CEO eines großen Pharmakonzerns in dem Glauben, sie sei ein Alien und Teil eines Plans der Außerirdischen, die Menschheit auszulöschen. Um zu verhindern, dass sie mit den anderen Aliens kommuniziert, rasiert er ihr die Haare ab, denn seiner Auffassung nach nutzen die Aliens diese zur Kommunikation. Zwischen Teddy und Michelle entwickelt sich im weiteren Verlauf ein spannendes Katz-und-Maus-Spiel, in dem die in Menschenführung und Psychologie geschulte CEO versucht, ihren etwas einfältigen Entführer mit diversen Methoden dazu zu bewegen sie freizulassen. Doch dieser erweist sich als zäher als von ihr erwartet und ist in seiner ganz eigenen Logik gefangen.

Bugonia ist ein bisweilen komisches, überwiegend spannendes, vor allem aber auch recht bizarres Kammerspiel, das vor allem von der groß aufspielenden Emma Stone und dem absolut brillanten Jesse Plemons dominiert wird. Nicht zu übersehen ist die deutliche sozialkritische Note, die Lanthimos dem Ganzen verpasst, sei es die zunehmende Zerstörung der Umwelt durch den Menschen oder das skrupellose Streben der Pharma-Industrie nach Gewinnmaximierung.

Der Score von Jerskin Fendrix, mit dem Lanthimos bereits mehrfach zusammengearbeitet hat, klingt zunächst scheinbar unpassend bombastisch und plakativ, andererseits passt dies hervorragend zum eigenartigen visuellen Stil des Regisseurs, der sich u. a. im ungewöhnlichen Bildformat (1,5 : 1) oder auch der häufigen Verwendung des Fischaugenobjektivs zeigt. Das Ende kam dann - zumindest für mich - doch ziemlich überraschend und rundet den Film auf gelungene Weise ab.

Bugonia ist ein in jeder Hinsicht außergewöhnlicher Film, der mich ziemlich beeindruckt hat, und war mit Sicherheit nicht meine letzte Begegnung mit dem griechischen Regisseur. 

Montag, 10. November 2025

LE SALAIRE DE LA PEUR (Henri-Georges Clouzot, 1953)

Ich hatte Le Salaire de la Peur vor vielen Jahren mal im Fernsehen gesehen, konnte ihn aber aufgrund der grauenhaften deutschen Synchro nur bedingt genießen. Nun endlich folgte die Sichtung im Original. Clouzot nimmt sich viel Zeit für die Einführung der Charaktere, die aus den verschiedensten Gründen in dem Kaff Las Piedras, irgendwo in Südamerika, gestrandet sind und verleiht ihnen dadurch genügend Kontur, um dem Zuschauer die spätere Identifikation mit ihnen zu ermöglichen. Punkten kann er mit den guten Darstellern sowie einem sich stetig steigernden Spannungsbogen, der den Zuschauer trotz der stattlichen Spieldauer bis zum Schluss nicht mehr loslässt. Leider ist das Ende dann doch etwas albern geraten, wenn der überlebende Fahrer nach erfolgreicher Mission im Überschwang der Gefühle Schlangenlinien auf der engen Gebirgsstraße fährt. Ich hatte den Eindruck, dass es Clouzot hier vor allem um die Umsetzung der Idee ging, die Fahrt des LKW mit dem Walzer-Rhythmus in Einklang zu bringen. Leider fällt das Ergebnis in die Kategorie "gewollt und nicht gekonnt" und passt auch überhaupt nicht zum Bild, das man sich während der vorangegangenen gut zwei Stunden vom überlebenden Fahrer, dessen Name hier nicht verraten werden soll, gemacht hat.  

Im direkten Vergleich mit der kürzlich gesichteten Umsetzung des zugrundeliegenden Romans von Friedkin fällt auf, dass obwohl auch bei Clouzot die Grundstimmung durchaus düster und pessimistisch geprägt ist, diese jedoch bei weitem nicht an Friedkins nihilistischen Ansatz heranreicht und die herausragende Atmosphäre ist es dann auch, die Friedkins Sorcerer zum klar besseren Film macht. U. a. lässt sich das gut an der Interaktion der Charaktere untereinander festmachen. Während die Fahrer bei Clouzot durchaus respektvoll bis freundlich miteinander umgehen und als Team agieren, sind sie bei Friedkin allesamt egoistische Einzelkämpfer, deren ausschließliches Interesse in der Erfüllung des Auftrags liegt. Das ändert natürlich nichts daran, dass Le Salaire de la Peur ein großartiger Film ist, der auch heute noch uneingeschränkt begeistern kann.

Samstag, 18. Oktober 2025

THE ZONE OF INTEREST (Paul Glazer, 2023)

Der Auschwitz-Kommandant Rudolf Höß lebt mit seiner Familie direkt neben dem Konzentrationslager. Das Grundstück grenzt an die Außenmauer des Lagers. Seine Frau Hedwig hat einen schönen Garten anlegen lassen mit Pavillon, Gewächshaus und Planschbecken und genießt mit den gemeinsamen Kindern das Leben, während direkt nebenan das alltägliche Grauen vonstatten geht.

Die Idee, das Unvorstellbare dadurch zu zeigen, dass man es eben nicht zeigt, ist ein hoch interessanter Ansatz. Bilder aus dem KZ sieht man über die gesamte Spieldauer keine. Außenaufnahmen der Lagermauer oder rauchende Schornsteine bekommt man stattdessen zu Gesicht. Man hört die Geräusche des Lagers, Gespräche, Schreie, vor allem aber viele Laute, die schwer zuzuordnen sind. Die Details bleiben der Phantasie des Zuschauers überlassen. Nicht zu Unrecht hat der Film einen Academy Award für den besten Ton erhalten. Auch die allesamt deutschsprachigen Darsteller lassen nichts anbrennen. Insbesondere Sandra Hüller kann in der Rolle der Hedwig Höß überzeugen. 

Leider steht Glazer sich mit seiner trägen Erzählweise und den oft zu langen Kamera-Einstellungen dabei selbst im Weg. Schon bei Under the Skin wünschte man sich, er möge das Gaspedal zumindest einen Tick weiter durchdrücken und auch hier wirken die einzelnen Szenen doch sehr überdehnt. Wenn andere Regisseure abblenden oder einen Schnitt zur nächsten Szene machen, hält Glazer noch 30 Sekunden drauf, ohne dass etwas Nennenswertes passiert. Im Grunde hat er auch nicht viel zu erzählen. Viele Szenen zeigen belanglose Alltagsaktivitäten, eben das "normale" Leben der Familie Höß. Der Ansatz ist durchaus originell doch leider im Ergebnis auch wenig unterhaltsam. So bleibt unter dem Strich eine interessante Idee, die jedoch - zumindest für meinen Geschmack - nur unzureichend umgesetzt wurde.

Sonntag, 7. September 2025

SHE RIDES SHOTGUN (Nick Rowland, 2025)

It's funny how your friends disappear when you need 'em.

Belangloser aber doch recht unterhaltsamer B-Movie-Thriller, in dessen Mittelpunkt eine komplizierte Vater-Tochter-Geschichte steht. Das anfängliche Unbehagen, ob Nathan nicht doch für den Doppelmord an seiner Ex-Frau und ihrem Lebensgefährten verantwortlich ist, wird schnell zu seinen Gunsten aufgelöst. Die zunächst vorhandene Unsicherheit hätte man für meine Begriffe besser nutzen können. Die Story um das Meth-Kartell, das von einem unangreifbar erscheinenden Sheriff einer Kleinstadt mit unbarmherziger Hand geführt wird, der sich selbst als "God of Slabtown" bezeichnet, war mir zu weit hergeholt und ist in sich nicht stimmig. Ein Film, der bei mir keinen nachhaltigen Eindruck hinterlassen konnte. Gelangweilt habe ich mich aber auch nicht.

Im Grunde genommen sind das einzig bemerkenswerte an She rides shotgun (der Ausdruck "to ride shotgun" bedeutet umgangssprachlich so etwas wie "auf dem Beifahrersitz sitzen") die Leistungen der beiden Hauptdarsteller Taaron Egerton und vor allem der erst 11jährigen Ana Sophia Heger, die ihre Sache wirklich großartig macht.

Donnerstag, 4. September 2025

IN DIE SONNE SCHAUEN (Mascha Schilinski, 2025)

Wenn ich meinem Herzen befehle, dass es stehen bleiben soll, wird es jetzt aufhören zu schlagen?

Während der Scherz zu Beginn, wenn die Mädchen die Hausschuhe der Haushälterin Berta auf dem Boden festnageln und diese dann wie ein Stein darin umfällt, noch an die Streiche des Michel aus Lönneberga erinnern, bleibt dem Zuschauer das Lachen schnell im Hals stecken. 

Der zweite Spielfilm der Berliner Regisseurin bietet einen faszinierenden Blick in die menschlichen Abgründe mit dem Fokus auf vier Frauen in verschiedenen Epochen, angefangen von der Zeit vor dem Ausbruch des ersten Weltkriegs bis hin in die Gegenwart. Tod, Todessehnsucht und Verstümmelungen (seelisch wie körperlich) sind einige der zentralen Motive, mit denen die Frauen oder die Personen in ihrem unmittelbaren Umfeld sich auseinandersetzen müssen. 

Eine Handlung im klassischen Sinne gibt es nicht. Der wahre Hauptdarsteller ist der Bauernhof in der Altmark, in dessen alten Mauern Erinnerungsfetzen über die Jahrzehnte gespeichert zu sein scheinen. Bruchstückhaft werden sie hervorgekramt, nichtchronologisch und in den verschiedenen Epochen wild hin- und herspringend. Beinahe so, als würden die alten Gemäuer sich an die Menschen erinnern, die dort einst gelebt haben. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die zahlreichen Aufnahmen aus einer Beobachterperspektive mit eingeengtem Gesichtfeld. Eine Kamera, die durch ein Schlüsselloch schaut, ein flüchtiger Blick durch eine leicht geöffnete Tür oder durch Gitterstäbe. So wie diese Aufnahmen nie das ganze Bild preisgeben, kann man als Zuschauer auch in Bezug auf die Geschehnisse oft nur erahnen, was passiert ist. Einiges wird im späteren Verlauf aufgeklärt, vieles bleibt aber im Dunkeln und der Fantasie des Zuschauers überlassen.

Und nicht nur das Sichtfeld ist oft eingeengt, auch das Bildformat vermittelt ein Gefühl der Enge. Hier hat sich Schilinski - vermutlich aus stilistischen Gründen - für das ungewöhnliche Vollbildformat entschieden. Die Szenen der einzelnen Epochen wirken so, als seien sie mit den damals zur Verfügung stehenden technischen Möglichkeiten entstanden, wobei dies zu Zeiten der ersten Epoche natürlich nicht ganz passt. Anscheinend hat man hier aber bewusst auf künstliches Licht verzichtet. Sämtliche Innenaufnahmen in der "Alma"-Epoche wirken so, als habe man hier ausschließlich auf natürliches Licht zurückgegriffen. Auffällig auch das Spiel mit der Blende, die immer wieder auftretenden Unschärfen, deren Bedeutung sich mir nicht ganz erschlossen hat. Womöglich eine Anspielung auf die Besonderheit der im 19. Jahrhundert praktizierten Totenfotografie, die sich darin äußerte, dass durch die langen Belichtungszeiten lebende Personen auf den Fotos immer etwas unscharf abgelichtet wurden und nur die Toten richtig scharf dargestellt wurden. 

Schon der Filmtitel gibt Rätsel auf. Womöglich bezieht sich der Ausdruck auf den Moment des Fotografierens, in dem das fotografierte Subjekt in die Sonne schaut, da der Fotograf in der Regel mit dem Rücken zur Sonne steht. Und Fotografien spielen eine wichtige Rolle. Familienfotos, Fotos von Toten oder auch die Kombination von beidem, wobei Familienfotos mit frisch Verstorbenen im 19. Jahrhundert gängige Praxis waren. Um den Eindruck zu erwecken, der Leichnam sei noch am Leben, werden mal fix die Augenlider an die Augenbrauen genäht. Und doch wirkt der Titel wie ein Hohn, denn Hoffnung, die man mit der Sonne gleichsetzen könnte, gibt es nicht. Vielmehr wird den Protagonisten die Endlichkeit des Seins und die eigene Bedeutungslosigkeit unbarmherzig vor Augen geführt. Menschen werden geboren, leiden und sterben und am Ende steht der Bauernhof immer noch.

In die Sonne schauen ist ein zutiefst verstörender, zugleich aber auch höchst faszinierender Film, der anfangs etwas schwer in die Gänge kommt, über die stattliche Spieldauer von fast 150 Minuten aber immer besser wird. Während der Sichtung steht man meist an der Grenze zur Überforderung. Das Gesehene nach nur einer Sichtung richtig einzuordnen und komplett zu verarbeiten erscheint unmöglich. Dies macht die Sichtung zu einer bisweilen etwas anstrengenden, insgesamt aber lohnenden Herausforderung, der sich jedoch nicht alle Kinobesucher gewachsen zeigten. Bereits eine halbe Stunde nach Beginn der Vorführung verließ das erste Paar das Kino, nach der Hälfte des Films das zweite.  

In die Sonne schauen ist ein in allen Belangen außergewöhnlicher Film, der förmlich nach einem zweiten Durchlauf schreit. Schon lange hat mich kein Film mehr nach dem Abspann so sehr beschäftigt.

Mittwoch, 3. September 2025

SECONDS (John Frankenheimer, 1966)

You can't let the mistakes jeopardize the dream.

Seconds wirft die interessante Frage auf, inwieweit man sein Leben besser und erfüllender gestalten könnte, wenn man nochmal die Möglichkeit bekäme, ganz neu anzufangen. Der Protagonist in Frankenheimers Film, der in gehobener Position tätige Bankangestellte Arthur Hamilton, der gute Chancen hat, in absehbarer Zeit die Leitung der Bank zu übernehmen, erhält diese Chance nach dem Anruf eines tot geglaubten Freundes, der ihm von einer Firma erzählt, die Menschen scheinbar sterben lassen und ihnen anschließend ein neues Aussehen, einen neuen Körper und eine neue Identität verschafft. Eher widerwillig und mehr aus Neugierde nimmt Hamilton Kontakt mit der Firma auf, wird dort aber mithilfe eines präparierten Getränks unter Drogen gesetzt und mit einer fingierten Vergewaltigung erpresst, den Vertrag zu unterschreiben und den größten Teil seines Vermögens der Firma als Bezahlung abzutreten. Nach zahlreichen schmerzhaften Operationen, für die auch ein "Spender-Leichnam" verwendet wurde, und endlos erscheinender Reha-Maßnahmen findet er sich in der neuen Identität des Malers Tony Wilson wieder, der ein mondänes Anwesen in Kalifornien bewohnt. Nach einer Eingewöhnungsphase genießt er zunächst sein neues Leben und seinen verjüngten Körper, merkt aber schnell, dass er seiner inneren Leere auch in der neuen Identität nicht entkommen kann. Zumal er in seiner neuen Umgebung ausschließlich von Angestellten der Firma umgeben ist sowie von Menschen, die selbst ihre zweite Identität leben.

Schon die Opening-Sequenz, die menschliche Körperteile und Details einer plastischen Chirurgie in Nahaufnahme zeigt, ist vielversprechend. Die originelle Story basiert auf einem Roman des amerikanischen Schriftstellers David Ely und behandelt die vermutlich zeitlose Frage, wie das eigene Leben verlaufen wäre, hätte man sich von seiner Leidenschaft lenken lassen, statt einen langweiligen, "serösen" Beruf zu ergreifen. Wobei diese nachträglich gewonnene Wahlfreiheit hier natürlich nur inszeniert ist. Mit fortschreitender Spieldauer manövriert sich Wilson immer mehr in eine ausweglose Situation, die in einem fiesen Finale kulminiert.

Erwähnenswert neben den guten Darsteller-Leistungen - selbst Rock Hudson in der Hauptrolle überzeugt - ist vor allem die gute Kamera-Arbeit des Chinesen James Wong Howe, der hier vielfach mit Body-Cams arbeitet und dadurch eine ganz eigene klaustrophobische Atmosphäre schafft. Der Filmtitel bezieht sich übrigens entgegen meiner ersten Annahme nicht auf die Zeiteinheit, sondern ist mit "Die Zweiten" zu übersetzen, steht also für die Menschen, die ihre erste Identität zugunsten einer zweiten aufgegeben haben.

Ein fesselnder und ausgesprochen düsterer Film, der sicherlich zu Frankenheimers besten Arbeiten zählt.

Sonntag, 31. August 2025

MS .45 (Abel Ferrara, 1981)

There's no sense being shy with a face like that.

Die stumme Näherin Thana wird innerhalb kürzester Zeit zweimal vergewaltigt. Den zweiten Täter tötet sie in Notwehr und erbeutet dabei seine 45er Magnum. Statt sich an die Polizei zu wenden, zerstückelt sie die Leiche und entsorgt die Stücke nach und nach in öffentlichen Mülltonnen. Nachts zieht sie mit der Knarre los und erschießt wahllos irgendwelche Männer, die in irgendeiner Art und Weise ihr Missfallen erregen.

Ferraras zweiter Spielfilm - lässt man den 76er Porno 9 Lives of a Wet Pussy mal außen vor - ist ein dreckiger, kleiner Thriller, der sich am treffendsten mit dem Wort sleazy beschreiben lässt. Wenn man will, kann man die Protagonistin als eine Art weibliche Antwort auf Travis Bickle in Scorseses Taxi Driver interpretieren. Ferrara zeigt New York von seiner häßlichen Seite: dunkle Seitengassen, dreckige Hinterhöfe, Junkies, Zuhälter und Nutten. Und auch wenn der Film Anfang 1981 veröffentlicht wurde, atmet er klar den Geist der 70er - und er sieht auch so aus, als sei er in den 70ern entstanden. 

Zoë Lund, die zwar nicht sonderlich attraktiv war, die männerhassende Vigilantin hier aber sehr überzeugend verkörpert, war leider keine große Karriere beschieden. Bereits im Alter von 37 Jahren fiel sie ihrer anhaltenden Drogensucht zum Opfer. 

Ms .45 ist ein kurzweiliger, schmieriger Film, der sich selbst nicht zu ernst nimmt und mir ziemlich gut gefallen hat. Visuell bietet er wenig Erbauliches, aber unterhaltsam ist er allemal. Und ein Happy-End gibt es nach vielen Toten schließlich auch: in der letzten Szene kehrt der totgeglaubte und ausgesprochen niedliche Hund Phil wohlbehalten zu seiner Besitzerin zurück. 

Dienstag, 26. August 2025

STRANGE DARLING (JT Mollner, 2023)

Are you a serial killer?

Eine junge Frau rennt blutverschmiert durch ein Feld. Ihr auf den Fersen ist ein mit einem Gewehr bewaffneter Mann, der zu allem entschlossen zu sein scheint. Wie es dazu kommt und wie die Hatz weitergeht, erfährt der Zuschauer im Laufe der folgenden 90 Minuten, wobei die Handlung in sechs Kapitel und einen Epilog unterteilt ist, die in nicht chronologischer Reihenfolge erzählt werden.

Bereits zu Beginn verdichten sich die Hinweise, dass es sich bei Mollner um einen Tarantino-Jünger handelt. Die albern anmutende Einblendung, dass der Film komplett in 35 mm geschossen wurde - wobei die Tatsache als solche natürlich zu begrüßen ist, wirkt ebenso wie eine Verbeugung vor dem Mann aus Tennessee wie die nichtlineare Erzählweise und die Einblendung von Kapitelnamen - Pulp Fiction lässt grüßen. Da passt es gut, dass der Film von Miramax produziert wurde. Mollner gibt sich große Mühe, den Zuschauer an der Nase herumzuführen. Das gelingt ihm auch ziemlich gut, denn in Strange Darling ist nichts so, wie es zunächst scheint.

Und obwohl das alles sehr konstruiert ist und eine an sich simple Story durch die gewählte Erzählweise weitaus komplexer und größer erscheint als sie tatsächlich ist, geht das Konzept auf. Ein klassischer Fall von Style over Substance, der aber nicht zuletzt aufgrund der überragenden Kamera-Arbeit funktioniert. Stylische Bilder, ein dramatischer, dissonanter Score, der immer im passenden Moment einsetzt, die dynamische Inszenierung, das geschickte Spiel mit dem klassischen Rollenverständnis und die daraus resultierenden Plottwists sowie zwei starke Hauptdarsteller sorgen für ein spannendes und äußerst kurzweiliges Sehvergnügen. Und Barbara Hershey, die in einer Nebenrolle zu sehen ist, sieht mit ihren zur Drehzeit 75 Jahren immer noch toll aus.

Montag, 25. August 2025

DAY OF THE WOMAN (Meir Zarchi, 1978)

He's cooling off, all right. At the bottom of the river.

Nach dem abstoßenden Remake hatte ich zunächst wenig Lust, mir das Original anzuschauen. Letztlich siegte aber die Neugierde. Und erwartungsgemäß ist Day of the Woman zwar alles andere als ein perfekter Film, aber um Längen besser als sein Remake, wobei das Niveau desselben auch nur schwer zu unterbieten ist.

Bezüglich der Verwirrung um den Filmtitel ist zu sagen, dass der Film ursprünglich unter dem (meiner Meinung nach) durchaus stimmigen Titel Day of the Woman veröffentlicht und vorwiegend in Drive-In Kinos gezeigt wurde. 1980 erfolgte eine Wiederveröffentlichung durch einen Filmverleih, der darauf bestand, den Originaltitel durch den ebenso reißerischen wie unpassenden Titel I spit on your Grave zu ersetzen. Beim Remake wurde dann diese Bezeichnung übernommen.

Zarchis Ansatz für die Umsetzung der Story ist ein überaus minimalistischer. Der Film wurde mit wenig Aufwand produziert und hat nicht einmal einen Score, was der auch so schon beklemmenden Atmosphäre zugute kommt. Die Gegend um das abgelegene Haus an einem Flussarm irgendwo in Connecticut bildet die perfekte Kulisse und zugleich Gelegenheit für einige atemberaubend schöne Landschaftsaufnahmen. 

Im krassen Gegensatz dazu steht die extrem realistische Darstellung von Jennifers Vergewaltigung durch die vier Einheimischen, die ich in dieser Länge - die gesamte Szene dauert etwa 30 Minuten - und detaillierten Ausmalung wahrlich nicht gebraucht hätte. Harter Tobak, zumal ich nicht sicher bin, ob Zarchis Motive dafür nicht nur dem Zweck verpflichtet, sondern womöglich auch voyeuristischer Natur waren. Wie auch immer: die Szene zeigt die Geschehnisse in einer so direkten und drastischen Form, wie ich das noch bei keinem anderen Film gesehen habe. Allerdings vermittelt sie dem Zuschauer dadurch auch ein sehr gutes Gefühl für die Perspektive des Opfers. Und eine Vergewaltigung ist nun mal eine extrem widerwärtige Sache - da beißt die Maus keinen Faden ab. Interessanterweise nimmt die Vergewaltigung sogar mehr Raum ein als die späteren Rachemorde, deren Inszenierung im direkten Vergleich beinahe dezent daherkommt. Das zumindest macht deutlich, dass der Fokus hier klar auf der Opferperspektive liegt. Beim Remake ist es genau umgekehrt. Unbedingt zu loben ist an dieser Stelle die äußerst intensive darstellerische Leistung Camille Keatons, die die in höchstem Maß fordernde Rolle mit Bravour meistert.  

Day of the Woman ist ein zutiefst beklemmender Film, dessen Sichtung durchaus eine gewisse Herausforderung darstellt. Hinzu kommen allerdings noch einige inhaltliche Ungereimtheiten sowie inszenatorische Schwächen, die den Filmgenuss zusätzlich erschweren. Zarchi hat kein Gespür für Timing. Viele Szenen wirken unnötig in die Länge gezogen. Während dies bei der Vergewaltigung noch nachvollziehbar ist, weil dies das extreme Leiden des Opfers besser greifbar macht, wünscht man sich bei vielen anderen Szenen ein etwas zügigeres Tempo oder zumindest eine dynamischere Schnittfolge. Dennoch ein absolut sehenswerter Film, der das Thema mit einem ebenso reduzierten wie realistischen Ansatz aufgreift.

Samstag, 23. August 2025

I SPIT ON YOUR GRAVE (Steven R. Monroe, 2010)

Ein ekelerregender, abscheulicher Film, dessen Sichtung ich hier nur erwähne, um der Chronistenpflicht Genüge zu tun. Jedes weitere Wort wäre zuviel.

Sonntag, 17. August 2025

COOL HAND LUKE (Stuart Rosenberg, 1967)

What we've got here is failure to communicate.

Mir ist durchaus bewusst, dass Rosenbergs Film im Allgemeinen als einer der Wegbereiter des New Hollywood angesehen wird. Auch die Tatsache, dass die von mir sehr geschätzte Plattform Rotten Tomatoes eine Bewertung von 100 % ausweist, spricht für die Qualität desselben. Und doch wurde ich mit Cool Hand Luke nicht warm. Dies ist nicht zuletzt der trägen Erzählweise geschuldet, die keinerlei Dynamik vermittelt. Die ohnehin nicht sonderlich interessante Story schleppt sich über weite Strecken müde dahin. 

Abgesehen davon wirkt die Figur des durch Paul Newman verkörperten Luke wenig glaubwürdig. Insbesondere seine Motivation, plötzlich aus dem Gefängnis auszubrechen, nachdem er sich dort mit den Begebenheiten gut arrangiert und den Respekt seiner Mitgefangenen erworben hat, bleibt unklar. Begründet wird dies mit der von ihm als ungerecht empfundenen Behandlung nach dem Tod seiner Mutter. Die Gefängnisleitung lässt ihn präventiv einige Tage in Isolationshaft sperren, da der Tod von nahen Angehörigen üblicherweise ein Auslöser für einen Fluchtversuch ist. Paradoxerweise bewirkt man damit bei Luke genau das Gegenteil und motiviert ihn dadurch ungewollt zu seinem ersten Fluchtversuch, der natürlich scheitert.

Positiv zu erwähnen ist in jedem Fall die tolle Kamera-Arbeit von Conrad Lee Hall, die die flimmernde Hitze der Südstaaten-Szenerie wunderbar einfängt und durch technische Spielereien wie die wiederholt verwendeten Spiegelungen in der Sonnenbrille eines Aufsehers das Auge des Zuschauers erfreut. Und für mich ziemlich überraschend erschloss sich mir dann auch die Herkunft des berühmten Zitats, das die Rockband Guns N' Roses beim Intro ihres Songs Civil War verwendet hat: Es handelt sich um die Ansprache des Gefängnisdirektors, nachdem der entlaufene Luke wieder dingfest gemacht wurde. 

Samstag, 16. August 2025

REVENGE (Coralie Fargeat, 2017)

Ok, they fucked up big time, but you're so damn beautiful. It's hard to resist you.

Die junge Jennifer fliegt mit ihrem wohlhabenden Liebhaber Richard zu einem luxuriösen Anwesen am Rande der Wüste. Das romantische Treiben der beiden wird gestört durch Richards Kumpels Stan und Dimitri, die zwei Tage später zum einem geplanten Jagdausflug eintreffen sollten, aber verfrüht angereist sind. Nach einem gemeinsamen abendlichen Gelage mit viel Alkohol nutzt Stan am nächsten Morgen Richards vorübergehende Abwesenheit, um Jennifer zu vergewaltigen, nachdem seine Verführungsversuche zuvor gescheitert waren. Doch Richard reagiert nach seiner Rückkehr anders als erwartet auf den Vorfall und spricht Jennifer mit oben stehendem Zitat quasi eine Mitschuld zu. Als sie sein Angebot, ihr in Kanada ein neues Leben zu finanzieren, ablehnt, und damit droht, seiner Frau von ihrer Beziehung zu erzählen, eskaliert die Situation und Richard stößt Jennifer eine steile Klippe hinunter, wobei sie im Fallen von einem Baumstumpf aufgespießt wird. Im Glauben, Jennifer sei tot, kehren die drei Männer zum Haus zurück, um Ausrüstung zu holen für die Beseitigung der Leiche. Doch Jennifer erweist sich als zäher als gedacht...

Rape-and-Revenge-Thriller gibt es so einige und nicht zuletzt der Name der Protagonistin deutet darauf hin, dass Meir Zarchis Day of the Woman, den ich leider noch nicht kenne, hier Pate stand. Revenge ist das Spielfilm-Debut der französischen Regisseurin Coralie Fargeat, die auch das Drehbuch geschrieben hat und zuletzt mit The Substance, den ich ebenfalls noch nicht kenne, für Aufsehen sorgte. Die Tatsache, dass bei Revenge eine Frau Regie führte, ist vor allem angesichts des extremen Gewaltlevels und der äußerst splattrigen Umsetzung bemerkenswert. Im weiteren Verlauf spritzt das Kunstblut gleich literweise, denn die arme Jennifer kennt natürlich nur noch ein Ziel, das mit dem Filmtitel schon verraten wird. Die Reduzierung der Handlung auf nur vier Personen (sieht man von dem kurzen Auftritt des Hubschrauberpiloten zu Beginn ab) verleiht dem Film trotz der weiten Wüstenlandschaften etwas kammerspielartiges. Weitaus bemerkenswerter sind aber die visuellen Stilmittel, mit denen die Pariserin arbeitet. Dazu zählen u. a. extreme Nahaufnahmen, wie z. B. die Ameise, die verzweifelt versucht, Jennifers Bluttropfen zu entkommen oder die Spinne, die im Strahl von Stans Pisse ertränkt wird. Ganz zu schweigen von den quälend langen Nahaufnahmen verletzter Körperteile oder klaffender Wunden, die zartbesaitete Zuschauer auf eine harte Probe stellen. Revenge ist nichts für schwache Nerven, soviel ist sicher.

Sehr schön sind auch die Halluzinationen der Protagonistin umgesetzt, nachdem sie die Drogen genommen hat, um ihre Schmerzen zu betäuben und ihre Wunde zu versorgen. Dabei verpasst sie sich im Drogenrausch ein Branding der besonderen Art, indem sie eine aufgeschnittene Bierdose erhitzt und sich auf die klaffende Wunde presst. Fortan läuft sie mit dem eingebrannten Schriftzug des Bierherstellers samt darunter abgebildetem Phönix auf ihrem Bauch durch die Gegend - Rambo würde vor Neid erblassen.

Matilda Lutz in der Hauptrolle verzückt nicht nur mit einem perfekten Äußeren wie ihrem wunderschönen Gesicht, dem bezaubernden Lächeln und der makellosen Figur. Diese Vorzüge setzt Fargeat dann auch bei jeder sich bietenden Gelegenheit in Szene. Die Kamera weidet sich geradezu an Jennifers körperlichen Reizen, wie ein geifernder Spanner, der sein Objekt der Begierde begafft. Darüber hinaus bietet Lutz auch eine famose schauspielerische Leistung und trägt den Film souverän auf ihren zarten Schultern und sieht dabei auch mit ihren zahlreichen Verletzungen immer gut aus. Selbst die Aufnahmen von ihr, wenn sie mit weggeschossenem Ohrläppchen blutüberströmt mit dem Gewehr im Anschlag auf ihre Gegner lauert, strahlen eine nicht zu leugnende Anmut aus.

Coralie Fargeat ist mit Revenge ein formidabler Rachethriller mit extrem hohem Gore-Gehalt gelungen, der ganz ausgezeichnet unterhält, sich bei allen Metzeleien aber selbst nicht zu ernst nimmt. Ein sehr beachtliches Debut, dessen Sichtung mir großes Vergnügen bereitet hat.

Donnerstag, 14. August 2025

JURASSIC WORLD: REBIRTH (Gareth Edwards, 2025)

I don't make any money in that scenario.

Den Höhepunkt hatte die Jurassic Park/Jurassic World-Reihe bereits vor 22 Jahren, nämlich 1993 mit Spielbergs Jurassic Park, den ich damals sogar als Vorpremiere im örtlichen Kino gesehen habe. Alle nachfolgenden Filme waren mehr oder weniger jeweils nur ein Abklatsch des Originals. Und nicht nur die Qualität der Filme wurde schlechter, sondern die Handlung wurde auch immer blöder. Zumindest in dieser Disziplin setzt Jurassic World: Rebirth neue Bestmarken, denn was man sich hier für einen Schwachsinn zusammengereimt hat, um einen Grund zu finden, zwei Gruppen von Menschen auf einer Insel mit frei lebenden Dinosauriern auszusetzen, spottet jeder Beschreibung. Umso erstaunlicher, dass Routinier David Koepp für das Drehbuch verantwortlich zeichnete, der nicht nur bei den beiden ersten Filmen der Reihe seine Finger im Spiel hatte, sondern darüber hinaus im Laufe seiner Karriere zumeist solide bis gute Arbeit abgeliefert hat. Schwer zu erklären, was ihn hier geritten hat.

Mir persönlich ist das relativ egal, denn als jemand, der bereits seit seiner frühesten Kindheit von Dinosauriern und anderen prähistorischen Tieren fasziniert ist, reicht es mir, diese Kreaturen leinwandfüllend dargeboten zu bekommen. Das Drumherum ist mir dabei nicht so wichtig, und so hatte ich auch mit dem neuesten Film der Reihe meinen Spaß. Mit Scarlett Johansson gibt es eine starke und charismatische Hauptdarstellerin und auch Mahershala Ali als ihr Söldnerkumpan weiß zu gefallen. 

Die Effekte hingegen können nicht immer überzeugen. Einige Saurier sehen richtig gut aus, aber in einigen Szenen sieht man ihnen die digitale Herkunft doch deutlich an. Immerhin gibt es eine Reihe interessanter neuer Saurier, zum Teil auch Mutationen, wobei der D-Rex eine frappierende Ähnlichkeit zum Rancor aus dem Star-Wars-Universum aufweist. Die Inszenierung ist nach einem verhaltenen Beginn sehr dynamisch und hält das Tempo durchweg hoch, was einen über so manche Ungereimtheit großzügig hinwegblicken lässt. 

Unter dem Strich macht Jurassic World: Rebirth durchaus Spaß und ist auch besser als seine beiden Vorgänger. Ein richtig guter Film ist er trotzdem nicht, aber das ist einem Dino-Fan wie mir egal. Zwei Stunden äußerst kurzweilige Unterhaltung bietet er allemal und mehr hatte ich auch nicht erwartet.

Montag, 4. August 2025

DER HAUPTMANN (Robert Schwentke, 2017)

Dem Ungeziefer muss Zucht und Ordnung beigebracht werden.

Der desertierte Gefreite Herold findet auf der Flucht vor der Feldgendarmerie kurz vor Ende des 2. Weltkriegs in einem verlassenen Militärfahrzeug die Uniform eines Hauptmanns. Fortan gibt er sich als Hauptmann Herold aus und sammelt nach und nach versprengte Soldaten ein, die sich im bereitwillig anschließen. Schließlich erreicht er mit seiner "Kampfgruppe Herold" das völlig überfüllte Emslandlager II, das vorwiegend Deserteure und Plünderer beherbergt. Hier freundet er sich schnell mit dem Kommandeur des Wachpersonals an und beginnt mit ihm gemeinsam gegen den Willen des Lagerleiters standrechtliche Erschießungen der Gefangenen.

So absurd die Geschichte auch anmutet, basiert sie doch in ihren Grundzügen auf wahren Begebenheiten. Schwentke entschloss sich aus stilistischen Gründen, dies in düsteren Schwarzweiß-Bildern umzusetzen. Doch trotz der interessanten Ausgangslage konnte mich Der Hauptmann nicht überzeugen. Darstellerisch gibt es wenig zu beanstanden. Max Hubacher in der Hauptrolle macht seine Sache ordentlich und sieht darüber hinaus dem echten Willi Herold sehr ähnlich. Die Grundstimmung ist ausgesprochen düster. Die Hoffnunglosigkeit der Menschen nach sechs Jahren Krieg ist mit den Händen zu greifen und die Auflösungserscheinungen der deutschen Truppe setzen der Moral der treu ergebenen Soldaten merklich zu. Positiv zu erwähnen ist auch unbedingt der dissonante Score von Martin Todsharow, der vielfach mit verzerrten Soundeffekten spielt und einen erheblichen Anteil an der defätistischen Grundstimmung des Films hat.

Und doch konnte mich das Geschehen nur bedingt fesseln. Der Anfang ist noch vielversprechend. Herold erkennt schnell, dass die Uniform in Verbindung mit einem äußerst forschen Auftreten ihm alle Möglichkeiten bietet und er auch noch so kritische Situationen vergleichsweise einfach meistern kann. Mit zunehmender Spieldauer treten jedoch die inszenatorischen Schwächen immer deutlicher zu Tage. Man hat das Gefühl, dass Schwentke sich gar nicht für den Menschen Willi Herold interessiert. Obwohl er die zentrale Figur ist, bleibt sein Profil bis zum Ende blass und seine Wandlung vom Fahnenflüchtigen zum sadistischen Massenmörder ist für den Zuschauer kaum nachvollziehbar. Zumindest ging es mir so. Zudem liegt über allem auch ein komödiantischer Unterton. Und wenn Herold von seinem ausgedachten Sondereinsatz und "Vollmacht von ganz oben" schwadroniert, liegt ein Hauch von Stromberg in der Luft.

Erschwerend hinzu kommt, dass es der Handlung auch an Spannung fehlt. Das Geschehen schleppt sich über weite Strecken mühsam dahin und man muss diverse Tanz- und Gesangseinlagen sowie völlig unnötige Diskussionen (beispielsweise das hypothetische Lügenspiel mit den beiden Schauspielern im Rahmen des von Herold organisierten bunten Abends) über sich ergehen lassen. Der Film dauert gerade mal zwei Stunden, fühlt sich aber an wie mindestens drei. Völlig unpassend auch die Blende gegen Ende, wenn Schwentke ein paar aktuelle Farbaufnahmen des Feldes einblendet, an dem das Lager damals stand, um anschließend wieder in Schwarzweiß-Bilder zu wechseln. Und das völlig bescheuerte Ende, in dem Herolds Truppe durch das heutige Görlitz marodiert und unschuldige Passanten beraubt, ist an Albernheit nur schwer zu überbieten. 

Ganz so schlecht, wie sich das jetzt liest, ist Der Hauptmann nicht. Der Film hat durchaus seine Qualitäten, doch hätte ein besserer Regisseur aus der Thematik einen deutlich besseren Film gemacht. So bleibt viel verschenktes Potential und ein Film mit einer guten ersten und einer langweiligen zweiten Stunde. Entbehrlich. 

Sonntag, 27. Juli 2025

KINGS OF THE SUN (J. Lee Thompson, 1963)

It is not the dying, it is the manner of it.

Monumentaler Schinken, angesiedelt in der Kultur der Maya mit Yul Brunner in der Hauptrolle, wobei der von ihm verkörperte Black Eagle streng genommen noch nicht mal die Hauptfigur ist. Nominal ist dies wohl eher der von George Chakiris gespielte Maya-König Balam, doch stiehlt Brunners Präsenz ihm in jeder Hinsicht die Show. Die weibliche Hauptrolle fällt der mäßig attraktiven Britin Shirley Anne Field zu, die vor allem mit ihren tollen Augen und dem ausdrucksstarken Blick die Aufmerksamkeit der beiden Kontrahenten auf sich ziehen kann. 

Die Dreharbeiten fanden in Mexiko statt mit vergleichsweise großem materiellen Aufwand. Es gibt einige Massenszenen mit hunderten von Statisten. Erwartungsgemäß lebt der Film weniger von einer interessanten Handlung oder tollen Darstellerleistungen, sondern in erster Linie von seinen Schauwerten. Massenszenen mit echten Menschen sind halt immer noch etwas anderes als die heute üblichen CGI-Szenen.

Inhaltlich versucht man einen Beitrag zur Völkerverständigung zu leisten - in dem Fall zwischen den nach Norden auf die Halbinsel Yucatan geflüchteten Maya und den dort ansässigen, als Nomadenvolk lebenden Indianern, sowie zur Überwindung archaischer Rituale, nämlich der bis dato von den Maya praktizierten Darbringung von Menschenopfern, um die Götter gnädig zu stimmen. Beides gelingt am Ende, doch kann man das alles nur schwerlich ernstnehmen. Leidlich unterhaltsam ist das Ganze dennoch, aber Kings of the Sun ist nun wirklich kein Film, den man unbedingt gesehen haben muss. Solide Unterhaltung am Sonntag Nachmittag allemal.

Mittwoch, 23. Juli 2025

THE AMATEUR (James Hawes, 2025)

I want to find and kill the people who murdered my wife.

Die Frau des für das CIA tätigen Verschlüsselungsexperten Charlie Heller fällt auf einer Geschäftsreise in London einem Mord zum Opfer. Dank seiner herausragenden Intelligenz und dem dienstlichen Zugang zu weltweiten Überwachungssystemen gelingt es ihm schnell, die Mörder zu ermitteln, die Teil einer weltweit operierenden Bande von Waffenschmugglern sind. Da seine Vorgesetzten sich weigern, Maßnahmen zur Festsetzung der Täter in die Wege zu leiten, nimmt er die Angelegenheit selbst in die Hand.

Filme mit dem Thema Selbstjustiz finde ich grundsätzlich interessant. Solange man selbst nicht betroffen ist, steht man dem in der Regel ablehnend gegenüber, aber ein gewisses Verständnis für das Bedürfnis, den Mörder einer geliebten Person persönlich seiner verdienten Strafe zuzuführen, schwingt zumindest bei mir immer mit.

Im vorliegenden Fall ist der Protagonist ein hochintelligenter Computer-Nerd (IQ 170), der weder besondere körperliche Fähigkeiten und erst recht keinen Killerinstinkt hat. Daran ändert auch die Ausbildung nichts, die er im Trainingscamp des CIA genießt, doch bringt sie ihm immerhin die Erkenntis, dass er weder ein brauchbarer Schütze ist noch in der Lage, einen Gegner aus nächster Nähe zu töten. Dies tut jedoch seinem Eifer, die Mörder seiner Frau zu stellen, keinen Abbruch und um seine Schwachpunkte wissend bringt er diese auf seine ganz eigene Art zur Strecke, wobei mir insbesondere die Idee mit dem Swimming Pool gefallen hat.

Man mag Rami Maleks sparsame Mimik kritisieren, doch ich finde, dass er mit seiner schmächtigen Statur und seinem beinahe hilflosen Hundeblick, in dem immer auch eine gehörige Portion Raffinesse mitschwingt, die ideale Besetzung für die Rolle ist. Seinen Gegnern, zu denen nicht nur die Mörderbande zählt, sondern auch sein CIA-Ausbilder, den seine Vorgesetzten auf ihn angesetzt haben, ist er körperlich weit unterlegen, macht dies aber durch seine überragenden Fähigkeiten wett und ist so jederzeit Herr der Lage, auch wenn es im ersten Augenblick nicht so wirkt. Ausgesprochen witzig übrigens die Szene, in der er auf seinem Samrtphone ein youtube-Video anschaut, in dem erklärt wird, wie man ein Türschloss knackt, um die erhaltenen Tipps sofort erfolgreich in die Tat umzusetzen. 

The Amateur, der übrigens auf einem mir unbekannten Roman basiert und anno 1981 schon einmal verfilmt wurde, bietet eine ausgesprochen unterhaltsame Mischung aus James Bond und den Death Wish-Filmen, die mich nicht zuletzt durch ihre dynamische und schnörkellose Inszenierung von der ersten bis zur letzten Minute ausgezeichnet unterhalten hat. Die guten Dialoge tun das ihre. Kein Film, der in die Geschichte eingehen wird, aber doch eine recht originelle Variante des üblichen Selbstjustizthrillers ohne große Schwächen. Natürlich fügen sich die Dinge für Charlie immer auf wundersame Weise zusammen, seine intellektuellen Fähigkeiten erscheinen beinahe außerirdisch, doch trüben diese Übertreibungen das Sehbvergnügen in keiner Weise. Das Ende mag den ein oder anderen Zuschauer enttäuschen, fällt das große Feuerwerk doch aus, aber im Gesamtkontext wirkt es nur folgerichtig und konsequent. Und Laurence Fishburne ist sowieso immer toll.

Samstag, 12. Juli 2025

The Sugarland Express (Steven Spielberg, 1974)

I want my baby back!

Spielbergs Debut auf der Leinwand - nachdem er bereits drei Jahre zuvor mit dem Fernsehfilm Duel nachhaltig beeindrucken konnte - ist eine etwas merkwürdige Mischung aus Roadmovie, Drama und Komödie, wobei ich mir nicht sicher bin, ob die komödiantischen Aspekte tatsächlich so gewollt oder eher Spielbergs mangelnder Erfahrung geschuldet sind. Die Story ist streckenweise derart bizarr, dass man kaum glauben mag, dass die Geschehnisse auf wahren Begebenheiten basieren, wobei hier auch die Frage ist, wie frei Spielberg, der auch für das Drehbuch mitverantwortlich ist, die Vorlage interpretiert hat. 

Die Story von einem Pärchen auf der Flucht vor der Polizei ist alles andere als originell und wurde in ähnlicher Form vor und nach Spielbergs Film mehrfach verwurstet, wobei Arthur Penns Bonnie and Clyde nach wie vor der Maßstab ist, an den The Sugarland Express allerdings nicht einmal ansatzweise heranreicht. Stellenweise wirkt er wie eine seichte Version von Stones zwanzig Jahre später entstandenem Natural born Killers. Im Vergleich mit den Protagonisten der genannten Filme sind Lou und Clovis weit weniger gewalttätig und wirken eher wie naive Kinder, die weder einen Plan haben, noch den Ernst der Situation zu begreifen scheinen. Umso erstaunlicher, dass es mir deutlich schwerer fiel, mich mit den beiden zu identifizieren, was nicht zuletzt an Goldie Hawn liegt, die durch ihr hysterisches Verhalten meine Nerven stellenweise arg strapazierte und dafür im Gegenzug noch nicht mal optische Reize zu bieten hat. 

Auf der Habenseite stehen die ausgesprochen schöne Fotografie von Vilmos Zsigmond, mit dem Spielberg hier erstmals zusammenarbeitete, genauso übrigens wie mit seinem Stammkomponisten John Williams, und die zum Teil recht witzigen Einfälle, die gelegentlich der Grenze zum Slapstick recht nahe kommen, beispielsweise wenn Polizeiautos gleich haufenweise zu Schrott gefahren oder in absurde Massenkarambolagen verstrickt werden. Jedenfalls scheint es im gesamten Staat Texas keinen Polizisten zu geben, der in der Lage ist, vernünftig Auto zu fahren. Die Erzählweise ist merkwürdig entschleunigt und auch die gelegentlich eingestreuten Verfolgungsjagden vermitteln keinerlei Dynamik.

Unter dem Strich trotz aller Schwächen ein unterhaltsames und kurzweiliges Filmchen, das aber weder seinem tollen Vorgänger und natürlich erst recht nicht seinem direkten Nachfolger Jaws das Wasser reichen kann. 

Mittwoch, 9. Juli 2025

COUNT THE HOURS (Don Siegel, 1953)

It's terrible to be hated.

Ein klassisches Drama um einen unschuldig Verurteilten, der sich durch ungeschicktes Verhalten und ein durch psychischen Druck veranlasstes Geständnis selbst in die Bredouille gebracht hat. Die Revision scheitert, der Gouvernor lehnt das Gnadengesuch ab und so soll er für zwei Morde gehängt werden, die er nicht begangen hat. Der Film spielt mit einigen interessanten Motiven wie das des ehrenwerten Anwaltes, der gegen alle Widerstände versucht, die Unschuld seines Klienten zu beweisen und dabei nicht nur seine Beziehung opfert und seinen bis dahin tadellosen Ruf ruiniert, sondern auch alle übrigen Klienten vergrault, die mit ihm nichts mehr zu tun haben wollen oder das der Ehefrau des vermeintlichen Mörders, die unter den Anfeindungen der Menschen in ihrem Umfeld zu leiden hat und auch körperlich bedroht wird. Das alles wird nicht weiter vertieft, sondern bleibt relativ oberflächlich, trägt aber dazu bei, dass man sich mit den handelnden Personen gut identifizieren kann. 

Die Figur des Mörders ist hingegen wenig glaubwürdig. Ein völlig durchgeknallter und dem Alkohol verfallener Psychopath, dessen irrationales Verhalten hauptsächlich der Not der Drehbuchautoren geschuldet zu sein scheint, ihn am Ende irgendwie des Mordes überführen zu können. 

Unter dem Strich gibt das aber doch eine recht homogene Mischung, zudem durchaus spannend und kurzweilig - nicht zuletzt dank der straffen Regie von Siegel, der nie den roten Faden verliert und sich wie gewohnt auf das Wesentliche fokussiert. Erwähnenswert auch die gute Kamera-Arbeit von John Alton, die das Geschehen in stilvollen Schwarzweiß-Bildern einfängt und darüber hinaus mit ein paar wirklich schönen Aufnahmen punkten kann.

Sonntag, 6. Juli 2025

Death of a Gunfighter (Don Siegel & Robert Totten, 1969)

I got a bad habit of losing my temper.

Death of a Gunfighter, der in Deutschland unter dem albernen (wenn auch inhaltlich zutreffenden) Titel "Frank Patch - Deine Stunden sind gezählt" erschienen ist, zeigt die texanische Kleinstadt Cottonwood Springs an der Schwelle zur Zeitenwende. Im Jahr 1903 ist der Wilde Westen auf dem Rückzug und mit der Eisenbahn soll die Moderne Einzug halten. Dabei ist der Marshal Frank Patch mit seiner rabiaten Amtsführung, die immer mal wieder das ein oder andere Todesopfer fordert, nach Auffassung des Stadtrats ein Hindernis, das mögliche Investoren verschreckt. Da sich Patch mit guten Worten nicht überzeugen lässt aus dem Amt zu scheiden, ruft man den County Sheriff zu Hilfe.

Im Vorspann wird die Regie für den Film einem gewissen Allen Smithee zugeschrieben, ein Pseudonym, das hier erstmals zum Einsatz kam und später noch bei weiteren Filmen Verwendung finden sollte. Der ursprüngliche Regisseur Robert Totten überwarf sich während der Dreharbeiten mit dem Hauptdarsteller Richard Widmark und Don Siegel, der bereits ein Jahr zuvor erfolgreich mit Widmark bei Madigan zusammengearbeitet hatte, führte das Projekt zu Ende. Da aber Tottens Anteil am fertigen Film größer war, wollte er nicht als Regisseur genannt werden. Gegen die Nennung Tottens legte wiederum Widmark sein Veto ein. Und so kam "Allen Smithee" zu seinem ersten Spielfilm.

Aufgrund der oben geschilderten Umstände weist Death of a Gunfighter einige für Siegel eher untypische Elemente auf, die vermutlich Totten zuzuschreiben sind, wie die starke Fokussierung auf die einzelnen Figuren, das Verweilen auf markanten Gesichtern (Sergio Leone lässt grüßen) oder auch die sich anbahnende romantische Beziehung zwischen Hilda und Dan. Insbesondere die lange Einstellung mit Hildas nackten Füßen irritiert den treuen Siegel-Freund, kennt man so etwas doch ansonsten eher vom Fußfetischisten Quentin Tarantino, der allerdings zur Drehzeit gerade mal dem Kindergarten entwachsen war.

Gerade aber die Hauptfiguren sind interessant, vor allem natürlich Marshal Patch (wie immer großartig: Richard Widmark), ein Relikt aus der Vergangenheit, der stur darauf beharrt, seine Arbeit solange auszuführen, wie er es möchte. Niemand in der Stadt ist in der Lage ihm Paroli zu bieten und ihm offen gegenüber zu treten, zu groß ist der Respekt vor seiner bisweilen unbeherrschten Art. Wunderbar übrigens auch Amy Thomson in einer Nebenrolle als Hure, die mehrfach dabei zu sehen ist, wie sie unkontrolliert Essen in sich reinstopft oder einfach nur grimmig dreinschaut.

Kernthema des Films ist natürlich die Ablösung des Althergebrachten durch das Neue und Moderne, das naturgemäß nicht ohne Reibungsverluste vonstatten gehen kann. Sehr schön versinnbildlicht in der Szene, in der das Auto des Bürgermeistens beinahe mit dem Reiter kollidiert. Dass das Alte am Ende weichen muss - sprich: Patch erschossen wird - verrät schon der Titel. Eingerahmt wird das in die Szene, in der seine Frau beobachtet, wie sein Sarg in den Zug verladen wird: die erste Einstellung des Films findet damit ihre Fortsetzung in der letzten. 

Samstag, 28. Juni 2025

THE DUEL AT SILVER CREEK (Don Siegel, 1953)

I don't shoot men in the back.

Siegels erster Western überhaupt ist ein interessanter Genre-Mix, weil er typische Westernmotive mit einigen Anleihen beim Film noir versetzt. Die recht attraktive Faith Domergue spielt die klassische Femme fatale, die dem braven Marshall Tyrone (Stephen McNally in der Hauptrolle) den Kopf verdreht. Der heimliche Hauptdarsteller ist aber der hochdekorierte Kriegsheld Audie Murphy, der mit seiner spitzbübischen und sympathischen Art nicht nur das Herz der jungen Dusty erorbert. 

Die Story ist für einen Western außergewöhnlich komplex und beinhaltet einige kleinere Subplots sowie leider auch das ein oder andere Plothole. So ganz schlüssig ist das Verhalten der handelnden Personen nicht immer, aber das fällt nicht weiter ins Gewicht. Jedenfalls alles andere als ein typischer Siegelfilm, wobei es sich hierbei erst um seine vierte Arbeit als Regisseur handelt. Von dem direkten Vorgänger, The big Steal, unterscheidet sich The Duel at Silver Creek stilistisch doch erheblich, und das liegt nicht nur daran, dass die Handlung im Wilden Westen angesiedelt ist. Der actionreiche Beginn katapultiert den Zuschauer direkt ins Geschehen, wobei mich die Tatsache, dass ein Erzähler in der Ich-Form die Vorgeschichte aus dem Off erzählt, doch etwas verwirrt hat. Danach legt Siegel erstmal eine Vollbremsung hin und nimmt das Tempo völlig raus. Die Story ist recht spannend und lässt den Charakteren genügend Raum zur Entfaltung, bevor das Ganze dann in einen großen Showdown mit vorhersehbarem Ausgang in der Nähe des Silver Creek mündet.

Unter dem Strich ungeachtet der fehlenden Siegel-Trademarks ein spannendes und äußerst kurzweiliges Vergnügen mit guten Darstellern, das zudem mit einem schnauzbärtigen Lee Marvin in einer Nebenrolle aufwarten kann.

Montag, 23. Juni 2025

SORCERER (William Friedkin, 1977)

No one is just anything.

Friedkins Remake von Clouzots Le Salaire de la peur ist im engeren Sinne eigentlich gar keins, auch wenn der alberne deutsche Titel "Atemlos vor Angst" dies dem Zuschauer suggerieren will. Friedkin übernahm nur die Grundkonstellation und machte daraus einen ausgesprochen nihilistischen und hoffnungslosen Film. Das fängt schon bei den Protagonisten an, die allesamt Kriminelle auf der Flucht sind und sich in einem abgelegenen Dorf mitten im Dschungel eines namenlosen südamerikanischen Landes unter falschen Identitäten zusammenfinden. Die Einführung der Charaktere zu Beginn wirkt etwas lieblos aneinandergereiht und bleibt sehr oberflächlich. Lediglich über den Pariser Geschäftsmann Victor mit dem Decknamen Serrano erfährt man ein paar private Dinge, was später dazu beiträgt, dass sein Charakter am sympathischsten rüberkommt und man sich noch am ehesten mit ihm identifizieren kann.

Untereinander verhalten sich die vier Fahrer sehr reserviert und zurückhaltend. Es gibt praktisch keine Interaktion zwischen ihnen, die nicht direkt dem Erreichen des Ziels dient. Es handelt sich um eine reine Zweckgemeinschaft, deren einziges verbindendes Element der erfolgreiche Transport des Nitroglycerins zum brennenden Ölfeld ist. Und wenn dann erstmals so etwas wie ein persönliches Gespräch zwischen Victor und Kassem aufkommt, wird dies jäh durch den platzenden Reifen und den darauffolgenden Exitus der beiden unterbunden. Am Ende schafft es zwar einer der Fahrer bis ins Ziel, doch bevor Friedkin den Zuschauer mit dem Abspann entlässt, deutet er durch die Ankunft seiner Häscher an, dass auch der letzte Überlebende am Ende zu den Verlierern gehören wird.

Friedkin konnte zur Realisierung des Projekts letztlich auf ein recht üppiges Budget von rund 22 Mio Dollar zurückgreifen, auch wenn das ursprünglich nicht geplant war. Die Dreharbeiten, die überwiegend in der Dominikanischen Republik stattfanden, gestalteten sich sehr aufwändig und dies sieht man dem fertigen Film auch an. Mich faszinierten besonders der dreckige Look und die düstere, nihilistische Grundstimmung, trefflich untermalt von den sphärischen Klängen von Tangerine Dream. Ein durch und durch großartiger Film, der seinem großen Bruder an Intesität in nichts nachsteht.

Montag, 9. Juni 2025

COOGAN'S BLUFF (Don Siegel, 1968)

You learn a lot about a person when you hunt 'em.

Coogan's Bluff markiert den Beginn der Zusammenarbeit zwischen Eastwood und seinem Mentor Don Siegel, die über ein gutes Jahrzehnt andauern und weitere vier Filme hervorbringen sollte. Entstanden im selben Jahr wie Madigan greift er eines von dessen Hauptmotiven wieder auf, nämlich das des Polizisten, der einen Deliquenten aus seinem Gewahrsam entkommen lässt, um ihn anschließend nach seinen eigenen Regeln wieder zu jagen. Auch hier ist die Handlung in New York angesiedelt. Im Vergleich zum deutlich härteren Vorgänger dominieren in Coogan's Bluff jedoch die humoristischen Elemente. Das Ergebnis ist dann auch eher eine Action-Komödie als ein knallharter Copthriller. 
 
Ein zentraler Aspekt ist das Aufeinandertreffen der Kulturen - hier der prinzipientreue Kleinstadtsheriff mit Cowboyhut und Stiefeln aus dem westlichen Arizona, der von allen ständig für einen Texaner gehalten wird - dort die pulsierende Atlantik-Metropole New York mit ihren schrillen Hippies, dem allgegenwärtigen Drogenkonsum und dem bunten Nachtleben. Man kann dies auch stellvertretend für Eastwoods Transformation vom Westernhelden der 60er Jahre hin zum Polizisten der Neuzeit interpretieren, die einige Jahre später in der Figur des Dirty Harry ihren Höhepunkt finden sollte. Im Vergleich zu jenem wirkt Coogan noch vergleichsweise zahm, wobei auch er vor Gewaltanwendung nicht zurückschreckt - wenn es sein muss auch gegenüber Frauen. Doch weiß er auch die schönen Dinge des Lebens zu schätzen und legt im Laufe der Handlung gleich drei Frauen flach. Und am Ende bietet er seinem Gefangenen sogar eine Zigarette an. 

Coogan's Bluff ist ein vergnügliches Filmchen, das sich selbst nicht zu ernst nimmt. An die Klasse seines Vorgängers reicht es nicht heran, nichtsdestotrotz bietet es einen hohen Unterhaltungswert. Highlights in Sachen Action sind die große Schlägerei im Billard-Club und die Verfolgungsjagd mit den Motorrädern durch die Außenbezirke Manhattans, in der Siegel seine Stärken voll ausspielen kann. Und Lee J. Cobb ist sowieso immer toll.

Samstag, 7. Juni 2025

THE BLACK WINDMILL (Don Siegel, 1974)

You're the kind of machine who should be working for us.

The black Windmill ist ein merkwürdiger Film und wirkt wie ein Fremdkörper in Siegels Schaffen. Angesiedelt in London - was für sich betrachtet schon ungewöhnlich, aber nicht unbedingt ein Nachteil ist - handelt es sich um einen verworrenen Spionagethriller, dessen Handlung bei kritischer Betrachtung weder Hand noch Fuß hat. Die Plottwists in der zweiten Filmhälfte gehen sogar soweit, dass der Protagonist (der MI6-Agent John Tarrant, gespielt von Michael Caine) seiner Frau die Geschehnisse erklären muss, damit auch der Zuschauer versteht, was vor sich geht. Grundlage für den ganzen Unsinn war ein Roman des britischen Autors Clive Egleton, was die Sache aber auch nicht besser macht.

Nach der Entführung von Tarrants Sohn in den ersten Filmminuten braucht die Story etwas, bis sie in die Gänge kommt, weil Siegel sich Zeit nimmt, die wichtigsten Charaktere einzuführen. Michael Caine spielt die Hauptfigur sehr reserviert und zurückhaltend, was allerdings gewollt ist, denn gerade sein extrem kontrolliertes Verhalten angesichts der Entführung seines Sohnes wirkt auf seine Vorgesetzten befremdlich und macht ihn verdächtig, mit den Entführern zu kollaborieren, zumal diese über Insiderinformationen verfügen, die nur einem sehr eingeschränkten Personenkreis zugänglich sind. Somit ist von Beginn an klar, dass einer der führenden MI6-Leute ein Verrräter ist.

In der zweiten Filmhälfte herrschen dann die Actionelemente vor. Nachdem Tarrant auf sich alleine gestellt ist und als einzige Aufgabe die Rettung seines Sohnes sieht, legt er sein kontrolliertes Verhalten zunehmend ab. Und doch ist das alles nicht so recht überzeugend. Ich schätze Michael Caine sehr, aber diese Rolle ist nicht gerade eine Glanzleistung von ihm. Ganz anders Donald Pleasance, der als empathieloser, unter neurotischen Zwängen leidender Vorgesetzter Tarrants eine grandiose Vorstellung abliefert. John Vernon gibt einen charismatischen Gegenspieler und Delphine Seyrig sieht einfach umwerfend aus.

Das größte Ärgernis ist die Tatsache, dass aus der eigentlichen simplen Prämisse ein unnötig komplizierter und verworrener Agententhriller gemacht wurde, der weder sonderlich spannend ist noch halbwegs ansehnliche Aufnahmen bietet, an denen man sich ergötzen kann. Atmosphärisch hingegen ist das alles durchaus stimmig, aber ich hätte mir gewünscht, dass sich Siegel auf das konzentriert hätte, was er am besten kann: geradlinige, mitreißende Action inszenieren. Unter dem Strich wahrscheinlich der schwächste Siegel-Film, den ich bisher gesehen habe, wenn auch kein völliger Ausfall. 

Montag, 2. Juni 2025

THE GUN RUNNERS (Don Siegel, 1958)

A man can't go bad if it ain't in him to go bad.

The Gun Runners war zum damaligen Zeitpunkt bereits die dritte Umsetzung von Hemingways "To have and have not". Knapp 30 Jahre später sollte dann noch eine vierte dazukommen. 

Das Drehbuch orientiert sich nur lose an der Vorlage, übernimmt aber die Hauptfigur, die hier Sam Martin heißt: ein Skipper in finanzieller Not, der in Key West lebt und Fischfangtouren für gut betuchte Touristen anbietet. Zudem siedelte man die Geschichte vor dem Hintergrund der Kubanischen Revolution an, die in Hemingways Geschichte logischerweise keine Rolle spielt, da sie sich erst zwanzig Jahre nach der Entstehung zutrug. Nicht zuletzt aufgrund des geringen Budgets entschloss man sich, in Kalifornien zu drehen statt an den Originalschauplätzen und behalf sich zudem mit einigen montierten Aufnahmen. Das fällt allerdings kaum auf und wenn ich es nicht gewusst hätte, hätte ich es vermutlich nicht einmal bemerkt. Siegel war mit dem Film alles andere als zufrieden und machte in erster Linie das geringe Budget dafür verantwortlich. Auch die Kritiken waren dem Film nicht sonderlich wohlgesonnen. 

Dessen ungeachtet ist The Gun Runners ein kurzweiliger und unterhaltsamer Film geworden, der mit dem von Audie Murphy verkörperten Protagonisten eine sympathische Identifikationsfigur bietet und mit dem äußerst charismatischen Eddie Albert einen ebenbürtigen Widersacher. Den meist betrunkenen Sidekick Harvey gibt Everett Sloane ebenfalls sehr überzeugend und mit der "Miss Stockholm" 1953, Gita Hall, gibt es nicht nur was fürs Auge; mit ihrer tiefen Stimme, dem schwedischen Akzent und einem äußerst anregenden Timbre verfügt sie über eine erotische Ausstrahlung wie kaum eine andere Frau in einem Siegel-Film. Dass es sich bei Rolle um ihren ersten Auftritt als Schauspielerin handelt, merkt man ihr überhaupt nicht an.

Im Œuvre Don Siegels spielt The Gun Runners keine große Rolle und auch als ernstzunehmende, ihrer großen Vorlage gerecht werdende Verfilmung des Hemingway-Romans kann man diesen eher unbekannten Streifen nicht betrachten. Und doch hat er mich über die vergleichsweise kurze Spielzeit von gut 80 Minuten ausgezeichnet unterhalten. Und mehr habe ich auch nicht erwartet.

Samstag, 31. Mai 2025

MADIGAN (Don Siegel, 1968)

Madigan is a good cop, Tony. Doesn't always go by the book.

Der schlecht gewählte deutsche Titel Nur noch 72 Stunden gaukelt dem Zuschauer eine zeitliche Dramatik vor, die im Film gar keine Rolle spielt. Zwar ist es richtig, dass die beiden New Yorker Polizisten Madigan und Bonaro nur 72 Stunden Zeit haben, den ihnen entwischten Verbrecher dingfest zu machen, doch interessiert sich Siegel für die Zeitkomponente allenfalls am Rande und greift dies lediglich in Form von Einblendungen der jeweiligen Wochentage auf. (Das Drehbuch hieß übrigens ursprünglich "Friday, Saturday, Sunday".) Vielmehr stellt er den zuweilen recht tristen Polizeialltag in den Mittelpunkt der Erzählung, der geprägt ist von mühevoller Kleinarbeit, Misserfolgen und falschen Fährten. Der titelgebende Detective Madigan (großartig: Richard Widmark) ist dabei die zentrale Figur. Wie auch später  der Protagonist in Dirty Harry nimmt er es nicht immer so genau mit Recht und Gesetz, sondern legt Letzteres im Zweifel etwas großzügig zu seinen Gunsten aus und agiert ebenso opportunistisch wie pragmatisch im Dienst der Sache. Seine guten Kontakte in die New Yorker Unterwelt kommen ihm bei der täglichen Arbeit zugute und den ein oder anderen Gratisdrink kann er dabei auch abgreifen. 

Das krasse Gegenteil ist der Commissioner Russell (Hery Fonda), ein der täglichen Praxis des Polizeilebens weit entrückter Bürohengst, der für die Probleme der ihm unterstellten Mitarbeiter wenig Verständnis hat. Während er bei seinen Beamten hohe Maßstäbe anlegt und erwartet, dass sie sich in jeder Situation korrekt verhalten, hat er seinerseits ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau.

Die detailliert gezeichneten Figuren und der authentisch dargestellte Polizeialltag machen die Hauptfaszination des Films aus. Daneben gibt es auch ein paar gute Actionszenen, wobei hier vor allem die groß angelegte Schießerei am Schluss hervorzuheben ist. Neben dem Haupterzählstrang um die beiden Detektives gibt es noch einige Nebenplots, wie die Geschichte um den schwarzen Arzt Dr. Taylor, dessen Sohn in Konflikt mit der Polizei geraten ist, oder die Bestechungsgeschichte um Chief Inspector Kane (auch toll: James Whitmore), der zugleich Russells langjähriger Freund und Wegbegleiter ist und diesen damit in ein ernsthaftes Dilemma bringt.

Madigan zeichnet ein sehr detailliertes Bild vom Alltag der New Yorker Polizei und deren Verflechtungen mit zwielichtigen Gestalten und überzeugt mit wunderbaren Darstellern, stimmigen Charakteren, einer durchdachten und komplexen Story, gutaussehenden Frauen in den Nebenrollen (vor allem Inger Stevens und Sheree North können hier punkten) und einer gewohnt schnörkellosen, punktgenauen Inszenierung. Ein ganz hervorragender Film, zudem prägend für nachfolgende Polizei-Filme, und ganz ohne Zweifel eine von Siegels besten Arbeiten.

Freitag, 30. Mai 2025

FLAMING STAR (Don Siegel, 1960)

To tell the truth, I don't know who's my people.

Nach dem mediokren Edge of Eternity drehte Siegel einen Western, der vor allem deshalb bekannt wurde, weil Elvis Presley eine der Hauptrollen spielt. Glücklicherweise hält er sich mit Gesangseinlagen zurück und so beschränken sich seine diesbezüglichen Beiträge auf das Einsingen des Titelsongs und ein Lied bei einer Familienfeier zu Beginn des Films, die die da noch heile Welt der Protagonisten zeigt, die unter dem Druck der Kiowas-Angriffe sehr bald auseinanderbrechen soll.

Presley spielt den Mestizen Pacer, Sohn einer Kiowas-Frau und eines weißen Farmers, der zwischen beiden Welten steht und beiderseits bedrängt wird, sich für eine Seite zu entscheiden, obwohl er das gar nicht will. Letztlich kommt er durch die sich immer weiter zuspitzenden Ereignisse jedoch nicht umhin und so bildet der Mord an seiner Mutter den ausschlaggebenden Punkt. Presley spielt das erstaunlich gut und nuanciert. Dabei verfügt er über eine charismatische Ausstrahlung, die dazu beiträgt, dass man seine Figur als das Zentrum des Films wahrnimmt. Auch die übrigen Darsteller geben sich keine Blöße. Schon zu Beginn der Handlung wird relativ schnell klar, dass die Eskalation der Gesamtsituation unausweichlich ist. Siegel bemüht sich, die Motive beider Seiten nachvollziehbar darszustellen, was ihm auch recht gut gelingt, auch wenn die Sichtweise der Kiowas insgesamt vielleicht etwas zu kurz kommt. Die Spannung ist dementsprechend konstant hoch und an Action mangelt es auch nicht. 

Quentin Tarantino bezeichnete Flaming Star mal als Siegels besten Western. Ganz soweit würde ich nicht gehen, denn obwohl es sich hier um einen zweifellos sehr guten Film handelt, fällt er doch im Gegensatz zu dem großartigen The Shootist deutlich ab. Das aber soll keineswegs negativ verstanden werden. Don Siegel hat viele gute Filme gemacht und Flaming Star ist einer davon.

Samstag, 24. Mai 2025

EDGE OF ETERNITY (Don Siegel, 1959)

Rising with the sun, or just going to bed?

Die Einblendung zu Beginn des Films weist den unkundigen Zuschauer darauf hin, dass am und um den Grand Canyon herum in CinemaScope gedreht wurde. Und die phantastischen Landschaftsaufnahmen sind tatsächlich auch der einzige Grund, sich den Streifen anzuschauen. Die Handlung ist es sicher nicht. Erzählt wird eine recht triviale Geschichte um einen Mord in einer kleinen Siedlung am Rande einer brachliegenden Goldmine aus der Sicht des ermittelenden Deputys.

Von allen Siegel-Filmen, die ich kenne, ist dies sicherlich der am wenigsten spektakuläre und auch einer derer, in dem seine Handschrift am wenigsten erkennbar ist. Es gibt zwar eine tolle Auto-Verfolgungsjagd zwischen dem Deputy und der draufgängerischen Janice zu Beginn, aber ansonsten vergleichsweise wenig Action. Den Abschluss bildet ein Zweikampf zwischen den Protagonisten auf der Kabine einer Seilbahn, der ziemlich vorhersehbar nach Schema F abläuft und wenig aufregend ist. Die Darsteller sind solide und machen ihre Sache gut, ohne dabei zu glänzen oder in irgendeiner Art und Weise hervorzustechen. Cornel Wilde war zwar seinerzeit ein gefragter und bekannter Schauspieler, doch fehlte es ihm für meine Begriffe an Charisma. Die eigentliche Hauptattraktion sind zweifellos die atemberaubenden Weitwinkelaufnahmen des Grand Canyon, der selten besser in Szene gesetzt wurde als hier, und die gute Bluray bringt das mit einem tollen Farbspektrum hervorragend zur Geltung.

Edge of Eternity ist kein schlechter Film, aber irgendwie wollte sich das klassische Siegel-Feeling während der Sichtung nicht einstellen. Mir fehlte vor allem der Drive, den man ansonsten von ihm gewohnt ist. Das Geschehen plätschert so vor sich her und echte Spannung kommt zu keiner Zeit auf. Das tut meiner grundsätzlichen Begeisterung für seine Arbeiten natürlich keinen Abbruch, aber der Mann hat weitaus bessere Filme gemacht. 

Freitag, 23. Mai 2025

STRANGER ON THE RUN (Don Siegel, 1967)

It ain't a game no more, is it?

Dieses Mal kein Krimi, sondern ein Western in meiner kleinen Siegel-Reihe, zudem einer, der fürs Fernsehen produziert wurde, was sich sofort im unschönen Vollbildformat bemerkbar macht. 

Für die Hauptrolle konnte man Henry Fonda gewinnen, der hier den heruntergekommenen Trunkenbold und ehemaligen Häftling Ben Chamberlain spielt, der in die kleine Eisenbahnsiedlung Banner kommt, um eine ihm unbekannte Frau namens Alma zu retten. Dies hatte er ihrem Bruder, einem Mithäftling, versprochen. In Banner sorgt Sheriff McKay mit einer Horde von Mördern als Deputys auf Geheiß des Gesandten der Eisenbahngesellschaft auf höchst fragwürdige Weise für Recht und Ordnung. Offiziell will die Eisenbahngesellschaft davon natürlich nichts wissen und so kommt McKay der Mord an der Dorfhure Alma durch einen der Deputys höchst ungelegen. Wäre da nicht Chamberlain, dem man den Mord in die Schuhe schieben könnte, um anschließend die Jagd auf ihn zu eröffnen.

Stranger on the Run ist meines Wissens der zweite Fernsehfilm von Siegel, nachdem er drei Jahre zuvor bereits The hanged Man, den ich leider noch nicht kenne, fürs Fernsehen gedreht hat. Dabei beließ er es dann auch und wandte sich fortan glücklicherweise wieder der Leinwand zu. Dennoch ist Stranger on the Run absolut sehenswert und kann insbesondere durch seine - für Siegel-Verhältnisse - gut ausgearbeiteten Charaktere überzeugen. Zwar erfährt man nicht allzu viel über sie, doch reichen die Informationen aus, sich ein recht detailliertes Bild vom Seelenleben der Protagonisten zu machen. Da ist der desillusionierte Chamberlain, der sich für den Tod seiner Frau verantwortlich fühlt und in der Folge dem Alkohol verfallen ist, die einsame Witwe, die alleine mit ihrem 17-jährigen Sohn auf einer Ranch etwas außerhalb des Ortes lebt, eben jener Sohn, der nach dem Wunsch seiner Mutter Farmer werden und in die Fußstapfen seines toten Vaters treten soll, der seinerseits aber McKay vergöttert und sich seiner Deputy-Bande anschließen will oder der Sheriff, dem es zunehmend schwerer fällt, seine schießwütige und gewalttätige Bande unter Kontrolle zu halten.

Darstellerisch konnte Siegel hier aus dem Vollen schöpfen. Neben Anne Baxter und einem sehr jungen Michael Burns fesselt vor allem Fonda mit seinen stahlblauen Augen, hier in einer ungewohnten Versager-Rolle. Den Vogel schießt aber Michael Parks als Sheriff McKay ab. Seine Performance begeisterte Quentin Tarantino so, dass er ihn Jahrzehnte später gemeinsam mit seinem Kumpel Robert Rodriguez in seinen eigenen Filmen castete, lustigerweise in immer der gleichen Rolle als Texas Ranger Earl McGraw.

Donnerstag, 22. Mai 2025

THE LINEUP (Don Siegel, 1958)

A dead man can't point at you.

Auch The Lineup verpassten die Spaßvögel, die für die Eindeutschung des Films zuständig waren, einen lustigen deutschen Titel, und zwar: Der Henker ist unterwegs. Der Fairness halber sei erwähnt, dass auch der Originaltitel nicht viel besser ist, denn das in Rede stehende Lineup, also eine Gegenüberstellung verdächtiger Personen mit einem Zeugen, kommt nur in den ersten Minuten des Films vor und hat für die weitere Handlung keinerlei Bedeutung. Siegels Film basiert auf einer Hörspielreihe, die in den frühen 50er Jahren im Radio gesendet wurde, und einer sich daran anschließenden Fernsehserie gleichen Namens. Insofern ist es nachvollziehbar, dass man den Namen für den Film übernommen hat, zumal Warner Anderson und Marshall Reed im Film die gleichen Rollen spielen wie in der TV-Serie.

Die Handlung des Films wirkt merkwürdig inkonsistent und zerrissen. Was als klassischer Kriminalfilm mit dem Fokus auf der Ermittlungsarbeit der beiden oben erwähnten Polizisten beginnt, wandelt sich im weiteren Verlauf zu einem knallharten Gangsterfilm. Der Fokus verschiebt sich dabei von den Polizisten, die in der zweiten Filmhälfte nur noch selten zu sehen sind, zu dem Gangsterduo Dancer (Eli Wallach in ungewohnter Rolle) und Julian (wunderbar: Robert Keith), wobei der Erstgenannte ein leicht reizbarer, psysopathischer Killer ist, dessen Einsamkeit (angedeutet in der Szene mit Cindy im Aquarium) sich in Aggression und Hass ausdrückt, und der zweite so etwas wie sein Mentor, stets ruhig und besonnen und bemüht, das Temperament seines Kumpels im Zaum zu halten. Für ein Buch, das er zu schreiben gedenkt, sammelt er die letzten Worte der Opfer, die Dancer ermordet. Stellenweise erinnerten die beiden mich an die beiden Auftragsmörder aus Siegels sechs Jahre später entstandenem The Killers, der allerdings ein deutlich ausgereifterer Film ist.

Angesiedelt ist das Ganze in San Francisco und wie so oft in Filmen, die in der kalifornischen Metropole spielen, wirkt sich dies positiv auf das Flair und die Grundstimmung des Films aus. Es gibt ein paar beeindruckende Weitwinkel-Aufnahmen von Hal Mohr, mit dem Siegel zuvor schon mehrfach zusammengearbeitet hatte, und am Ende noch eine dramatische Verfolgungsjagd in der Nähe der Golden-Gate-Bridge. Die Story offenbart bei nüchterner Betrachtung doch einige Ungereimtheiten, über die man dank der straffen Inszenierung jedoch großzügig hinwegsehen kann. The Lineup ist ein klassischer Siegel-Film, der alle für seine Arbeit so typischen Elemente vorzuweisen hat, und bietet über knapp 90 Minuten äußerst kurzweilige Unterhaltung.